Leben/Gesellschaft

Wie viel Mensch im Neandertaler steckt

Der Urururopa war vielleicht ein Neandertaler, die Urururoma ein moderner Mensch. Seit Jahren ist bekannt, dass moderne Menschen Neandertaler-DNA in sich tragen. Jetzt ist es Forschern gelungen, nachzuweisen, dass auch der moderne Mensch Spuren im Neandertaler hinterlassen hat. Das berichten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig im Fachmagazin Nature.

DNA-Beweis

Der Beweis dafür ist ein 50.000 Jahre alter Neandertaler-Knochen, der in einer Höhle im Altai-Gebirge, im Grenzgebiet von Kasachstan, Sibiren, der Mongolei und China, entdeckt wurde. Das Individuum zu dem er gehörte, ist das Ergebnis einer Liaison zwischen Neandertaler und modernem Mensch (homo sapiens).

Der Genetiker Martin Kuhlwilm vom Max-Planck-Institut hat das Techtelmechtel zwischen den Verwandten aufgedeckt. Er analysierte das kleine Knochenstück und fand Gene, die vom modernen Menschen stammen. Das Erbgut deutet auf eine Vermischung hin, die viele Generationen vor seiner Geburt stattfand, "vermutlich mehrere Zehntausend Jahre", mutmaßt Kuhlwilm.

"Die Vermischung hat aber nur im asiatischen Raum stattgefunden", ergänzt der Genetiker. Untersuchungen an Neandertaler-Knochen aus europäischen Höhlen in Spanien und Kroatien zeigen nämlich, dass diese keine Spuren moderner Menschen in sich trugen. Ob man nur in Asien Gefallen aneinander fand? Die Forscher wissen es nicht. Der Fund beweist auch, dass die beiden Arten mehrere Zehntausend Jahre früher als bisher angenommen Liebeleien miteinander hatten und sich vermischt haben.

Doch wer waren diese modernen Menschen, die im Altai-Gebirge lebten? Laut Kuhlwilm war es eine Gruppe, die Afrika früh verlassen hat. Sie sind nach Eurasien gezogen und hatten dort vor etwa 47.000 bis 65.000 Jahren Sex mit Neandertalern. Archäologische Befunde gab es dafür schon länger, meint der Wissenschaftler. Genetisch nachgewiesen wurde dies aber erst jetzt.

Ausgestorben

Über diese spezielle Gruppe moderner Menschen ist nur wenig bekannt, sie starb später aus. "Seit ungefähr 200.000 Jahren gibt es moderne Menschen, und diese Gruppe hat sich wohl um diese Zeit herum, jedenfalls nicht viel später, abgespalten." Liebeleien zwischen verschiedenen Arten kamen häufiger vor. Eine Vermischung von Populationen war eher die Regel als die Ausnahme: "Das heißt, dass Menschen bzw. Neandertaler immer zu einem gewissen Grad mit den anderen Gruppen, die sie getroffen haben, interagiert haben", sagt Experte Kuhlwilm.

Was Neandertaler generell in unserer DNA hinterlassen haben, ist nicht nur Gutes, wie zuletzt Studien zeigten. Das Risiko nikotinabhängig oder depressiv zu werden, wird von ihrem Erbgut beeinflusst.