Coole Musik für den Laufsteg: Von Prodigy bis Plastikman
Von Daniel Voglhuber
"Modemacher haben großteils einen besseren Musikgeschmack als ihre Kunden", urteilte ein Musikjournalist. Ob das so stimmt, sei dahingestellt. Aber auf jeden Fall kann man einigen von ihnen kein schlechtes Händchen für die Auswahl der Musik für ihre Modeschauen unterstellen.
Erst kürzlich haben mehrere Häuser mit wahren Ikonen aus der Nische aufgezeigt. Der Techno-Pionier Richie Hawtin hat mit seinem Pseudonym Plastikman Töne für die virtuelle Prada-Schau zur Herbst/Winter-Kollektion 2021/2022 (wie schon für die Frühlingskollektion 2021) geliefert.
Der Künstler selbst stellte neue Produktionen zur Verfügung, die "Gefühle von Introversion und Isolation" widerspiegeln und die Suche nach sich selbst. In Zeiten wie diesen, wo coronabedingt kaum mehr Zusammenkünfte möglich sind, passt das wohl perfekt.
Wie wohl auch Hawtin zur Luxus-Modemarke Prada zu passen scheint. Zu Beginn seiner Laufbahn war der Soundtüftler auch aussehenstechnisch noch etwas nerdig unterwegs. Seit einigen Jahren inszeniert er sich stets mit viel Schwarz und perfekt gestylt, den Scheitel akurat auf die Seite getrimmt. Und den Habitus des Undergrounds hat er auch schon länger abgestreift. Wenn er spielt, dann setzt es meist große Oper. Riesige Festivals und Mega-Discos statt kleinerer Clubs.
Das Engagement hat laut Vogue wohl auch etwas mit Raf Simons zu tun, der seit dem Vorjahr Co-Kreativdirektor bei Miuccia Prada ist. Der wiederum hat Hawtin Anfang der 90er in der Früh bei einer Party kennengelernt und ist seitdem mit ihm befreundet.
Rapper für Louis Vuitton
Ein anderer Moderiese hat für Herbst/Winterschau 2021/22 auf Giganten des Hip Hop zurückgegriffen. Yasiin Bey aka Mos Def und Soul Williams rappten für ein Video zur Präsentation von Virgil Ablohs Kollektion für Louis Vuitton.
Über Beys Auftritt schrieb zuletzt die Berliner Zeitung: "Lässig schlenkert der offene Mantel mit Karos und Louis-Vuitton-Logomuster um seinen Köper. Zu keinem Zeitpunkt hat man den Eindruck, Bey habe seine Seele an LVMH, den größten Luxuskonzern der Welt, verkauft. Und das, obwohl der Mann eine Underground-Legende ist."
Bey war hat schon 2012 für Louis Vuitton gerappt. Damals rezitierte er unter anderem die Worte von Muhammad Ali. Auch dieses Mal schickte er eine Message mit: Black Power. Der ganze Film behandelt Rassismus und persönliche Einschränkungen.
Der Mann des Chefdesigners
Cello, orientalische Klänge, elektronisches Beat-Gewitter. Und das in einer Show. Bei Balenciaga geht es am Laufsteg stets rund. Die Musik kommt vom Franzose Loik Gomez. Der wiederum ist der Mann von Balenciaga-Chefdesigner Demna Gvasalia.
Dass extra für das Defilee eine eigene Musik komponiert wird, kommt nicht allzu oft vor. Etwas, das Gomez, der seine musikalischen Wurzeln im New Wave, Industrial und Heavy Metal hat, nicht versteht. "Eine Modenschau ist wie ein Film: Nicht nur die Mode, sondern alle Elemente – das Casting, das Décor, das Set-Design, die Musik – müssen Emotionen erzeugen und eine exakte Tradierung unserer Vision sein", sagte er einmal der NZZ Bellevue.
Prodigy und Versace
Besonders häufig haben sich die Wege von Versace und The Prodigy gekreuzt. Am spektakulärsten, als der Frontman - der mittlerweile verstorbene - Keith Flint in einer Bandpause 2004 für Donatella Versace spielte, die ihn einmal als Freund bezeichnete. Er sollte den Steglauf einläuten. Und er tat es - spektakulärer, als vielen lieb war: "Während Flint mit seinem Seitenprojekt Clever Brains Fryin' das Stück "Superstar" interpretierte, sprang er plötzlich von der Bühne und legte sich inmitten des überraschten Publikums nieder. Anschließend streckte er seinen Kopf zwischen die Beine eines Zuschauers und veredelte die Wange einer erstarrten Dame mit seiner Spucke", schrieb das Portal laut.de damals.
Schon in den 90ern waren die Heroen des Big Beat immer mal wieder beim Defilee zu sehen. Wie hier bei einer MTV-Fashion-Show aus dem Jahr 1997 (für Vivienne Westwood).
Nach dessen Tod widmete Donatella Versace ihre Show zur Sommerkolletion 2020 in Mailand Keith Flint. Beim Run der Models hallte der Hit "Firestarter" duch die Räume. Die Models sahen aus wie Flint in den 90ern: mit Doppel-Iro-Frisur und Käferaugen-Sonnenbrillen.
Alexander McQueen und Björk
Eine der fruchtbarsten Kollaborationen zwischen Designer und Musikerin war jene zwischen Alexander McQueen und Björk, die eng befreundet waren. Er gestaltete das coole Cover für das Album Homogenic, führte Regie im Video "Alarm Call" und entwarf das glockenartige Kostüm für das Video "Who is it".
Außerdem sang sie auch auf einer großen TV-Fashion-Show zur Präsentation der McQueen-Kreationen.
Bei seiner Beerdigung 2010 zollte Björk dem Mode-Wunderkind Tribut und sang das Lied Gloomy Sunday.
Gucci und Detroit Techno
Es muss nicht immer nur der Laufsteg sein. Vor zwei Jahren hat die Regisseurin Jenn Nkiru die Anfänge des Techno in Detroit beleuchtet und dabei wegebereitende Persönlichkeiten wie Juan Atkins befragt. Der Film ist in Zusammenarbeit mit Gucci und der Kunst- und Kultur-Zeitschrift Frieze entstanden.
DJ-Lab urteilte: "Trotz der nicht nur durch Gucci und andere Marken immer weiter voranschreitenden Aneignung der Techno- und Rave-Kultur (wie bspw. zuletzt durch Adidas oder Nike) hat der knapp 20-minütige Film durchaus Tiefgang und verortet zu Recht die ersten Anfänge und Einflüsse bei Motown Records und den Detroiter Rassenunruhen von 1967. Nicht ohne Grund bezieht sich der Titel 'Black to Techno' auf die tragende Rolle der schwarzen Kultur."
Victoria`s Secret
Ja, zum Herumgehopse der Models auf dem Runway für die Unterwäsche-Firma Victoria`s Secret gab es schon auch respektable Musik. Schon zig Superstars - von Lady Gaga bis Taylor Swift - haben hier groß aufgespielt. 2017 etwa der 2021 schwer angesagte Harry Styles.