Leben/Gesellschaft

Küsse auf die Wange: Wenn Männer WM-Reporterinnen bedrängen

Für Frauen im Sportjournalismus ist #MeToo nicht nur eine gesellschaftliche Debatte. Sexuelle Übergriffe begegnen ihnen in ihrer täglichen Arbeit besonders oft. Sportmoderatorinnen- und reporterinnen werden nicht nur verbal attackiert, wie jüngst beispielsweise ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann. Sie werden auch physisch bedrängt – wie Julieth González Therán.

Übergriff vor laufender Kamera

Der spanischen Reporterin, die für den deutschen staatlichen Auslandsrundfunk Deutsche Welle arbeitet, näherte sich kürzlich ein Mann, während sie einen Live-Einstieg aus Moskau zur WM brachte. Ein Video der Szene, welches von der Deutschen Welle via Twitter online gepostet wurde, zeigt, wie González Therán vor der Kamera steht und plötzlich ein Mann ins Bild schreitet, ihr einen Kuss auf die Wange drückt und seine Hand auf ihren Brustkorb legt. Die Reporterin überspielte den Übergriff und berichtete professionell weiter, als wäre nichts passiert.

Via Twitter meldete sie sich nach dem Vorfall allerdings zu Wort. "Der gewalttätige Akt eines Fans ist traurig", schrieb sie. Was jedoch schlimmer sei, sei die Einschätzung all jener, die dies nicht als sexuelle Belästigung einstufen.

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"Es muss aufhören"

Auch die Deutsche Welle verurteilte das Verhalten des Mannes scharf. Auf Twitter schrieb man: "Sexuelle Belästigung ist nicht okay. Es muss aufhören. Im Fußball, und überall sonst."

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González Therán ist kein Einzelfall. Julia Guimarães, die für die brasilianischen Sender TV Globo und SporTV von der Fußball-WM berichtet, wurde am vergangenen Sonntag während eines Berichts aus dem russischen Yekaterinburg von einem Mann ebenfalls auf die Wange geküsst. In einem Video ist zu hören, wie Guimarães sich wehrt und "Mach das nicht. Tu das nie wieder" zu ihm sagt. Daraufhin entschuldigt sich der Mann, wie aus dem Hintergrund zu vernehmen ist.

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Auch jener Mann, der González Therán belästigt hat, meldete sich schließlich mit einer Entschuldigung zu Wort. Der Kuss ohne Einverständnis der Reporterin sei Teil einer Wette gewesen, sagte er gegenüber der Deutschen Welle. Dass er die Hand auf die Brust der Moderatorin gelegt hatte, sei ein Versehen gewesen.

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"Ich will meinen Job machen"

González Therán nahm seine Entschuldigung an, sie wolle sich nicht als Opfer stilisieren – "Ich will einfach meinen Job weitermachen und über Fußball berichten".

Schrittweise Verbesserung

Elizabeth Willis Frogge, Professorin für Journalismus an der Missouri School of Journalism und Mitgründerin der Association for Women in Sports Media, bewertet die Problematik sexueller Belästigung im Sportjournalismus folgendermaßen: "Die Dinge ändern sich schrittweise, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir sein sollten", betont sie im Interview mit der New York Times. Sportreporterinnen seien besonders häufig Zielscheibe der Kritik, weil ihnen in der von Männern dominierten Branche Fachwissen und Expertise nicht zugetraut werden.