Kolumnen

Paaradox: Korrigiere!

Sie

Das Saugen der Hundehaare ist eine beschauliche Tätigkeit. Fast wie Meditation, aber etwas lauter. Und drei Mal täglich. Ich sage nur: heller Boden, schwarzer Gustav. Umgekehrt wär’s auch nicht viel besser. Dabei spannend ist jedenfalls das seltsame Verhalten des Mannes nebenan etwa eine halbe Stunde, nachdem ich meine Saugfähigkeiten bewiesen habe. Ich murre zwar herum (Haarsträubend, das!), bin mir aber sicher, dass ich bei Lurch-Mania fix ins Finale kommen würde. Das sieht er offenbar anders. Dann tut er, was zu tun ist: Er korrigiert. Dezent – aber er macht’s. Nicht immer, aber oft genug.

Zurechtzupfen

Zum Beispiel mein Geschirrspülereinräum-Verhalten (hinlänglich bekannt, ich weiß) oder aber, wie ich das Bett mache, die Handtücher im Bad aufhänge und die Gewürzdosen oberhalb des Herds arrangiere. Da gleitet er unauffällig durch die Wohnung und arbeitet allseits nach – tauscht im sanften Empörungsmodus Schüssel gegen Gläser und Teller gegen Töpfe: So g’hört das,  net so … ! Schüttelt soeben von mir durchgeschüttelte Polster erneut auf, zupft Bettdecken neu zurecht und drapiert sie nach Art des Hausherrn. Langpfeffer muss zu Zitronenpfeffer, Knoblauchpfeffer zu Steakpfeffer, und dieser Zimt gehört sowieso komplett  weg. Dahinter das Hufnagl’sche Salz-Ensemble: klassisches Salz Seite an Seite mit dem Kräutersalz, dahinter grobes Meersalz, und, für mich – auf einmal  unerreichbar –  das komische Rosensalz  – wozu eigentlich, zum Baden? Nun aber zum Saugen, kurze Zeit nach mir, so als hätte mein Tun gar nicht stattgefunden, dazu murmelt Meister Putz: Hm, da sind schon noch Haare. Hm, das ist  schon noch ein bisserl Dreck. Hm, das könnte schon noch perfekter sein! Da lächle ich still und freue mich schon darauf, dass wir unser Dreigang-Menü an diesem Abend vom Boden essen können. Und denke mir, frei nach Kurt Tucholsky: „Liebe ist, wenn er dir die Krümel aus dem Bett macht.“ 

gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Vorweg eine durchaus bedeutende Botschaft: Meine Frau erledigt im gemeinsamen Haushalt wesentlich mehr als ich. Diesbezüglich stehe ich nicht an, meinen Obacht-Zeigefinger als Ausdruck des tiefen Respekts zu erheben. Es mangelt jedoch nicht an meiner grundsätzlichen Bereitschaft zum Halbe-Halbe-Halleluja. Vielmehr ist ihr steter Übereifer dem Ehrgeiz geschuldet, das Spiel Ich seh’, ich seh’, was du nichts siehst verlässlich gewinnen zu wollen. So teilt sie mir (bevorzugt in süffisanten Nebensätzen) mit, dass sie sämtliche Oberkanten aller unserer Bilder abgestaubt, die Winterkleidung in den Keller übersiedelt oder (endlich einmal!!!) das Chaos in der Bestecklade beseitigt hat. Tätigkeiten, die ich nur aus dem Grund nicht verrichte, weil sie in meinem Köpfchen als Idee gar nicht erst entstehen. Wenn ich der Liebsten aber sage, dass sie doch etwas sagen möge, dann sagt sie, dass sie nicht immer alles sagen wolle, womit alles gesagt ist.

Suche nach Antworten

Aber! Wenn ich etwas tue, dann auch mit der notwendigen Akribie. In diesem Sinne gönne ich mir gelegentlich den provokanten Hinweis: „Schatzi, du machst zwar  alles, aber nix richtig.“ Und sei es nur des Vergnügens wegen, ihren unwiderstehlichen Blick zu erhaschen, der mir offenbart: Weißt was, du Saubermann, hau’ dich über die Häuser. Auf diesen höchst akrobatischen Akt verzichte ich freilich, stattdessen beginne ich das Werk der Feinjustierung. Und zwar schon allein deshalb, weil es faszinierend ist, allerlei Antworten zu suchen. Auf Fragen wie: Gibt es eine Pfeffer-Sorte, die wir nicht besitzen? Handelt es sich um einen Frevel, eine Parmesan-Reibe im Geschirrspüler zu verstauen? Wie erklärt sich das Phänomen, dass Hundehaare einander just in den entlegensten Winkeln zu ihren exzessivsten Rendezvous begegnen? Obwohl, es gibt echt Wichtigeres: Ist Ihnen z. B. schon aufgefallen, dass es in meinen Texten viel weniger Abteilungen gibt als in jenen von gnä Kuhn? Das ist wahre Hingabe zur guten Lesbarkeit.  G’hört auch erledigt.

michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9