Kultur/Medien

"Not the yellow of the egg": Ein WM-Auftakt zum Eierspeisbraten

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

In Umkehrung eines bekannten Sprichworts aus der Opernwelt: Die Vorstellung hat nicht begonnen, bevor der beleibte Sänger singt.

Bei der Ski-WM von Cortina spielt der ORF als Kennmelodie „Nessun dorma“, natürlich in der berühmten Interpretation von Luciano Pavarotti, die auch schon bei anderen Sportarten zum Einsatz kam. Auch, weil es in der verwendeten Passage der Arie so schön heißt: "Vincero" - ich werde gewinnen.

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Gewonnen hat den ersten Bewerb der Herren Vincent Kriechmayr. Und gewonnen hat vor allem der Sport, um ein bekanntes Kommentatorensprichwort zu bemühen.

Das teuflische Eck

Denn nach mehreren Tagen wetterbedingter Verschiebungen kann der italienische Schnee nun endlich befahren werden. Und nach dem etwas routiniert verlaufenen Super-G der Damen fiel die Premiere der Herren umso chaotischer aus. Und das aufgrund einer fast unfahrbaren Passage. Das dachte man zumindest nach den ersten drei Läufern, die allesamt den Sprung über die Vertigine-Kante zu wenig dosiert hatten und danach an dem „teuflischen Eck“, das ORF-Ko-Moderator Armin Assinger vor dem Rennen ankündigte, vorbeifuhren.

In der Kommentatorenkabine, in der er neben Oliver Polzer Platz nahm, pfeifen dann bei Assinger wieder einmal die Komantschen, um ein verblichenes Assinger-Sprichwort zu bemühen.

„Die ersten drei Läufer fallen aus und alle kaane Blinden“, sagt er. Bereits bei Läufer vier, der sich wie ein Anfänger um die an dieser Stelle zu eng gesetzten Tore herumbremsen musste, sagte Assinger, dass sich der italienische Kurssetzer Alberto Ghidoni heute „blamiert“ habe.

Der Österreicher Christian Walder, als Nummer 1 quasi Testpilot, sagt zu seinem Ausfall: „I würd’ nicht sagen, dass die Kurssetzung ein Schas ist."

Er sagt es nicht, aber er denkt es wohl.

Walder weiter: "Man hätte es mit mehr Hirn fahren müssen, so wie es der Vinc gemacht hat.“

Ja, der Vinc hat die richtige Mischung gefunden. Die Kurssetzung ist zwar tatsächlich der Flatulenz verdächtig, liefert dafür aber auch Kommentatorengold.

Bremsschwung

Was der Top-Norweger Kjetil Jansrud bietet, ist „not the yellow of the egg“, sagt Assinger. Schön langsam stellt man sich vor, wie Hermann Maier diese Stelle genommen hätte. Weil: „Einen Bremsschwung einlegen, das geht ja ned“, sagt Polzer.

Der Kurssetzer habe "übers Ziel hinausgeschossen. Ein Topfen“, schimpft Ex-Rennläufer Assinger. „Wäre ich gefahren, hätte ich ihn gegen Wind und Sonne geschossen.“

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Wenn schon Armin Wolf in der „ZiB2“ das A-Wort in den Mund nimmt, dann geht beim emotionalen Skisport natürlich auch etwas.

Aber es reicht nur zu einem „Scheibenkleister“, oder: „Wennst da überdrahst, geht der Hintern nach außen.“

Leider passiert das auch dem Österreicher Max Franz, den Assinger als „ausgebufften Profi“ angekündigt. Beim Vertigine „schleicht er sich an“, aber bei der zweiten Schlüsselstelle im Flachen ist es dann vorbei.  

„Hattifixnoamoi - jetzt geht der Hintern nach außen.“

Einen Schleim

Auch der Italiener Christof Innerhofer verliert viel Zeit. Assinger fädelt sprachlich nun erstmals so richtig ein: „Er wird einen Schleim haben, da kannst wahrscheinlich a Eierspeis kochen heut, so haaß is der sicher, innerlich.“

Den Schleim in der Eierspeis verursacht hat der Kurssetzer, der Innerhofers Trainer ist.

Polzer: „Da wird sich der Cheftrainer was anhören können. … Wo versteckt sich jetzt gerade der Kurssetzer?“

Den Schweizer Beat Feuz kündigt Polzer als „Kugelblitz“ an.

„Wieso Kugelblitz?“, sagt Assinger.

Polzer: „Sagen sie seit Ewigkeiten zu ihm.“

Die Deitschn

Beim ersten Deutschen sagt Assinger: „Jetzt kommt der Angriff der Deutschn.“

Der kommt aber nicht von Sander, sondern erst mit Startnummer 20, als sich der Tiroler Romed Baumann, einst verschmähter ÖSV-Läufer, für Deutschland hinunterstürzt.

„Der Romed erlebt jetzt seinen zweiten, dritten, vierten Frühling, bei den Deitschn“ sagt Assinger.

"Seinen ersten, meinst ...?", fragt er Polzer, der offenbar neben ihm irgendetwas gedeutet hat.

Polzer: "... so richtig."

Es endet mit der Silbermedaille, und das mit einem mehr als knappen „James-Bond-Abstand": 0,07 Sekunden.

Beim Zielinterview wird Baumanns Ehre endgültig wiederhergestellt. Er sei der erste Rennläufer der Nachkriegszeit, der für zwei Nationen WM-Medaillen geholt hat, sagt Ernst Hausleitner.

Auch der Sieger, Vincent Kriechmayr, macht gute Figur, er gratuliert zunächst seinem früheren Kollegen und wies darauf hin, dass dieser es beim ÖSV nicht leicht gehabt hätte.

Zu seinem eigenen „100-Meter-Drift“ bei der Schlüsselstelle sagt er: „So bin ich mein ganzes Leben noch nie gefahren.“

Zum Sieg will er sich noch nicht gratulieren lassen, „bevor der letzte unten ist“.

Also geht es weiter mit der Übertragung. Und was machen Polzer und Assinger, wenn noch mehr als dreißig chancenlose Läufer zu kommentieren sind? Sie geben noch einmal alles.

Van Gogh

Witze über andorranische und belgische Läufer, die noch am Start stehen, müsse man sich aber verkneifen, meint Polzer, und weist auf die Vorfahren Kriechmayrs hin.

„Der Vincent hat belgische Vorfahren?“ sagt Assinger. "Deswegen auch der Name. Vincent van Gogh. Ich merke immer mehr, wie du mich unterschätzt, das war doch dieser Schachspieler.“

„Van Gogh war Niederländer“, merkt Polzer dann an.

Assinger: „Aber viel gewirkt hat er in Belgien.“

Den Slowenen Nejc Naralocnik lässt Polzer dann Assinger ansagen. „Aufgrund meiner geografischen Nähe?“ sagt der Kärntner Assinger und schickt ein „Dobar dan!“ nach.

"Hab ich jetzt 'Halt die Klappe' gesagt?"

Wir lernen außerdem, dass Assingers Gendarmerieschule hinterm Pöstlingberg war, in der Nähe von Kriechmayrs oberösterreichischer Heimat.

Der Norweger Roea ist „von de Haxn her der Nachfolger vom Kilde.“

Apropos Norweger. Assinger lässt sich dazu hinreißen, den besten Norweger in der Rangliste zu suchen. „Wo is da Jansrud? I siech ihn ned.“

Es ist langsam Zeit, die TV-Übertragung für beendet zu erklären. Sie läuft aber weiter. Einmal, als Polzer historische Statistiken ausgräbt, sagt Assinger: „Ach halt doch die Klappe.“

"Hab ich jetzt 'Halt die Klappe' gesagt?"

Assinger erklärt uns noch, dass der Silbermedaillengewinner Deutschlands das Skifahren schließlich „bei uns“ gelernt hat. Immerhin verbucht er „diesen chauvinistischen Ausflug“ wie er selbst sagt, als „satirischen Beitrag.“

Keine Satire ist, dass weder der Andorraner noch der Neuseeländer Vincent Kriechmayr einholen. Daher darf Rainer Pariasek sagen: „Wir hören in Kürze die österreichische Bundeshymne.“

Es gilt also wieder ein anderes Sprichwort: Ein Skirennen ist nicht zu Ende, bevor die Bundeshymne gespielt ist.