Terror, Cyberangriffe, Blackouts: Das Ende des „relativen Friedens“
Von Armin Arbeiter
„Wir sehen kaum Vorwarnzeiten, die Risiken treten sehr kurzfristig auf. Und schon morgen könnte eines der Szenarien eintreten“ – Generalmajor Johann Frank sagt diese Worte nicht gerne, als er die „Sicherheitspolitische Jahresvorschau“ des Verteidigungsministeriums vorstellt.
Doch das vergangene Jahr hat seinen Einschätzungen recht gegeben: Pandemie, Cyberattacken, beinahe ein Blackout und ein Terroranschlag im Herzen Wiens.
Düstere Prognose
Vor all diesen Szenarien hat Frank, Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement, bereits im Jänner 2020 gewarnt. Und auch für heuer sieht seine Einschätzung düster aus: „Die Sicherheitslage verschlechtert sich, die Herausforderungen nehmen zu“, sagt er.
Und auch die Gefahr weiterer Terroranschläge: „Durch die fortschreitende Technologisierung und Digitalisierung könnten zukünftige Terroranschläge Cyber-Angriffe, Sabotageakte oder den Einsatz von biologischen Waffen umfassen“, heißt es im 347 Seiten umfassenden Bericht.
Die regionalen Konflikte rund um die EU nehmen zu, dadurch breiten sich terroristische und militante Gruppierungen aus.
Radikalisierung im Netz
Zurückkehrende sogenannte „Foreign Fighters“, wie etwa ehemalige Angehörige der Terrormiliz „Islamischer Staat“, stellen ebenso ein hohes Risiko dar. Auch der rechtsextreme Terror gewinnt an Bedrohung. Hier „geschieht die Radikalisierung von Individuen primär über Internetplattformen, die rassistisches, antisemitisches, islamfeindliches und von Verschwörungstheorien geprägtes Gedankengut verbreiten“, kommen die Experten zum Schluss.
Für Generalstabschef Robert Brieger sind die Desinformationen in den Sozialen Netzwerken ein Teil der „hybriden Bedrohungen“, denen Österreich seit einiger Zeit ausgesetzt ist. „Die Corona-Pandemie ist zusätzlich ein Katalysator für diese gesellschaftlichen Entwicklungen, diese versuchte Spaltung der Gesellschaft“, sagt er.
Hybride Kriegsführung
Auch wenn die Grenzen oft verwischt sind – die hybride Kriegsführung wird in vier Phasen unterteilt: Ein staatlicher oder nicht staatlicher Akteur schafft Voraussetzungen für Einfluss im Zielgebiet, übt diesen aus, destabilisiert das Zielgebiet, ehe er den Feind „niederringt“.
„Das Ziel von hybrider Kriegsführung ist nicht, die Macht über ein Gebiet zu übernehmen, sondern die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in demokratische Institutionen zu erschüttern“, sagt Frank.
35 Szenarien
hat das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement herausgearbeitet. Als sehrwahrscheinlich schätzen die Experten unter anderem Cyberangriffe, Terroranschläge und eine Neutralitätsverletzung ein
Auslandsentwicklungen
Aktuelle Szenarien mit Auswirkung für Österreich sind etwa die offensive Regionalpolitik der Türkei, der Systemkonflikt zwischen China und den USA oder die ethno-religiösen Konflikte in Nahost
Trefferquote
3,5 der 4 Risiken, die Anfang 2020 genannt wurden, wurden Realität: Die Corona-Pandemie, Islamistischer Terrorismus, schwerwiegende Cyberattacken. Am 9. Jänner wäre es beinahe zu einem Blackout gekommen
„Europa und auch Österreich sind davon betroffen“, stellt er fest. Dies belege sowohl der Terrorangriff im vergangenen November als auch die starke Zunahme an Cyberattacken (vergangenes Jahr ein Plus von 220 Prozent).
Durch die rasante Technologieentwicklung würden die Risiken zusätzlich steigen – technische Geräte wie Drohnen seien etwa leichter zu erwerben und einzusetzen.
„Dadurch steigt die Verwundbarkeit der Bevölkerung. Technisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und psychologisch“, sagt Frank und findet klare Worte: „Wir haben das Ende der Phase des relativen Friedens erreicht.“
Der positive Aspekt sei, dass man wisse, wie es um die Bedrohung steht. „Somit kann man sich auch darauf vorbereiten. Es braucht eine zeitgemäße Antwort und das ist eine erneuerte, umfassende Landesverteidigung“, plädiert Frank. Auch die Teilnahme an der europäischen Verteidigung sei notwendig.
Sonderinvestitionen
General Brieger stößt ins selbe Horn: „Wir brauchen gut ausgestattete Streitkräfte, um aktiv auf diese Bedrohungen reagieren zu können“, sagt er mit Blick auf die Neustrukturierung des Bundesheers, die in den nächsten Monaten erfolgen soll.
Mittels Sonderinvestpaketen hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) damit begonnen, wichtige Bereiche wie die Cyberabwehr mit Geldern auszustatten. Doch auch sie weist darauf hin, dass der jahrzehntelange Investitionsrückstau beim Bundesheer noch lange nicht überwunden ist.
Neben Neuanschaffungen wie Pandur-Radpanzern sollen bis 2024 auch die ersten autarken Kasernen fertig sein. Bis zu 14 Tage sollen sich dort stationierte Einsatzkräfte und, wenn notwendig, Blaulichtorganisationen, unabhängig mit Strom und Nahrung versorgen können. Vor allem im Falle eines Blackouts – ebenfalls ein wahrscheinliches Szenario – wird eine solche „Sicherheitsinsel“ notwendig sein.