Auf der Sterbemesse: Letzte Ruhestätte, selbst gemacht
Von Caroline Ferstl
Christine Nebosis legt eine Schicht Ton über die nächste. Mit ihren Händen drückt sie die Masse in Form. Das Prozedere erinnert an den Werkunterricht in der Schule. „So viel anders ist das hier auch nicht, als wie wenn man eine Schale oder Dose formt“, erklärt Nebosis. Nur dass am Ende eine Urne und kein Blumentopf entsteht.
Doch im Fokus steht nicht das Töpfern selbst, sondern die therapeutischen Wirkungen dahinter. Seit Jahren bietet die 49-Jährige in ihrem Atelier 1000blum in Neulengbach (Bezirk Sankt Pölten) Workshops an, in denen Angehörige eine letzte Ruhestätte für ihre Verstorbenen anfertigen können.
Auch ältere Menschen selbst fragen an. „Vor Weihnachten musste ich eine ältere Dame auf Februar vertrösten. Sie meinte: ,Kein Problem, momentan geht es mir eh ganz gut’“, erzählt Nebosis augenzwinkernd.
An die 100 Urnen hat sie schon gefertigt. Ein Workshop kostet etwa 350 Euro. Viele Teilnehmer kommen erst Jahre nach dem Ableben des Angehörigen und wollen ein Erinnerungsgefäß für Zuhause anfertigen, nicht selten auch für das verstorbene Haustier. Auch Urnen für Natur- oder Donaubestattungen kann man aus Papierton anfertigen, der sich in der Erde oder im Wasser zersetzt.
Tabuthema Tod
„Die kreative Praxis bietet Raum zum Fragen, zum Trauern, zum Weinen, zum Schwelgen in Erinnerungen. Die Tätigkeit hat eine gewisse Leichtigkeit, das erleichtert den Umgang mit dem Thema“, erklärt die Mutter von drei Kindern ihren Beruf. „Denn der Tod ist leider immer noch ein Tabuthema.“
Das versucht auch Sabine List aufzubrechen. Sie veranstaltet dieses Wochenende zum zweiten Mal die Sterbemesse „Seelenfrieden“ in Wien. „Wir setzen uns mit persönlichen Anlässen wie Geburtstagen, Taufen und Hochzeiten auseinander, aber über den Tod redet man immer noch sehr ungern“, beklagt die zertifizierte Sterbe- und Trauerbegleiterin und Eventmanagerin.
Aussteller informieren auf der Messe über Bestattung, Palliative Pflege und Rechtliches. Auch etwas ungewöhnlichere Aktivitäten warten auf die Besucher: So kann man etwa den Ehering des verstorbenen Partners zu einem Schmuckanhänger umwandeln lassen oder in einem mit Schmetterlingen und Wiesenblumen bemalten und Heu ausgelegten Sarg probeliegen.
Ein wenig makaber scheint der „Corona-Schwerpunkt“, um den die Messe „aus aktuellem Anlass“, so List, ergänzt wurde: Ein Tatortreiniger als Desinfektionsprofi beantwortet Fragen zu Tests, Schutzmasken und –anzügen und den richtigen Vorbeugemaßnahmen.
- Zum zweiten Mal findet heute und morgen die Messe zum Thema Tod und Sterben in der MGC Wien im dritten Bezirk statt
- In über 20 Vorträgen beleuchten Experten die Themen Vorsorge, Lebensende, Sterben, Tod und Trauer. Mehr als 30 Aussteller bieten Beratung und Information
- Weiters kann man seine Urne selber töpfern, Schmuck aus dem Ehering des verstorbenen Partners anfertigen lassen, Probeliegen in einem Sarg und mehr über Tatortreinigung erfahren
- Infos und Tickets finden Interessierte unter www.messe-seelenfrieden.at
„Wir möchten die Situation entschärfen. Unser Experte erklärt, warum etwa Schutzmasken dem medizinischen Personal vorbehalten sind und nur wenig nutzen“, sagt List. Trotzdem werden Desinfektionsmittel und Schutzmasken auf der Messe verkauft.
Nebosis wird auf der Messe die Möglichkeit zum Urnentöpfern anbieten: „Für mich ist es ein Geschenk, einen so persönliche Prozess begleiten zu dürfen.“ Eine Urne für sich selbst hat Nebosis übrigens noch nicht getöpfert. Hat sie auch nicht vor: „Das wird meine Familie entscheiden, wie ich begraben werden soll. Ich könnte mir am ehesten eine Waldbestattung vorstellen.“