Räumung von Lobau-Protestcamp: Vorwürfe in Richtung Polizei
Im Zusammenhang mit der am Dienstag vorgenommenen Räumung eines Protestcamps gegen die geplante Stadtstraße in Wien-Donaustadt soll es nach der offiziellen Räumung zu gefährlichen Szenen gekommen sein. Aktivistinnen und Aktivisten hatten im Anschluss auf einer nahe gelegenen Wiese in der Anfanggasse mehrere Baumaschinen besetzt. "Sie wurden von Polizeibeamten einfach runtergezerrt. Ohne jede Sicherung", berichtete "LobauBleibt"-Sprecherin Anna Kontriner der APA.
Während die Räumung des Camps von Spezialkräften der Wega vorgenommen worden sei, hätten später in der Anfanggasse "gewöhnliche Beamte" Protestierende aus einer Höhe von zwei Metern ungesichert von einem Bagger gezogen, meinte Kontriner. "Ob es Verletzte gegeben hat, wissen wir nicht", hielt sie fest.
Aktivist getreten?
Auf KURIER-Anfrage sagte "LobauBleibt"-Sprecherin Lucia Steinwender, dass die Polizei bei der zweiten Baustellenbesetzung "sehr brutal vorgegangen" sei: "Die Beamten haben die Aktivistinnen und Aktivisten ziemlich gewaltsam vom Bagger runtergezerrt". Laut ihren Angaben wurde die Baustelle von rund 100 Personen besetzt.
Steinwender sprach auch von einem möglichen Vorfall in der Anfanggasse, bei dem ein Aktivist, nachdem er vom Bagger "runtergezerrt" wurde, von einem Beamten getreten worden sein soll. Weitere Details sind derzeit nicht bekannt, "da sich das Opfer eventuell im Polizeianhaltezentrum befindet", so Steinwender.
Die Wiener Polizei konnte den Vorfall nicht bestätigen: "Bei der Baggerbesetzung waren Einsatzkräfte der Wega sowie der Einsatzeinheiten vor Ort. Die Seiltechniker der Wega haben die Verbringung der Aktivisten von den höheren Baustellenfahrzeugen übernommen, die Beamten der Einsatzeinheiten die der an niedrigeren Arbeitsgeräten", sagte Sprecherin Barbara Gass im KURIER-Gespräch.
Den Vorwurf, dass die Polizei "sehr brutal vorgegangen sei", kommentierte Gass wie folgt: "Uns ist noch kein Handlungsvorwurf geäußert worden, auch Verletzungen im Zuge der Amtshandlungen sind nicht bekannt". Laut Gass hat sich ein Aktivist etwas mehr als der Rest der Protestierenden gewehrt, weshalb der Eindruck erweckt wurde, als ob es kein kontrolliertes Runterbringen vonseiten der Beamten war.
33 Festnahmen
Nach Angaben der "LobauBleibt"-Bewegung hätten bis zu 38 vorläufig festgenommene Aktivistinnen und Aktivisten die Nacht im Polizeianhaltezentrum (PAZ) verbracht. Der Großteil davon wurde am Mittwochvormittag noch angehalten. "Unseres Wissens wurden bisher erst sieben Personen auf freien Fuß gesetzt", teilte Kontriner am Vormittag mit.
Dem Verwaltungsstrafrecht zufolge dürfen Personen, die auf frischer Tat bei einer Verwaltungsübertretung angehalten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festgenommen werden, wenn sie dem Polizeiorgan unbekannt sind, sich nicht ausweisen und die Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist. Die vorläufige Festnahme ist auch erlaubt, wenn der Betretene trotz Abmahnung "in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht", wie es im Verwaltungsstrafgesetz (VStG) heißt. Die Anhaltung darf allerdings "keinesfalls länger als 24 Stunden dauern", normiert § 36 Absatz 1 VStG.
Laut Polizei gab es gestern 33 Festnahmen und 39 Anzeigen - allesamt wegen Verwaltungsdelikten. Von den Festgenommenen befanden sich am Mittwoch zu Mittag noch rund zehn Personen in Polizeigewahrsam. Aber auch diese sollten noch im Laufe des Tages entlassen werden, sobald die 24-Stunden-Frist abgelaufen ist.
Geäußerte Kritik an der Pressearbeit wies die Polizei zurück. Allen Journalisten und Journalistinnen, die beim eingerichteten Medienzentrum angefragt haben, wurde es demnach ermöglicht, in Begleitung eines Pressesprechers in einen inneren Bereich der Räumung zu gelangen, wie es gegenüber der APA hieß.
Kritik an der Asfinag
Reporter ohne Grenzen (RSF) übte indes scharfe Kritik an der Asfinag, die Securities abgestellt hatte, die Medienvertreter am Betreten des Geländes jenseits eines von der Polizei festgelegten Medientreffpunkts hinderten, was zumindest eine Sicht auf das von der Polizei abgeriegelte Protestcamp möglich gemacht hätte.
Medienvertretern müsse grundsätzlich „freier Zugang“ zum Gegenstand ihrer Berichterstattung möglich sein, betonte RSF-Präsident Fritz Hausjell im Gespräch mit der APA: „Die Polizei hat da die entsprechende Routine. Demgegenüber hat die Asfinag offensichtlich noch einige Lektionen in puncto Gewährleistung der Medienfreiheit vor sich.“
Gegenüber der APA hatte die Asfinag am Dienstag ihre Vorgangsweise damit begründet, in der Nähe des Medientreffpunkts der Polizei befinde sich ein Baubüro mit kritischer Infrastruktur. Diese habe man „beschützt“. Für Hausjell handelt es sich dabei um eine „hochproblematische Unterstellung“. Es sei „nicht nachvollziehbar“, wenn die Asfinag davon ausgehe, Journalisten würden kritische Infrastruktur gefährden.
Die Asfinag ließ die Kritik von Reporter ohne Grenzen nicht gelten. Wie eine Sprecherin der APA erklärte, sei der vom Camp räumlich und sichttechnisch abgetrennte Medientreffpunkt gemeinsam mit der Polizei ausgewählt worden, um einen „gesammelten Platz für Interviews“ zur Verfügung zu stellen. „Wir wollten vermeiden, dass Unklarheit herrscht, wo kriegen wir einen O-Ton her“, sagte die Sprecherin. Die Securities hätten sich nur in diesem Bereich befunden, nicht aber am oder beim Camp: „Wie weit die Polizei Leute vorlässt, liegt nicht in unserem Ermessen.“ Die Asfinag habe verhindern wollen, dass ortsunkundige Journalisten „im ausufernd großen Gelände“ die Orientierung verlieren: „Das hätte mehr Chaos verursacht.“
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