Politik/Ausland

Boris Johnson tritt zurück: "Bin traurig, dass ich besten Job der Welt aufgeben muss"

Die Regierungskrise in London hat sich nach den Rücktrittsrufen in den vergangenen Tagen am heutigen Donnerstag weiter verschärft. Premierminister Boris Johnson verlor zunehmend an Rückhalt - und hat heute offiziell seinen Rücktritt bekanntgegeben.

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Johnson erklärte zunächst, wie gut er das Land durch die Corona-Krise gesteuert habe. Wie er den Brexit durchgezogen und zuletzt im Ukraine-Krieg klar Stellung gegen Putin bezogen habe.

Er wolle aber als Regierungschef weitermachen, bis ein Nachfolger gewählt ist, sagte Johnson am Donnerstag in einer Erklärung an seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street. Wörtlich sagte er: „Ich möchte, dass Sie wissen, wie traurig ich bin, den besten Job der Welt aufzugeben“.

Britische Außenministerin bricht Teilnahme an G20-Treffen ab

Die britische Außenministerin Liz Truss wird der BBC zufolge wegen der Regierungskrise in London ihre Teilnahme am Treffen der G20-Ressortchefs auf Bali abbrechen. Truss plane, nach Großbritannien zurückzukehren, berichtete BBC am Donnerstag. Ein Vertreter des britischen Außenministeriums wollte dazu keine Stellung nehmen. Truss gilt als mögliche Nachfolgerin von Premierminister Boris Johnson.

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Donnerstag Früh hatte der neue Finanzminister Nadhim Zahawi Johnson öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. „Premierminister, in Ihrem Herzen wissen sie, was das Richtige ist. Gehen Sie jetzt“, schrieb Zahawi in einem auf Twitter veröffentlichten Brief an Johnson.

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Mit Bildungsministerin Michelle Donelan und Nordirland-Minister Brandon Lewis stieg die Zahl der zurückgetretenen Kabinettsmitglieder auf fünf. Weitere Tory-Abgeordnete legten ihre Regierungsämter nieder. Johnson hatte sich noch am Mittwoch kämpferisch gezeigt und einen Rücktritt abgelehnt - doch sein baldiger Abschied von der Regierungsspitze gilt zunehmend als unausweichlich.

Johnson wolle aber noch bis Herbst Regierungschef bleiben, meldete der britische Sender BBC am Donnerstag. Ein Regierungssprecher kündigte noch für denselben Tag eine Ansprache des Premiers an die Nation an.

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Die Zahl der Rücktritte aus Regierungsämtern lag am Donnerstagfrüh insgesamt bei über 50. Die bislang ultra-loyale Chefjustiziarin Suella Braverman hatte Johnson am Abend zuvor im Live-Fernsehen zum Rücktritt aufgefordert und sich selbst als Nachfolgerin ins Spiel gebracht. Sie selbste wollte jedoch zunächst nicht zurücktreten.

Medienberichten zufolge hatte eine ganze Reihe von amtierenden Ministern den Premier am Abend im Regierungssitz 10 Downing Street aufgesucht und zum Rücktritt gedrängt. Darunter soll neben Schatzkanzler Zahawi auch Verkehrsminister Grant Shapps gewesen sein. Gegen Johnson gestellt haben sollen sich auch die bislang ultra-loyale Innenministerin Priti Patel, Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng. Erwartet wurde, dass es aus dieser Gruppe noch weitere Entlassungen oder Rücktritte geben dürfte.

Bau- und Wohnungsminister Michael Gove, der als langjähriger Weggefährte und politisches Schwergewicht gilt, wurde am Mittwochabend entlassen. Er soll dem Premier bereits am Morgen den Rücktritt empfohlen haben.

Im Regierungssitz 10 Downing Street herrschte am Donnerstagfrüh zunächst Funkstille. Noch am Abend zuvor hatte ein enger Johnson-Vertrauter verkündet, der Premier werde nicht aufgeben. „Der Premierminister ist in einer optimistischen Stimmung und wird weiterkämpfen“, sagte Johnsons parlamentarische Assistent James Duddridge dem Sender Sky News. Johnson habe bei der vergangenen Parlamentswahl das Mandat von 14 Millionen Wählern bekommen und „so viel zu tun für das Land“.

Doch seine Lage wurde zunehmend aussichtslos. Der Tory-Abgeordnete und Johnson-Kritiker Steve Baker sagte der BBC am Donnerstag, die Regierung sei „im freien Fall“. Selbst Johnsons früherer Arbeitgeber, die konservative Zeitung „The Daily Telegraph“, bezeichnete Johnson auf ihrer Titelseite als „tödlich verwundet“. Der linksliberale „Guardian“ titelte: „Verzweifelter, verblendeter Premierminister klammert sich an der Macht fest“.

Die letzte Krise

Für Johnson, der schon etliche Krisen ausgestanden und seine Macht stets behielt, dürfte jetzt Schluss sein.  Bis dahin will ein einflussreiches Komitee, das die Regeln für eine Abwahl des Tory-Parteichefs festlegt, den Weg für ein zweites Misstrauensvotum freimachen.

Johnson hatte erst vor einem Monat eine Misstrauensabstimmung in seiner Fraktion knapp überstanden. Den bisherigen Regeln der Tory-Partei zufolge darf für die Dauer von zwölf Monaten nach der Abstimmung kein neuer Versuch unternommen werden, den Vorsitzenden zu stürzen. Durch eine Regeländerung könnte aber bereits in der kommenden Woche ein neues Misstrauensvotum möglich sein. Es gilt als wahrscheinlich, dass Johnson dieses Mal verlieren dürfte.

Ausgelöst wurde die jüngste Regierungskrise in Westminster durch eine Affäre um Johnsons Parteikollegen Chris Pincher, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Zuvor war herausgekommen, dass Johnson von den Anschuldigungen gegen Pincher wusste, bevor er ihn in ein wichtiges Fraktionsamt hievte. Das hatte sein Sprecher zuvor jedoch mehrmals abgestritten.