Kolumnen

Paaradox: Was wirklich wichtig ist ...

SIE

Und es begab sich, dass der Mann nebenan und ich Zeugen eines Stiefelettenkaufs mitten im Sommer wurden, den dieser andere Mann so kommentierte: Aber du hast doch schon so viele Stiefeletten. Für uns war darin kein Vorwurf zu hören, eher Resignation. Weil er wohl geahnt hatte, wie sie antworten würde: Aber die hier sind so besonders. Er hätte nun entgegnen können, dass sie den Ankauf der bereits vorrätigen 22 Stiefeletten mit exakt demselben Satz argumentiert hat. Tat er aber nicht, stattdessen umarmte er die Liebste samt Schuhen und sprach: Ach wurscht.

Und wieder ein Gespräch

Herrliches Ende. Und für mich der perfekte Moment, mit dem Meinigen ein Grundsatz-Gespräch zu führen – zum Thema „Gelassenheit“. Seine Wurschtigkeit folgt einer selektiven Wahrnehmung: Alles, wo „Pflicht“ draufsteht (Buchhaltung, Rasenmähen, gerne auch die eigene Ehe und darin enthaltene Unliebsamkeiten), wird von ihm mit einem Wurscht! frohgemut ins Morgen verschoben, weil Das Leben zu kurz ist, um … (hier können Sie alles einsetzen, was „lästig“ klingt). Da gibt es Dringlicheres, z. B. der minütliche Smartphone-Blick, um zu checken, wie weit die Kugel von Golfspieler XYZ geflogen ist oder wie es bei ASV Einigkeit Süchteln gegen FSV Vohwinkel Wuppertal steht (oder so, es gibt ca. 27.000 Fußballvereine in Deutschland, alle „urspannend“). Das führt dazu, dass er mit Lesebrille wandernd durch den Wald stolpert, und sich am schönsten Aussichtspunkt der Gegend in eine Blutdruckkrise ärgert, weil der Lieblingsgolfer den „Cut“ verpasst hat. Es kam aber gar nicht zum Gespräch. Warum? Weil mir der Mann nebenan just in dem Moment einen Roséspritzer servierte und meinte: Schön ist es mit dir. Womit meine Gelassenheitsdiskussion in sehr weite Wurscht-Ferne entschwand.

Herbsttermine: 8. 10. Stadtgalerie Mödling; 16. 10. Stalltheater Königstetten; 24. 10. Rabenhof; 6.11. Hagenbrunn; 14.11. St. Pölten; 19. 11. Langenlois.

gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60

ER

Man muss es so klar sagen: Auf einer Mir-doch-blunz’n-Skala von 1 bis 10 liegt meine Frau irgendwo zwischen 2 und 3, während ich eher bei 7 bis 8 angesiedelt bin. Diese Diskrepanz mag auf den ersten Blick nicht erwähnenswert erscheinen, der Alltag lehrt uns jedoch: Das sind Welten! Und der immerwährende Versuch, sich auf eine gemeinsame 5 zu einigen, trägt mit hoher Verlässlichkeit den Keim des Scheiterns in sich. Weil nun einmal der Brückenschlag zwischen ihrem Dein Entspanntsein ist nicht lässig, sondern fahrlässig und seinem Du solltest öfter loslassen statt loslegen nur in seltenen Fällen gelingt. Erst unlängst versuchte ich es mit einem Radikalargument ...

Nix ist sicher

Als die Liebste nämlich mit verzückten Augen (die  ich auf hundert Meter Entfernung erkenne) vor einem Schaufenster stand, hinter dem sich ein Sommerpullover befand. Aber sie wollte ihn – obwohl sehr günstig – nicht kaufen, weil: „Wer weiß, ob ich den überhaupt jemals brauchen werde?“ Normalerweise hätte ich geantwortet: „Ganz genau, nix ist sicher im Leben, gemma weiter.“ Aber nur, damit ich mir einen Aufenthalt im Geschäft (inkl. Probierprocedere und Wennwirschoneinmaldasind-Gefahr) ersparen kann. Aber in diesem Augenblick erkannte ich die Dramatik des fehlenden Ach-was-wurscht-Gens und sprach: „Mein Schatz, wie sehr, glaubst du, hängt unsere Zukunft davon ab, ob du diesen Pullover jetzt kaufst oder nicht?“ Da sagte sie, wie so oft, wenn sie keine Antwort parat hat: „Aber darum geht’s doch gar nicht“.  Und ich: „Sondern? Worum geht’s denn?“ Schweigen. Kurz darauf saß ich auch schon auf einem sensationell unbequemen Sitzwürfel und sah gnä Kuhn dabei zu, wie sie den Pulli probierte und ... kaufte. Mit einer lupenreinen 10 auf der Lächel-Skala.  

Solo-Programm „Abend mit einem Mannsbild“: 17. Oktober, CasaNova Wien (Matinee, 11 Uhr).

michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9