Englischer Sexskandal: Minister hat eine Affäre mit Lobbyistin
Von Georg Szalai
Großbritannien. „Betrügerischer Hancock“, titelte The Sun. Darunter war eines von mehreren Fotos des 42-jährigen Gesundheitsministers Matt Hancock beim intimen Küssen einer Frau in seinem Büro. Dass beide verheiratet sind, aber nicht miteinander, und beide drei Kinder haben, aber nicht miteinander, ließ sie sich auf der Zunge zergehen. Die „heiße Umklammerung“ seiner Beraterin und Bekannten aus Oxford-Studienzeiten, Gina Coladangelo, 43, war Beweis einer „geheimen Affäre“.
Das Liebesdrama in Zeiten von Corona zog bald weitere politische Kreise. Denn die Fotos von einer Überwachungskamera stammen vom 6. Mai. Laut Regierungsempfehlung dürfen aber in England Menschen, die nicht zusammen wohnen, erst seit dem 17. Mai wieder Umarmungen und Küsse austauschen. Hancock riet damals ironischerweise zu wohlüberlegter Zärtlichkeit: „Wir sollten alle vorsichtig sein.“ Das war er auch am Freitag aus Angst vor Tuchfühlung mit Medien und sagte den Besuch einer Impfstelle ab.
Zur Mittagszeit musste er dann aber doch zugeben, ertappt worden zu sein. „Ich habe in diesem Fall gegen die Abstandsregeln verstoßen“, sagte er, zeigte sich „very sorry“ und bat, die „Privatsphäre“ seiner Familie zu respektieren. Als Minister wolle er aber weitermachen und sich auf den Kampf gegen Corona konzentrieren.
Freunderlwirtschaft
Dennoch rückte die Affäre Fragen über den Regierungsstil von Premier Boris Johnsons konservativen Tories, die mit Vorwürfen der „chumocracy“, also Freunderlwirtschaft, kämpfen, erneut ins Rampenlicht. Denn Hancocks vermeintliche Liebhaberin ist Kleinaktionärin einer Lobbying-Firma, für die sie früher arbeitete. Letztes Jahr gab der Minister ihr zunächst einen unbezahlten Posten und stellte sie dann liebevoll als Beraterin mit 15.000 Pfund (17.900 Euro) Jahresgehalt aus Steuergeld an, was schon damals für Aufregung sorgte. Verkehrsminister Grant Shapps kam in einem TV-Interview zum Handkuss, hielt aber seine Zunge im Zaum und sagte, die „unglaublich rigorosen“ Prozesse bei der Einstellung von Beratern seien hier eingehalten worden.
Die Labour-Opposition ließ die verbale Peitsche knallen und drängte Premier Johnson, Hancock den Laufpass zu geben. Sein Verhalten sei „ein eklatanter Machtmissbrauch und ein klarer Interessenkonflikt“. Labour sagte, dass Hancock schon bei anderen fragwürdigen Entscheidungen involviert war. So soll er Millionenaufträge für Corona-Ausrüstung ohne eingehende Prüfung an Freunde verteilt haben. Johnson dagegen betrachtet „die Angelegenheit als erledigt“.
Der Gesundheitsminister steht schon länger unter Beschuss: Johnsons Ex-Berater Dominic Cummings sagte, er hätte entlassen werden müssen, weil er in Sitzungen gelogen habe. Johnson selbst soll ihn einen „total hoffnungslosen“ Fall genannt haben. Seither nennt ihn die Boulevardpresse Hopeless Hancock.
Georg Szalai, London