Kiku

Höchst sportliches Theaterstück

Vor dem Stück wird in dem Fall auch schon gespielt. „Anstoß“, mit dem am 29. Jänner 2019 das TheaterBrett zur TheaterArche wird, fängt schon gut eine halbe Stunde vor dem Start an. Im Foyer beginnen einige der Schauspieler_innen körperbetont aus dem Leben einer Bergsteigerin bzw. ein Trainer Anekdoten zu erzählen. Im Theaterraum selbst sitzen und stehen Darsteller_innen einiger (einst) bekannter Sportler_innen. Sie schildern aus dem Leben der US-Torfrau Hope Solo, des noch während seiner aktiven Karriere dem Alkohol verfallen deutschen Fußballers Ulli Borowka und eines nicht definierten geouteten homosexuellen Fußballers. Sie reden zum Publikum, das sich zu den auf in L-Form am Rande der Spielfläche angeordneten Sitzplätzen bewegt oder schon niedergelassen hat.

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Zugespitztes Spiegelbild der Gesellschaft

Damit sind schon einige der Themen des Stücks angerissen, das sich rund um Sport und viele seiner Facetten dreht. „Sport ist eine Zuspitzung, ein Spiegelbild der Gesellschaft. Im Sport finden die Dinge statt, die dir auch passieren können, aber in einer absoluten Überhöhung des Ganzen“, sagt Autor und Regisseur des Stücks sowie nunmehr auch Theaterdirektor Jakub Kavin im Interview zu Kinder-KURIER und SchauTV. „Außerdem ist Sport die größte Show auf der Welt und als Künstler find ich einfach spannend, mich damit zu beschäftigen, was interessiert das Publikum, wieso schauen sich die Leute Sportübertragungen an...“ (Mehr dazu siehe Interview weiter unten)

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Hardcore-Fan

Der Soft-Einstieg wird durchbrochen durch den im Publikum sitzenden Schauspieler Bernhardt Jamernegg, der in die Rolle eines Hardcore-Fans schlüpft – und manches der gerade von Kavin gestellten Frage beantwortet: „Eins weiß ich sicher übers Fansein: Es ist, auch wenn es so scheinen mag, kein indirektes Vergnügen, keine Ersatzbefriedigung... ich bin ein Teil des Vereins, ... der einzige Unterschied zwischen mir und ihnen ist, dass ich viel mehr Stunden, mehr Jahre, mehr Jahrzehnte investiert habe und einen besonderen Sieg darum besser begreife.“

Starkes körperliches Theater

Und dann folgen – im ersten Teil schon – 75 Minuten sehr starken körperbetonten (Schau-)Spiels auf der großen Spielfläche. Nagy Vilmos gibt einen genial ungustiger unspezifischen Trainer, der mit pseudowitzigen Sprüchen die Sportler_innen fertigmacht. Beispiel gefällig: „Wann's red'n wollen, müssen's Staubsauger-Vertreter werden. Ich brauche nur Fußballer.“ Anmerkung: Der Stück-Autor hat sich durch gut 50 (Auto-)Biographien von Sportler_innen gelesen und viele Interviews durchstöbert aus denen er Zitate gesammelt und ins Stück eingebaut hat.

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Radeln

Auf einem zwei Stock hohen Podest strampelt Bernhardt Jammernegg den gesamten ersten Teil als Lance Armstrong auf einem Ergometer. Übrigens hat er – beim Probenbesuch von KiKu und SchauTV – davor stundenlang wie viele anderen der Schauspieler_innen auch kräftig bei den Renovierungsarbeiten des Theaters Hand angelegt. Vielleicht hat noch eine Spur kräftiger tritt er in die Pedale wenn die Schauspiel-Kolleg_innen zu ebener Erd‘ auf Kinderfahrrädern, Skateboards und anderem übers Spielfeld rollen. Die Anekdote dazu: Armstrong war eins als Star zu einem Kinder-Radrennen eingeladen. Und setzte alles daran, die Mädchen und Buben zu besiegen!

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Absturz

Eine noch härtere sportliche Leistung während der Vorstellung vollbringt Johanna König in einer ihrer Rollen (neben Annemarie Moser-Pröll und einer Apnoe-Trocken-Taucherin) als Bergsteigerin Gela Allmann. Diese ist im April 2014 in Island 800 Meter – bei vollem Bewusstsein – auf einem stark vereisten Berg abgestürzt. Was ihr damals – dem scheinbar sicheren Ende entgegen stürzend – durch den Kopf gegangen ist, hat sie später in einer Autobiographie festgehalten. Während die Schauspielerin diese Passage als Monolog zitiert, hängt sie mitunter kopfüber an einer Leiter und vollführt die rutschenden, fallenden Bewegungen.

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Sportliche Choreografie

Sportliche Bewegungen oft fast tänzerisch choreografiert kreisen in der Folge rund um Themen wie (übertriebener) Ehrgeiz – sieh Armstrong beim Kinderrennen -, Konkurrenzkampf bis zu gegenseitiger Verletzung, Doping(systeme) bis zur Zerstörung von Persönlichkeiten, Heldensagen vor allem über Comeback-Stars wie Hermann Maier oder Thomas Muster, Angst, Depression bis hin zum Selbstmord. Dazu gesellen sich etwa das eingangs schon angesprochene schwierige Outing von Homosexualität, Schön-Sein-Müssen für Werbung – und nicht zuletzt die erst vor knapp mehr als einem Jahr durch Nicola Werdeniggs Aufdeckung ins Rollen gebrachten Fälle bzw. Systeme von sexueller Ausbeutung. Letztere kommen vor allem im dreiviertelstündigen zweiten Teil zur Sprache – an manchen Abenden tritt Nicola Werdenigg, die sonst entweder von Eszter Hollósi oder Elisabeth Kofler gespielt wird, selbst auf.

Gegen Ende geht’s um mögliche schaurige Zukunftsszenarien wie Transhumanismus – künstliche Arme und Beine, die nicht verletzungsanfällig sind usw. „Mechanische Beine sind schneller, ausdauernder und präziser als es ein natürliches Bein je war...“

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Chor und Gäste

Neben stark sportlicher und körperbetonter Inszenierung, wird manches auch in chorischen Szenen aufgelöst – etwa wenn Hymnen intoniert werden, um nicht zuletzt auch Aspekte wie Patriotismus vs. Nationalismus anzuspielen. Von der österreichischen über die griechische Olympia-Hymne bis hin zur Olympia-Arie für Tokio 2020, gesungen von der in Wien lebenden japanischen Opernsängerin Manami Okazaki.

Für jeden Abend wird auch eine mehr oder minder prominente Person, die mit Sport direkt oder indirekt – zum Beispiel als Künstler_in – was zu tun hat, als Special Guest eingeladen und ins Spiel eingebunden.

Funktionärstypen

Natürlich dürfen neben sportlich bekannten Persönlichkeiten – u. a. der Eiskunstläuferin Tonya Harding (Saskia Norman auf Inline-Sklates) oder der Boxerin Ronda Rousey (Corinna Orbesz) auch bekannte Funktionärstypen wie Peter Schröcksnadel (Jörg Bergen) nicht fehlen. Seine Sprüche wie „Austria is a too small country to make good doping“ oder „ein Pantscherl ist kein Übergriff“ sind legendär.

Sprüche

Damit Humor nicht zu kurz kommt, sorgen immer wieder auch eingebaute – mitunter schon berühmte – doofe Zitate wie „Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien!“ (des deutschen Fußballers Andy Möller) oder „zwei Chancen, ein Tor - das nenne ich hundertprozentige Chancenauswertung“ (seines viel weniger bekannten Kollegen Roland Wohlfahrt), Franz Beckenbauers „in einem Jahr hab ich mal 15 Monate durchgespielt“ oder Sportkommentator-Floskeln wie, dass der Ball rund ist...

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Infos: Was? Wer? Wann? Wo?

Anstoß
TheaterArche

Text und Regie: Jakub Kavin

Jörg Bergen: Ulli Borowka/ Peter Schröcksnadel
Nicolaas Buitenhuis: Johan, niederländischer Fußballer, der sich als schwul outet/ dann ein Teamkollege von Lance Armstrong
Elisabeth Halikiopoulos: Moderatorin/Ärztin von Lance Armstrong/ Mutter von Tonya Harding
Eszter Hollósi, Elisabeth Kofler, Nicola Werdenigg: spielen alle 3 Nicola Werdenigg - an verschiedenen Abenden
Johanna König: Gela Allmann, Bergsteigerin/ Apnoetaucherin/ Annemarie Moser-Pröll
Bernhardt Jammernegg: Lance Armstrong/TV-Kommentator/Fan
Peter Matthias Lang: Shaolin Mönch/ TV Kommentator
Nagy Vilmos: Trainer

Saskia Norman: Tonya Harding
Corinna Orbesz: Hope Solo jetzt/Ronda Rousey
Manami Okazaki: singt Olympia-Arie
Sarah Victoria Reiter: Anna Veith

Johannes Scherzer: Robert Enke/ Michael Stich/ Colin Kaepernick
Florian-Raphael Schwarz: Schiedsrichter/Thomas Muster/Jeff, Freund von Tonya Harding
Maksymilian Suwiczak: Heidi bzw. Andreas Krieger
Tabea Stummer: Hope Solo Mitte der 90er als 14-Jährige 

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Wann & wo?
Premiere und Theatereröffnung am 29. Jänner 2019
20 Spieltage bis 2. März 2019
31. Jänner - 2. März: Donnerstag – Sonntag, 20 Uhr
Jeden Abend wird ein Spezialgast mit Sportbezug in die Vorstellung eingebaut, u. a. Franzobel, Ulrike Lunacek, Nicola Werdenigg – sie wird am 7., 8. und 22. Februar sich selbst spielen.

TheaterArche
1060, Münzwardeingasse 2

Telefon: 0650/6204554
www.theaterarche.at

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Interviews mit zwei Darstellerinnen und dem Regisseur

Hier geht's zu einem älteren Artikel von einer der ersten proben im Sommer des Vorjahres

Hier der SchauTV-Beitrag

gedreht von Ernö Mlekov

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