Chronik/Wien

"Anna am Meidlinger Markt" schließt ihre Pforten

Zwei Tage noch. Zweit Tage lang kann man bei Anna Putz noch Käse, Brot oder Marmelade einkaufen. Oder eine Flasche Wein. Am 31. Oktober macht Anna Schluss. Dann schließt sie ihren Marktstand "Anna am Meidlinger Markt". Und damit geht eine Ära zu Ende. Denn Anna Putz war eine Pionierin des modernen Meidlinger Markts, sie hat ihn entscheidend mitgeprägt.

Leicht hat sie die Entscheidung nicht getroffen. "Es waren viele persönliche Gründe", sagt Putz. Sechs Jahre lang hat sie ihren Stand geführt. Zuvor half sie im Lokal "Milchbart" aus und arbeitete beim Verein "Wir sind 12!".

Zehn Jahre in der Kälte sind genug

Ausschlaggebend war schließlich, dass ein langjähriger Mitarbeiter aufhört. "Es ist sehr anstrengend, wenn man das alleine macht", sagt Putz im KURIER-Gespräch.

Mit dem Gedanken zu schließen, hat sie aber bereits vor zwei Jahren gespielt. Mit ihrem Stand könne sie sich nicht so weiterentwickeln, wie sie wolle. "Ich müsste viel investieren heuer und da sehe ich mich in der schwierigen Zeit nicht in der Lage, das allein durchzuboxen."

Und überhaupt: Zehn Jahre lang im Winter im Freien zu stehen, seien einfach genug.

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Mit Putz' Stand schließt ein Geschäftslokal, das den Meidlinger Markt zu dem gemacht hat, was er jetzt ist. Und es ist schon der zweite jener Wegbereiter.

Bereits Anfang 2019 hat Christian Chvosta sein Lokal "Milchbart" geschlossen. Er war der erste "Bobo" am Markt, brachte jüngeres und urbanes Publikum und inspirierte einige Standler wie Putz, eigene Lokale zu eröffnen.

Die verschärften Regeln für Marktstandler durch die neue Marktordnung spielten bei Putz im Gegensatz zu Chvostas Entschluss aber keine Rolle.

Nach Putz' Weggang soll aber zumindest kulinarisch keine Lücke bleiben. Sie hat eigenhändig einen Nachfolger ausgewählt, der ebenfalls Lebensmittel anbieten wird. Wer das sein wird, will sie noch nicht verraten.

Sie selbst stellt sich ab Montag einer neuen Herausforderung: Putz tritt einen Job bei der Bäckerei Gragger an.

Sentimental wird sie in den letzten Tagen nicht. Sie freue sich. "Es war eine tolle Zeit, aber jetzt geht es weiter." Traurig war sie dennoch kurz, "weil ich viel Herzblut reingesteckt habe". Man habe leider oft eine romantische Vorstellung vom Geschäft, es sei aber harte Arbeit.

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Ganz verabschiedet sich Putz jedoch nicht vom Markt. Sie bleibt als Kundin erhalten, denn ein Markt-Fan war sie schon immer. Schon, als sie mit ihrer Oma auf Märkten unterwegs war. Und als Halbfranzösin sei ihr ohnehin ein Faible für Feinkost in die Wiege gelegt. "Der Meidlinger Markt ist einer meiner Lieblingsplätze."

Fixpunkt für Gourmets

Da ist sie nicht alleine. Der Markt im 12. Bezirk gilt mittlerweile als Fixpunkt für Gourmets. Im Dezember erhielt der Meidlinger Markt sogar eine Haube. Ausgezeichnet wurde Hans Jörg Ulreichs "Wirtschaft am Markt", Küchenchefin ist Heidi Ratzinger.

Die Fachgruppe Märkte in der Wiener Wirtschaftskammer erkor den Meidlinger Markt sogar zum „Pilotmarkt“, um Initiativen zu testen. Etwa das Lieferservice während des Lockdowns im Frühjahr.

Und auch eine weitere Initiative erhält aktuell wieder mehr Bedeutung: Denn für die Märkte wurde eine Digitalisierungsoffensive gestartet, die unter anderem eine eigene Homepage für alle Unternehmer beinhaltet. Jeder Stand soll auf markt.wien aufgelistet werden – mit Foto, Adresse, Öffnungszeiten, den zehn wichtigsten Produkten und Angabe von Telefonnummer und eMail-Adresse. Die Seite würde sich derzeit füllen, sagt Fachgruppenobmann Markus Hanzl.

Die geplanten Abholboxen verzögern sich zwar, dafür gibt es bereits den ersten der angekündigten Grätzel-Guides. Und zwar vom Meidlinger Markt. Der Schlingermarkt soll folgen.