Kralicek geht essen: s’Beisl
Die österreichischen Gasthäuser sind ein einziges Apostrophengebiet. Niemand tut dem Apostroph so viel Gewalt an wie unsere Wirten. Sie benutzen ihn oft und gern, setzen ihn aber meist zielsicher an die falsche Stelle. Klassisches Beispiel: „s’Beisl“. Der Fehler ist folgender: Der Apostroph, der ja nicht ohne Grund auch „Auslassungszeichen“ genannt wird, zeigt die Stelle an, an der Buchstaben ausgelassen werden. Richtig wäre also: „’s Beisl“. Eigentlich eh logisch, aber die Wirten schreiben trotzdem alle „s’Beisl“. Es ist eben eine einseitige Liebesbeziehung. Der Apostroph sagt: „Du verstehst mi ned!“ Aber der Wirt hört das Gejammere nicht einmal. Der Irrtum ist so weit verbreitet, dass es inzwischen komisch ausschauen würde, wenn über einem Wirtshaus auf einmal ganz korrekt „’s Beisl“ geschrieben stünde. Sollte es so ein Lokal tatsächlich schon geben, dann ist es sehr wahrscheinlich die Mensa eines Germanistik-Instituts.
Jetzt kann man natürlich sagen: Na und? Solange es schmeckt, ist es doch egal, wie gut der Wirt die Rechtschreibung beherrscht (außer vielleicht, es steht Buchstabensuppe auf der Karte). Aber wer bei der Sprache heikel ist, den macht so was halt misstrauisch. Wie sehr kann man einem Gastronomen vertrauen, der es nicht einmal mit dem Namen seines Wirtshauses so genau nimmt? Kann er Rezepte überhaupt so lesen, wie sie gemeint sind? Und wenn man einmal so zu denken anfängt, findet man immer einen Apostroph in der Suppe. Dazu kommt, dass „s’Beisl“ meist ja nur die Spitze des Eisbergs ist. Solche Lokalnamen werden häufig ja auch von verhaltensoriginellen Speisekarten begleitet, in denen sich launige Formulierungen wie „Ganz wos Guads aus unsara Kuchl“ oder „Fian großn Hunga“ finden. Auch das sagt noch nichts über die Qualität der Speisen, aber irgendwie schmeckt man es dann ja doch raus. Das Auge isst mit, heißt es. Und der Gaumen liest mit, möchte man hinzufügen.
Dialekt-Speisekarten kommen in bester Absicht daher: Sie wollen uns erheitern. Genau das ist aber der Denkfehler.
Dialekt-Speisekarten kommen in bester Absicht daher: Sie wollen uns erheitern. Genau das ist aber der Denkfehler. Zwar ist der Besuch eines Gasthauses im Normalfall ein durchaus angenehmes Erlebnis. Man bekommt von freundlichen Menschen bekömmliche Speisen und kühle Getränke serviert, man trifft sich mit Leuten, die man gerne um sich hat. Keine Frage, ins Wirtshaus zu gehen, kann viel Spaß machen. Aber: Das Wirtshaus selbst ist kein Spaß, sondern einfach nur ein Wirtshaus. Den Spaß haben wir, wenn alles gut geht, schon selber. Und wenn ein Wirt nun glaubt, extra darauf hinweisen zu müssen, dass es die Gäste in seinem Lokal lustig haben werden, ist das zumindest verdächtig. Es gibt Freibäder, und es gibt „Spaßbäder“. Wohin geht jemand, der einfach nur Freude am Schwimmen hat? Genau.
Noch dubioser sind nur die Wirtshäuser, die sich „Wia z’Haus“ nennen. Was soll das wieder heißen? Die Menschen gehen doch ins Wirtshaus, um eben nicht zu Hause zu sein. Und umgekehrt sieht es bei den meisten Leuten im Wohnzimmer auch nicht wie in einem Wirtshaus aus. Eines allerdings muss man dem „Wia z’Haus“ lassen: Der Apostroph steht an der richtigen Stelle.