Leben/Gesellschaft

Ende der Telefonie: Stirbt das Telefongespräch aus?

Der erste Satz, der jemals über ein Telefon gesagt wurde, war: „Watson, kommen Sie her. Ich muss Sie sehen.“ Das war am 10. März 1876. Der britische Erfinder des Telefons Alexander Bell sprach in einen Apparat, den sein Assistent Thomas Watson konstruiert hatte. Klingeln konnte dieser noch nicht, die Funktion kam erst später hinzu.

148 Jahre später scheint es, als ob eine der wichtigsten Kulturtechniken der vergangenen Jahrhunderte – das Telefongespräch – langsam ausstirbt. Zwar gibt es mehr Telefone als je zuvor: 89 Prozent der Österreicher besitzen ein Smartphone, telefoniert wird damit aber immer weniger. Laut Daten der Mobilfunkanbieter gehen die Gesprächsminuten kontinuierlich zurück, während die Datennutzung immer weiter ansteigt. Laut Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH wurden in Österreich im 2. Quartal 2023 insgesamt 24,2 Milliarden Chatnachrichten versendet, das sind um rund 900 Millionen mehr als im Quartal davor. Bei Whatsapp werden jeden Tag sieben Milliarden Sprachnachrichten verschickt. Die junge Generation will einfach nicht mehr zum sprichwörtlichen Hörer greifen. Neun von zehn Personen der Generation Z (zwischen 1995 und 2010 geboren) geben in einer Umfrage an, lieber Text- oder Sprachnachrichten zu versenden als zu telefonieren. Was einst als Durchbruch galt, nämlich unabhängig vom Ort miteinander zu sprechen, wird plötzlich abgelehnt.

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Anruf als Überrumpelung

Viele Menschen – ganz unabhängig vom Alter – sehen die permanente Erreichbarkeit nicht mehr als Errungenschaft, sondern als Belastung. Bei den Jüngeren geht es sogar so weit, dass sie einen Anruf als Überrumpelung wahrnehmen. Nicht vorher schriftlich angekündigte Anrufe gelten als unhöflich.

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Oliver Ruf, Professor für Ästhetik der Kommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, hat erforscht, warum wir nicht mehr telefonieren wollen: „Das Telefonieren überschreitet die Schwelle des Intimen, was einen Grad an Überwindung kostet.“ Das ist auch der Grund, warum die jüngere Generation das Telefongespräch ablehnt. Sie könnten sich nicht auf einen Anruf vorbereiten und haben Angst, etwas Falsches zu sagen. Auf eine Sprach- oder Textnachricht könne man überlegt antworten, und zwar, wann man will. Ruf: „Wenn chatten, texten oder e-mailen zum Normalfall wird, avanciert das Telefonat zur Ausnahme.“ 

Da es mittlerweile Alternativen wie die Messenger-Kommunikation gebe, können Gespräche leichter verweigert werden. Droht dem Telefonat also das komplette Aus und kommunizieren wir bald nur noch über Text- oder Sprachnachrichten? Oliver Ruf: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit befinden wir uns derzeit in einem weiteren Medienumbruch, der gerade auch die Kulturtechnik des Telefonierens betrifft. Durch die Etablierung von Smartphones kündigt sich zumindest die immer größer werdende Minimierung des Telefonierens an.“ Der Siegeszug des Smartphones hat aber noch andere Auswirkungen: Die Festnetzanschlüsse in Österreich werden immer weniger. Ein Telefon, vielleicht sogar noch mit Wählscheibe ausgestattet, bekommen Kinder heute nur noch bei den Großeltern oder im Museum zu Gesicht. 2023 gab es in Österreich noch 2,14 Millionen Festnetzanschlüsse, um 107.000 weniger als im Jahr zuvor.

Paket- statt Telefonzelle

Und auch die Telefonzellen im Land braucht bald niemand mehr. Vor der flächendeckenden Verbreitung des Smartphones waren sie noch heiße Anlaufstelle, wenn das Vierteltelefon vom Nachbarn blockiert war und es kein Freizeichen gab. Mittlerweile sind sie nahezu überflüssig. In den 1990er-Jahren gab es in Österreich noch rund 30.000 Stück, heute sind es nur noch 7.000. Aber auch denen geht es langsam an den Kragen. Denn: Die Post will in den nächsten fünf Jahren rund 1.000 Telefonzellen zu Paket-Stationen umbauen. Trotz weniger Telefongesprächen gibt es aber laut Professor Ruf auch eine gute Nachricht: „Wir werden weiter jene finden, die wir ansprechen wollen. Der Mensch bleibt ein kommunikatives Wesen.“

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