Männlichkeit und Machtverlust: Die Psychologie der Frauenmorde
Amstetten. Krumbach. Wiener Neustadt. In Amstetten soll ein 37-Jähriger seine Frau umgebracht haben. In Krumbach ist der Ex-Lebensgefährte der getöteten 50-Jährigen tatverdächtig. In Wiener Neustadt der Ex-Freund. Und am Dienstag erstach ein 21-Jähriger am Wiener Hauptbahnhof mutmaßlich seine Schwester (siehe unten).
In allen vier Fällen sind also Männer des Mordes an Frauen verdächtig. Wie kommt das? Das will jetzt auch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wissen und kündigte ein „Screening der heurigen Mordfälle“ an.
„Frauenmorde im sozialen Nahbereich basieren oft auf dem wahrgenommenen Recht auf Macht und der Angst, diese Macht zu verlieren“, sagt Laura Wiesböck, Soziologin an der Universität Wien. Das sei nicht nur bei Beziehungstaten so. Der Fall jenes 41-Jährigen, der Frauen in Wien mit dem Rad verfolgt und schließlich eine 25-Jährige halb tot geschlagen und vergewaltigt haben soll, sei ähnlich gelagert. Er habe mit den Frauen flirten wollen, sei aber gescheitert, gab er bei der Polizei an. Ausgangspunkt für solche Taten sei oft ein vermeintliches Recht auf Sexualität. „Herrscht bei Männern ein Gefühl der Anspruchsberechtigung auf die Frau vor, und wird dieses fragil (etwa, weil sich Frauen trennen oder Männer abweisen), setzt Frustration ein“, sagt Wiesböck. Weil sie keine anderen Ausdrucksformen gelernt haben, kommt es zu Hass und Gewalt.
Zu wenig Täterarbeit
5660 Betretungsverbote gab es im Vorjahr mit Stand 9. Oktober in Österreich. Die Zahl ist über die Jahre relativ gleichbleibend. Derartige Fälle werden automatisch von der Polizei an Gewaltschutzzentren gemeldet, die sofort mit den Opfern in Kontakt treten.
Die Täter, meist Männer, bekommen lediglich ein „Gefährderblatt“ in die Hand gedrückt. Darin wird über Rechte und Pflichten informiert sowie über Einrichtungen wie den Männer-Notruf.
„Schon beim ersten Vorfall muss es vor allem für Junge ein Gespräch mit Psychologen geben“, sagt Kriminologin Katharina Beclin. Beim „normverdeutlichenden Gespräch“, das schon jetzt unter anderem bei Stalking angewendet wird, werden die möglichen Folgen für den Täter besprochen. „Bei einer Verurteilung oder Diversion sollte es dann automatisch ein Anti-Gewalt-Training geben“, meint die Expertin.
Ein Ansatz, der aktuell auch in der Taskforce Strafrecht von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) geprüft wird. „Aber so etwas kostet Geld“, ist der Kriminologin klar. Auch Eva Schuh, Leiterin des Gewaltschutzzentrums Oberösterreich, sieht das so: „Es braucht mehr Männerarbeit“, sagt sie. Täterarbeit müsse „opferschutzorientiert“ erfolgen. Besonders, weil die Aggression steige, während die Hemmschwelle sinke. „Wir stellen fest, dass es auch zunehmend Nachahmungstäter gibt“, sagt Schuh. Nach einem Mord sinke die Hemmschwelle gleich noch einmal.
Veraltetes Männerbild
In den eingangs erwähnten Fällen hat laut Soziologin Wiesböck die Gewaltprävention versagt. Problematisch sei aber auch das vorherrschende Bild von Männlichkeit. Die Gesellschaft würde den Männern nicht zugestehen, verletzlich zu sein. „Viele Männer haben nie gelernt, wie man mit Schmerz und Leid umgeht“, sagt Wiesböck.
Es sei deshalb höchst an der Zeit, dass sich die Darstellung von Männlichkeit in Werbung, Filmen und Medien ändert. Auch Eltern und Bildungseinrichtungen seien in der Ziehung. Das beginne schon am Spielplatz, wo Mädchen „brav“ sein sollen und Buben „schlimm“ sein dürfen.
Hilfe für Frauen
Frauenhäuser
30 Frauenhäuser gibt es in ganz Österreich, 15 gehören zum Verein autonome Frauenhäuser. Kontaktnummern sind online unter
www.aoef.at zu finden. Adressen werden aus Sicherheitsgründen nicht angegeben.
Frauenhelpline gegen Gewalt
Die Hotline ist 365 Tage im Jahr unter 0800 / 222 555 rund um die Uhr erreichbar. Frauen werden kostenlos und anonym beraten. www.frauenhelpline.at
Frauennotruf
In Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Wien und der Steiermark gibt es eigene Frauennotrufe.
Frauennotruf Linz: 0732 60 22 00
Starhembergstraße 10/2,
4020 Linz
Tel.: 0732 60 22 00
eMail: hallo@frauenzentrum.at
www.frauenzentrum.at
Frauennotruf Salzburg: 0662 88 11 00
eMail: beratungsstelle@frauennotruf-salzburg.at
www.frauennotruf-salzburg.at
Frauennotruf Graz/Verein Tara: 0316 31 80 77
Geidorfgürtel 34/2,
8010 Graz
eMail: office@taraweb.at
www.taraweb.at
Frauennotruf Innsbruck: 0512 57 44 16
Sonnenburgstraße 5,
6020 Innsbruck
eMail: office@frauen-gegen-vergewaltigung.at
www.frauen-gegen-vergewaltigung.at
Notruf. Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen: 01 523 22 22
Postfach 214,
1172 Wien
eMail: notruf@frauenberatung.at
www.frauenberatung.at
Frauennotruf der Stadt Wien: 01 717 19 (0 bis 24 Uhr)
eMail: frauennotruf@wien.at