Die Liebe des Films zu Wien: Warum in der Stadt immer mehr gedreht wird
Von Katharina Zach
25 Jahre ist es her, dass Julie Delpy und Ethan Hawke im Filmklassiker „Before Sunrise“ über den Zollamtssteg spazierten und einander vor dem Riesenrad erstmals küssten. Seither seilte sich Tom Cruise in „Mission: Impossible 5“ von der Staatsoper ab, spazierte Jennifer Lawrence in „Red Sparrow“ ins Café Griensteidl und beobachtete Burgtheater-Schauspieler Oliver Masucci in der 2021 erscheinenden Literaturverfilmung „Schachnovelle“ unweit des Rathauses den baldigen Anschluss an Hitler-Deutschland.
Es herrscht ein G’riss um die Filmstadt Wien. 2019 wurde so viel gedreht wie noch nie, verrät die zuständige Vienna Film Commission. Insgesamt 684 nationale und internationale Filmprojekte haben im Vorjahr um Drehgenehmigungen angesucht – um rund 13 Prozent mehr als 2018.
Davon waren 135 internationale Produktionen.
Imperial ist Trumpf
Es ist – neben dem guten Ruf als Filmstadt – vor allem das imperiale, geschichtsträchtige Ambiente der Stadt, das Filmschaffende immer wieder nach Wien lockt. Schon 1949 machte der Agententhriller „Der Dritte Mann“ den Prater, die Innenstadt und die Kanalisation weltbekannt. Tatsächlich war die Innere Stadt auch im Vorjahr wieder der Bezirk mit den meisten Filmdrehs. Knapp 21 Prozent aller Aufnahmen fanden dort statt.
Dabei benötigt es eine gute Zusammenarbeit der Filmwirtschaft mit den Magistratsabteilungen, denn ohne Erlaubnis bleibt die Kamera aus. So erteilte die MA 46 (Verkehrsorganisation) im Vorjahr 1.025 Drehgenehmigungen für Plätze und Straßen. Begehrt bei Filmteams sind übrigens Dreharbeiten in Parks – allen voran im Stadtpark. Bei den Märkten führte der Naschmarkt, gefolgt vom Brunnenmarkt.
Spitäler als Set
Geht es um Brücken, ist die „Reichsbrücke überaus beliebt“, erzählt Marijana Stoisits, Geschäftsführerin der Vienna Film Commission. „Wir sind immer froh, wenn an einem Sonntag im Sommer in der Früh gedreht wird“, spielt sie auf notwendige Verkehrssperren an. Gedreht werde auch häufig am Steinitzsteg parallel zur Nordbrücke und der Schemerlbrücke in Nußdorf.
Doch in Wien muss es nicht immer die Straße sein: 36 Drehtage gab es auch in Wiener Spitälern – etwa für den Thriller „Todesfrist“.
Millionen-Förderung
Filmproduktionen in die Stadt zu locken, lässt sich die Stadt einiges kosten. So werden für Förderungen rund 16 Millionen Euro bereitgestellt, erklärt Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Zuletzt wurden die Subventionen für Filmfestivals und die Kinoförderungen erhöht. „Das kann sich sehen lassen im Vergleich zu Städten wie Berlin“, meint Kaup-Hasler.
Immerhin profitiert auch die Stadt: Mehr als 1,4 Milliarden Euro an Erlösen erzielt die Filmwirtschaft in Österreich, zudem schafft sie 8.000 Arbeitsplätze. 90 Prozent davon in Wien.
684 Filprojekte wurden 2019 eingereicht. Um 1.090 Drehgenehmigungen wurde angesucht, die Vienna Film Commission stellte 1.168 Empfehlungsschreiben aus.
21 Abteilungen des Wiener Magistrats kooperierten mit der Branche. Die Stadtgärten stellten 239 Drehgenehmigungen aus, das Marktamt 104 und die Abteilung Wiener Brückenbau 54. Bei den Wiener Linien wurden 253 Filme realisiert, bei den Friedhöfen 68
Doch auch Salzburg und Tirol naschen mit. In ersterem Bundesland löste die südkoreanische Serie „Spring Waltz“ (2006) in Hallstatt einen Tourismusboom aus, in Tirol wurden dank der Crew von Will Ferrells Tragikomödie „Downhill“ 2019 in Fiss und Ischgl 8.000 Nächtigungen registriert. Der wirtschaftliche Effekt betrug 2,5 Millionen Euro.
Filmstudio fehlt
Übrigens: Dass in Wien so viel „on location“, also direkt in der Stadt gedreht wird, könnte damit zu tun haben, dass ein richtiges Filmstudio fehlt (siehe Kasten unten).
Derzeit wird eine Halle des Hafen Wien in Simmering genutzt. „Die ist seit zweieinhalb Jahren durchgehend ausgebucht“, sagt Stoisits. Viele Produktionen weichen daher in Nachbarländer aus. Für „Downhill“ wurde auf die alten Rosenhügel-Studios zurückgegriffen.
Als Sigmund Freud die Psychoanalyse begründete, ordinierte er in Wien. Die Netflix-Serie über sein Leben wurde – bis auf einen Tag – allerdings in Prag gedreht. Wegen der finanziellen Anreize, meint die Geschäftsführerin der Vienna Film Commission, Marijana Stoisits.
Sie fordert erneut, dass die sogenannte Wirtschaftsfilmförderung des Bundes besser dotiert werde. Das Problem: Derzeit seien TV- und vor allem Streaming-Produktionen von den Subventionen ausgeschlossen. Dabei sei ein Modell, dass 25 bis 30 Prozent der Produktionskosten refundiere, dringend überfällig.
Studie
Auch für die Errichtung einer „Sound Stage“, einer Studiohalle, spricht sich die Expertin aus. Diese „Netflix-Halle“ hatte zuvor auch schon SPÖ-Stadtrat Peter Hanke propagiert. Sie könnte auf einem Areal des Wiener Hafen in Simmering entstehen.
Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie erstellt. Geprüft wird, ob sich die Errichtung für die Branche und die Stadt rechnen würde. Auch mögliche Locations werden evaluiert. Manfred Studnitzka vom „Verband österreichischer Filmproduzentinnen und -produzenten“ glaubt an das Projekt. Er fände es zudem sinnvoll, Zulieferfirmen um die Halle anzusiedeln.