Meinung

Polit-Diskurs befeuerte Rechtsterror von Hanau

Zehn Opfer, ein Täter in Hanau bei Frankfurt – alle tot. Und Deutschland quält sich mit der Frage: Wie konnte es so weit kommen? Und: Hat die Bundesrepublik ein Problem mit rechten Terrornetzwerken? Für Letzteres gilt: Ja und nein zugleich.

Nein, weil der Täter nach bisherigem Kenntnisstand völlig durchgeknallt war, was sein Blutbad in keiner Weise rechtfertigt, und weil er offenbar als "einsamer Wolf" gehandelt hat. Seine kranke Psyche füllte er mit rechtsradikalem Gedankengut. Er vertrat abenteuerliche "Rassenthesen" und abstrakte Verschwörungstheorien. Er hasste Frauen und vor allem Ausländer, deshalb nahm der 43-Jährige auch Shisha-Bars ins Visier – alle neun Opfer dort hatten Migrationshintergrund. Wieder zu Hause tötete er vermutlich seine Mutter und sich selbst.

Doch was lässt einen Menschen jegliche Hemmungen verlieren? In diesem Zusammenhang spielt das Internet eine große Rolle. Virtuell wird da ungestraft gehetzt, beleidigt und gedroht. Für jede noch so absurde Idee findet man Unterstützer. Labile Zeitgenossen könnten sich so angespornt fühlen. Dazu gibt es ganz real die grauenvollen Figuren, wie den Attentäter von Christchurch, der seine Massaker sogar live im Internet übertrug. Wirrköpfe eifern ihnen blind nach.

Gegen Hass-Reden und Machtspielchen

Doch das alleine greift zu kurz. Es ist auch eine Stimmungslage, die Mörder wie jenen in Hanau zur Tat schreiten lassen. Wenn Politiker, namentlich der rechtsradikalen AfD, quasi in Permanenz auf Ausländer und/oder Islamisten verbal hinprügeln und sie als Sündenböcke für alles Mögliche denunzieren, säen sie Hass und bereiten den Boden für solche Verbrechen. Und wenn der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland die Nazi-Herrschaft mit sechs Millionen getöteten Juden als "Vogelschiss"

der ansonsten erfolgreichen deutschen Geschichte bezeichnet, beflügelt das potenzielle Rechtsterroristen. Kanzlerin Angela Merkel, die dem Land nach ihrem geplanten Abgang 2021 jedenfalls hinsichtlich Anstand noch schmerzhaft fehlen wird, fand in diesem Zusammenhang die so richtigen und klaren Worte: "Rassismus ist ein Gift, Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft."

Mehr denn je sind jetzt die Demokraten gefordert, zusammenzustehen – und die Brandmauer gegen die gefährlichen Ideologen der AfD zu stärken. Und sie sind auch aufgefordert, so schändliche Machtspielchen wie zuletzt in Thüringen zu unterlassen – als sich FDP und CDU vor den AfD-Karren spannen ließen und gemeinsam einen Liberaldemokraten  zum (Kurzzeit-)Ministerpräsidenten wählten.

Das beschädigt die Demokratie ungemein. Wir können es uns aber nicht leisten, dass sich noch mehr  Menschen von ihr abwenden. Wir haben nichts Besseres.