Digitale Plattform soll Ort für persönliche Nachrichten sein
Von Marlene Penz
Mallorca, 9. April 2016. Der 29-jährige Stefan Jurecek aus Maissau ist mit Freunden auf einem Triathlon-Trainingslager zur Vorbereitung auf den Iron Man in St. Pölten. Die Gruppe ist auf den letzten Metern einer Radtour, knapp vor der Unterkunft, als plötzlich ein Schlagloch auftaucht. Jurecek kann nicht mehr ausweichen, dann ist da nur noch Schmerz und Stille. Notarzt, Sirene, Krankenhaus, schweigende Ärzte, Ratlosigkeit, Überstellung nach Österreich, Intensivstation. Es folgen insgesamt über 20 Operationsstunden, 30 Blutkonserven und 40 Titanschrauben. Sein Oberschenkelknochen hat sich durch die Hüfte gebohrt und den Beckenring gesprengt. Immer wieder ist da ein Gedanke: „Wenn das nicht gut ausgeht, dann bleibt so vieles ungesagt“, blickt der heute 35-Jährige zurück.
Doch es ging gut aus. „Ich kann wieder gehen, sogar Spaziergänge sind möglich und Radfahren, aber mit dem E-Bike, auf ein Rennrad setze ich mich nicht mehr“, erzählt er. Die Tage dazwischen, an denen ihm jeder Schritt wehtut und er sich mit Schmerzmitteln über Wasser hält, erwähnt er nur am Rande. Denn es hätte anders ausgehen können.
Sicher verwahrt
Darum hat er die Plattform „Tellju“ (www.tellju.com) gegründet. Einen Ort an dem persönliche Nachrichten abgespeichert werden können, Dinge, die gesagt werden müssten, wenn es „anders ausgeht“. Tellju soll aber kein Testament ersetzen: „Dort sollen persönliche Sachen hinterlegt werden, alles, was in einem Testament keinen Platz hat – Erinnerungen, etwa Fotos oder Videos, liebe Worte, oder Passwörter, Schlüsselverstecke und wichtige Mitteilungen für den Alltag, die den Hinterbliebenen helfen können“, erläutert Jurecek.
All diese persönlichen Dinge werden sicher verwahrt und bleiben unter Verschluss, versichert der 35-Jährige. Nur die Nutzer haben Zugriff darauf und können die Nachrichten verändern oder löschen. In selbst definierten Abständen wird per eMail nachgefragt, ob es einem gut geht. Bleibt eine Reaktion aus, fragt Tellju bei zwei vom Nutzer definierten Vertrauenspersonen nach. Nur wenn beide bestätigen, dass etwas passiert ist, wird der Mechanismus ausgelöst und die Nachrichten an die dafür bestimmten Empfänger verschickt. „Das muss auch nicht sofort passieren, man kann ein bestimmtes Datum festlegen“, so der Jungunternehmer und nennt ein Beispiel: Ein 80-Jähriger denkt, dass er den 18. Geburtstag seines Enkels nicht mehr erleben wird, und möchte ihm zu diesem Anlass eine Botschaft übermitteln.
Herzensprojekt
„Man beschäftigt sich nicht gerne mit solchen Dingen“, weiß Jurecek. Vor allem junge und gesunde Menschen würden selten über ihren Nachlass nachdenken. „Ich habe ja selbst auch nie an so etwas gedacht – bis zu dem Unfall, der mein Leben von einem Moment zum anderen verändert hat.“ Seine Karriere als Winzer war beendet, ebenso die sportliche. Damit sein Becken wieder zusammenheilen konnte, musste er drei Monate lang auf dem Rücken liegen, durfte bzw. konnte sich nicht bewegen. „Da hat man viel Zeit zum Nachdenken“.