FAZ: "Serbien wendet sich vorsichtig von seinem 'Bruder' ab"
Am Pfingstmontag hätte Sergej Lawrow in Belgrad landen sollen. Doch daraus wurde nichts. Der russische Außenminister musste seine Reise in die serbische Hauptstadt absagen, nachdem Bulgarien, Montenegro und Nordmazedonien seinem Flugzeug die Überflugrechte verweigerten hatten.
"So wurde also nichts aus dem Belgrader Gipfel zwischen dem Präsidenten Serbiens und dem Mann, der Putins Kriege auf internationalem Parkett seit Jahren schönredet", schrieb die FAZ am Abend des gescheiterten Besuchs Lawrows. Dabei hätte es Wichtiges zu besprechen gegeben. Etwa die vorläufige Einigung über einen Gas-Liefervertrag, die vergangene Woche in einem Telefonat zwischen den beiden Präsidenten Wladimir Putin und Aleksandar Vučić getroffen wurde und die "fast sensationell klang", urteilt die FAZ.
Die äußerst günstigen Konditionen kämen nicht von ungefähr. "Die Nachricht (über den neuen Gasvertrag, Anm.) wurde allgemein als russisches Leckerli für Serbiens Wohlverhalten gegenüber dem Kreml interpretiert, insbesondere für die Weigerung, sich den Sanktionen anzuschließen", schrieb das deutsche Blatt, stellt aber im Verhalten Vučićs zunehmend Anzeichen von einer Wende fest: "Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass sich Vučić seit einiger Zeit vorsichtig von Putin abzusetzen versucht. Ein Indikator dafür sind gelegentliche kritische Berichte und Äußerungen in dem Imperium aus Fernsehsendern, Internetportalen und Boulevardzeitungen, die von Weggefährten Vučićs gesteuert werden und stets in dessen Sinne berichten". Zudem bröckele in Serbien "die einst starke Unterstützung für den Kreml".
Hysterie
Von einer Abkehr von "russischen Freunden" ließ sich der Mann, der Lawrows Gastgeber sein sollte, am Montagabend nichts anmerken. Vielmehr beklagte Vučić die aufgrund des Lawrow- Besuchs in Europa entstandene Aufregung. "Die Hysterie, die entstanden ist, hat eigentlich gezeigt, was einige wollten“, sagte Serbiens Präsident gegenüber dem staatlichen TV-Sender RTS. Eine derartige "Hysterie" gegen Serbien habe es lange nicht gegeben.
"Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Gespräche es gegeben hat, in denen Serbien aufgefordert wurde, dem russischen Außenminister die Gastfreundschaft zu verweigern", erklärte Vučić und fragte sich, ob die gleiche Behandlung auch "für das NATO-Mitglied Türkei gelten wird, wenn Lawrow nach Ankara reist". Die vermeintlich rhetorische Frage beantwortete er gleich selbst: "Nein, denn man kann nur gegen ein kleines Land wie Serbien so rücksichtslos vorgehen." Seiner Ansicht würde die Weigerung Serbiens, "immer der Herde anzugehören", derzeit "Kopfschmerzen" bereiten.
EU-Weg "das Beste für Serbien, für unsere Kinder"
Weil man gegen Russland nichts ausrichten könne, wolle man Serbien treffen, so Vučić, der Russland einen traditionellen Freund nannte. Gleichzeitig versäumte er aber nicht, zu unterstreichen, dass der EU-Beitrittskandidat Serbien sich auf seinem Weg in die EU "beeilen" müsse. "Dies ist das Beste für Serbien, für unsere Kinder", betonte er.
Serbien hatte den russischen Angriff auf die Ukraine zwar wiederholt verurteilt, will sich aber den internationalen Sanktionen gegen Moskau nicht anschließen. Sein Land wolle seine eigene Entscheidungsgewalt wahren, unterstrich Vučić am Montagabend wieder einmal.