Kiku

Von null weg zur Führungskraft - mit Hilfe von Pferden

„Der Anatol ist alt und faul, da wird das nicht so leicht!“ Während die HAK-Lehrerin das sagt, bringt vor allem Schülerin Meli in fröhlich, aufgeweckter Art langsam laufend den besagten Gaul dazu, mit ihr und ihren Kollegen eine Runde nach der anderen zu laufen.

Fast idyllisch

Wir befinden uns auf einem idyllisch anmutendem Flecken zwischen Wald und Wiesen, im Hintergrund Hügeln. Die Jugendlichen Ines, Pauli, Tanja, Vicky, Meli, Simon, Fabian, Daniel und Julian sind gemeinsam mit Fuchsi, Sami, Anatol, Indian und Panjabi auf einem eingezäunten Gelände mit sandigem Boden. Wie die fünf zuletzt genannten Namen nahelegen, handelt es sich bei den Begleiter_innen der Jugendlichen um Tiere, genauer um Pferde. Wir befinden uns weder auf einem Freizeitausflug noch auf Sommersportwoche. Die Jugendlichen verbringen hier in der „Pferdezone“ in Gaaden bei Mödling (NÖ) einen Unterrichtstag. Sie sind Schülerinnen und Schüler der privaten Handelsakademie Vienna Business School, die hier einen und in Wien fünf Standorte hat.

Wau? Kuschelpädagogik? Freizeitspaß statt Lernen?

Keineswegs. Hier geht’s um Hardcore-Lernen: Ob schon Erfahrung mit Pferden oder erste Begegnung, alle müssen lernen, die Eigenarten der unterschiedlichen Pferde möglichst rasch und intuitiv zu spüren, zu erfassen. Um ihnen im nächsten Schritt zu verklickern, was sie von ihnen wollen. Soll der jeweilige Vierbeiner im Kreis gehen, über ein Hindernis drübersteigen oder einem anderen ausweichen, stehen bleiben oder was auch immer.

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Management-Schulung

Im Normallfall bietet die „Mutter“ der Pferdezone, Ingrid Gampe-Benedicct, dieses Package Manager_innen aus Unternehmen an. Da sie einst Schülerin und später Lehrerin - für kaufmännische Fächer - in der VBS Mödling war, können seit zehn Jahren auch Jugendliche „ihrer“ alten Schule, konkreter des 4. Jahrgangs der HAK plus, in den Genuss dieses Führungskräfte-Seminars kommen. Hier ist es Teil des Gegenstandes Übungsfirma. „Denn in der Übungsfirma müssen die Jugendlichen ja unterschiedliche Funktionen eines Unternehmens übernehmen“, wie die aktuelle Lehrerin dieses Gegenstandes, Isabella Engelmeier-Wilfling, dem Kinder-KURIER erklärt.

Für diesen sehr praxisnahen Tag an Lernen über Körpersprache, Mitarbeiter_innen-Führung usw. wird die jeweilige Klasse geteilt, um in Kleingruppen arbeiten zu können. Was vielleicht auf den ersten Blick wie Freizeit wirkt, ist harte, konzentrierte Arbeit, auch wenn sie vielleicht Spaß macht. Aber warum sollte das Arbeit oder Lernen nicht machen?!

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Damit sich jede/r wohlfühlt

Eine der Schülerinnen, Meli Ortner, ist an diesem Schultag sogar erst zum ersten Mal Pferden begegnet und gesteht, eine neue Liebe entdeckt zu haben. Und so „nebenbei“ hat sie gelernt, „wenn wir in der Zukunft eine solche (Führungs-)Position haben - in einer Gruppe oder bei einem Projekt -, dass wir dann wissen, dass wir auf jeden individuell eingehen und dass wir jeden anders behandeln müssen, so dass sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter wohlfühlt“. In ihrem Interview - mehr weiter unten - schildert sie auch unterschiedlich erforderliche Umgangsweisen mit Sam und Panjabi. Dass sie fast ein Naturtalent zu haben scheint, beweist die Eingangspassage dieses Artikels, wo sie sogar ihre Lehrerin, die seit zehn Jahren mit Schüler_innen hierher kommt, verblüfft. Und wieder ganz anders, nämlich sehr verspielt, reagiert das Pony Fuchsi.

Nonverbale Kommunikation

Ihr Kollege Simon Stadler meinte unter anderem: „Es hängt sehr viel davon ab, in welcher Stimmlage man spricht und davon ob man aufrecht geht, wie man steht, welches Schritttempo man auch wählt“, um dem jeweiligen Pferd mitzuteilen, was man von ihm möchte. Lernen über nonverbale Kommunikation mag dieser Schüler sehr - mehr im Interview unten.

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Im Folgenden vier Interviews, mit einer Schülerin, einem Schüler, der Lehrerin sowie der Trainerin:

Hintergrundinfos

Da die Schülerinnen und Schüler der Handelsakademie ja auch auf Führungspositionen vorbereitet werden, bekommen sie im Rahmen eines Workshops in Gaaden die Möglichkeit, ihre Führungsfähigkeiten mit Pferden zu trainieren. Pferde reagieren sehr sensibel auf menschliches Verhalten und kleinste Irritationen in der Kommunikation. So bekommen die jungen Menschen von den Pferden ehrliches Feedback und können ihr Verhalten dadurch reflektieren. Nonverbale Kommunikation ist ein wichtiges Werkzeug für Personen in Führungspositionen.

Pferde als „Mitarbeiter“ sind so Spiegel zur Selbsterkennung des Verhaltens. Bereits kleine Fehler in der Kommunikation können die Jugendlichen schnell erkennen. Pferde werden deswegen eingesetzt, weil sie unser bewusstes sowie auch unser unbewusstes Verhalten erkennen und sofort darauf reagieren. Sie brauchen, wie wir Menschen, einen Grund, um etwas freiwillig zu tun. Einer der häufigsten Gründe ist die Anerkennung und Wertschätzung. Pferde sind sehr sensible Flucht- und Herdentiere, die die kleinsten Veränderungen in ihrer Umgebung wahrnehmen, um sich darauf einzustellen.

Im Gegensatz zu vielen Menschen geben Pferde mehr „erste“ Chancen. Die Vierbeiner geben die Möglichkeit, uns zu verbessern, da sie sich in jeder Situation neu auf uns einstellen. Somit können auch jene, die eine Aufgabe nicht gleich beim ersten Versuch erfolgreich absolvieren, es so oft wiederholen, bis sie es schafften, ohne dass die Tiere von ihnen verschreckt wurden.

Pferde haben noch dazu den Vorteil, dass man mithilfe ihres Herden-Systems nahezu perfekt ihre Hierarchie kennen lernen kann, in der jeder seinen Platz hat und die zugehörigen Aufgaben erledigt.

http://www.pferdezone.at/

https://moedling.vbs.ac.at/

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Hier der Beitrag von schauTV

gedreht von Lukas Kreč

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