Leben/Gesellschaft

Gala der Menschlichkeit: "Sie ist wirklich ein Stern"

Sie führt den Blindenstock – der Herr Wolfgang hält sich gut am Stock fest. An ihrem Arm findet wiederum die Frau Sissy Halt. So kommt das eingespielte Trio flott und vor allem trittsicher voran. Obwohl nur zwei der sechs Augen, jene von Susanna Klaunig, etwas sehen.

„Sie ist wirklich ein Stern“, betont der aufgrund seiner Augenkrankheit vollblinde und daher pensionierte Herr Wolfgang anerkennend. Und fügt hinzu: „Als behinderter Mensch entwickelt man ein Gefühl dafür, ob dir jemand helfen oder über dich verfügen möchte.“ Die andere Frau an seiner Seite nickt zustimmend, sagt dann: „Die Susanna ist mein rettender Engel.“

Nicht der Rede wert

Die derart Gelobte kämpft sichtlich mit dem Gesagten. Schnell wird klar: Sie hilft gerne. Doch sie redet nicht viel und gerne darüber.

Das tun heute andere: 32 Jahre lang war Susanna Klaunig beim Roten Kreuz als Heimhilfe berufstätig. Sie lächelt beim gemeinsamen Wandern durch den Schlosspark im nö. Ort Laxenburg: „Ich habe diese Tätigkeit bis zu meiner Pensionierung sehr gerne ausgeübt.“

Seit mittlerweile fünf Jahren arbeitet sie ehrenamtlich für die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen. Die kann einen „Stern“ wie die gebürtige Schweizerin und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen mehr als nur gut gebrauchen. Denn obwohl die Hilfsgemeinschaft vielen Menschen in Österreich Orientierung in einer für sie uneinsichtigen Welt bietet, lebt sie in erster Linie von Spenden und der Mithilfe von rund 250 Freiwilligen.

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An der Wanderung heute nehmen gut 25 Personen teil. Bei einigen verweist nur eine gelbe Schleife mit drei schwarzen Punkten an ihrem Rucksack auf ihre Beeinträchtigung. Dennoch benötigen sie Begleitung. Einige wären beispielsweise nicht bei der richtigen Station aus dem Bus gestiegen. Sie hätten die viel zu leise automatische Ansage des Transportunternehmens einfach nicht gehört.

Man schätzt übrigens, dass in Österreich 300.000 Menschen mit einer Seh-Behinderung leben.

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Das gemeinsame Gehen im Schatten der schönen Parklandschaft bringt schnell auf andere Gedanken. Es wird viel erzählt, dazu auch viel gelacht. „Die Pandemie“, erläutert Herr Wolfgang, „hat die Randgruppen noch weiter isoliert. Deshalb sind gemeinsame Aktivitäten auch für uns derzeit so wichtig.“

Auf seine Begleiterin sei im Übrigen immer Verlass, will der ehemalige Mitarbeiter der Stadt Wien noch gesagt haben. In der Tat ist Susanna Klaunig immer zur Stelle, wenn Not an der Frau ist. Laut einer internen Statistik leistet niemand mehr Stunden freiwillig als sie. Sie lächelt erneut. „Vielleicht liegt das auch daran, dass ich nicht Nein sagen kann.“

Regelmäßig eingeteilt ist sie zu Besuchs- und Begleitdiensten. Aber wenn der neue Spendenaufruf noch rechtzeitig zu den potenziellen Unterstützern raus muss, dann fährt sie zwischendurch in die Zentrale in der Jägerstraße in Wien-Brigittenau, um dort schnell einmal 600 Briefe in die dafür vorgesehenen Kuverts zu schieben. Und wenn ein Fest zu organisieren ist, darf ebenso mit ihr gerechnet werden. Gar nicht zu reden von all den Telefonaten, in denen sie Menschen mit Sorgen ihr Ohr leiht.

„Manchmal weinen wir auch gemeinsam“, sagt die Vertraute der Blinden und Sehschwachen. Dass man ihr öfters ihr Herz ausschüttet, wertet sie auch als einen Vertrauensvorschuss, den sie nicht missbrauchen möchte.

Frau Klaunig schätzt auch „die Herzlichkeit“, mit der ihr regelmäßig für ihren Einsatz gedankt wird. Und sie bewundert das deutlich besser ausgebildete Gehör ihrer Klienten. „Sie hören vieles schneller und deutlicher als ich.“

Eine Einsicht am Ende

Auch die heutige Wanderung führt zu einem Wirtshaus, wo man sich für das kollektive Kalorienabbauen etwas Gutes gönnt. Mitten drinnen sagt die freiwillige Helferin mehr zu sich als zu den anderen: „Ich muss langsam damit beginnen, meine Arbeit auch selbst zu schätzen.“

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Wir nominieren: Bis zur „Gala der Menschlichkeit“  am 10. November porträtiert die Redaktion 16 Menschen, die sich unentwegt, uneigennützig und ohne großes Aufsehen zu erregen, in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Heute im fünften Teil: Susanna Klaunig, die bereits seit fünf Jahren für die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen ehrenamtlich tätig ist und dabei immer wieder Lücken schließt.

Sie nominieren: Wenn Sie auch jemanden kennen, der eine Auszeichnung verdient, dann reichen Sie bitte jetzt ein, und zwar hier.