Meinung

Friedensnobelpreis an äthiopischen "Gorbi" als Signal an Afrika

Lange war er loyaler Funktionär des repressiven äthiopischen Systems. Doch einmal an der Macht, die er als Ministerpräsident seines Landes erst im Vorjahr erhielt, entpuppte sich Abiy Ahmed als glühender Demokrat. Als Reformer nach innen und außen.

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Zuallererst schloss er Frieden mit dem Nachbarland Eritrea - die beiden Erzrivalen im östlichen Afrika hatten einander zwischen 1998 und 2000 unerbittlich bekämpft (80.000 Tote). Dieser mutige Schritt war einer der beiden Grundlagen des Nobelkomitees dem 43-Jährigen (er ist damit der jüngste Staatsmann Afrikas) den diesjährigen Friedensnobelpreis zu verleihen.

Die zweite Grundlage war die Öffnung nach innen. Abiy Ahmed ließ Tausende inhaftierte Dissidenten frei, feuerte korrupte Beamte in Verwaltung und im Sicherheitsapparat. Und mit Privatisierungen gelang es ihm, die Wirtschaft in lichte Höhe zu führen. All das machte den "Gorbatschow" Afrikas zur derzeit schillerndsten Polit-Figur auf dem Kontinent, der in seiner Heimat fast schon religiös verehrt wird - eine Biografie über ihn trägt den Titel "Moses".

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Die hohe Auszeichnung ist aber auch ein Signal an andere afrikanische Leader, sich mit der neuen äthiopischen Lichtgestalt in Sachen Demokratie ein Vorbild zu nehmen. Denn die ist auf dem Kontinent mitunter mehr als verkümmert. Und auch erfolgreiche Präsidenten, wie etwa Ruandas Paul Kagame, halten von Mitbestimmung relativ wenig bis nichts. Sie setzen auf autoritäre Führung. Dass sie jetzt "Moses" ins Gelobte Land folgen, ist eher anzuzweifeln - allerdings hätte vor drei Jahren auch niemand daran gedacht, dass ausgerechnet Äthiopien zum demokratischen Vorreiter avanciert.

Abiy Ahmed sollte jedenfalls den Friedensnobelpreis als Turbo erachten, mit seinen Reformen voranzuschreiten. Denn seine 100 Millionen Landsleute leben zum Teil noch in tiefer Armut, die latenten Spannungen zwischen den vielen Volksgruppen bergen enormes Konfliktpotenzial.

Heute jedoch ist für den Ministerpräsidenten Äthiopiens einmal ein Feier-Tag angesagt, er darf sich freuen über den Lohn seiner Bemühungen - und mit ihm ganz Afrika.

Der Friedensnobelpreis wird im Gegensatz zu den anderen Nobelpreisen nicht in Stockholm, sondern in Oslo vergeben. Dort wird er am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel, auch überreicht. Für die Auswahl ist eine Jury zuständig, die vom norwegischen Parlament ernannt wird.

Die Jury hatte in diesem Jahr die Wahl zwischen 301 Nominierten, unter ihnen 223 Persönlichkeiten und 78 Organisationen. Da die Namen der Kandidaten 50 Jahre lang unter Verschluss gehalten werden, ließ sich über den Preisträger vorab nur spekulieren.

Im vergangenen Jahr erhielten der kongolesische Arzt Denis Mukwege und die irakische Menschenrechtsaktivistin Nadia Murad die Auszeichnung für ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe. Die diesjährige Vergabe ist die 100. in der Geschichte des Friedensnobelpreises. Seit der ersten Auszeichnung 1901 gab es in 19 Jahren, vor allem in Kriegs- und Krisenzeiten, keinen Preisträger.

Abiy Ahmed Ali wurde am 15. April 1976 in Beshasha als erster Sohn von Tezeta Wolde, der vierten Ehefrau seines muslimischen Vaters Ahmed Ali in eine sehr angesehene Familie geboren. Seine Mutter ist zum Christentum übergetreten. Über Abiy Ahmeds  Religionszugehörigkeit gibt es widersprüchliche Angaben.

Sein Vater wurde während der Herrschaft der Derg inhaftiert. Abiys Jugend war stark vom Sturz des Staatschefs Mengistu Haile Mariam geprägt. Beim folgenden Aufstand wurde sein ältester Halbbruder getötet,  Abiy schloss sich mit 15 Jahren der politischen Fraktion der Demokratischen Organisation des Oromovolkes (OPDO) an, 1993 trat er in die äthiopische Armee ein, wo er eine gute Ausbildung erhielt, 1995 war er Teil einer UN-Friedensmission in Ruanda. Er wurde Offizier und absolvierte mehrere Studien. Ab den 2000er-Jahren machte er sich in seiner Heimatregion einen Namen als Vermittler zwischen Christen und Muslimen.

Abiy Ahmed ist mit Zinash Tayachew verheiratet, die er beim Militär kennen gelernt hatte. Das Paar hat drei Töchter.