Afghanin erzählt, wie sie in nur zwei Jahren Deutsch lernte
Von Johanna Kreid
Sie gilt als die Grundvoraussetzung für die Integration: die Beherrschung der deutschen Sprache. Doch wie geht es Menschen, die in ein fremdes Land kommen und eine Sprache erlernen müssen, die sich von der eigenen stark unterscheidet? Der KURIER fragte die 27-jährige Afghanin Fatima Afzali, wie sie diesen Prozess erlebte.
Grundsätzlich müssen Asylberechtigte in Österreich die Sprache erlernen (s. Infobox unten). Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) organisiert hierfür die Kurse. „Wir bieten alle Niveaus: von der Alphabetisierung bis zur fließenden Beherrschung“, erklärt ÖIF-Mitarbeiterin Sonia Koul. Ein Kursbesuch muss nachgewiesen werden, um etwa Sozialhilfe beziehen zu können. „Das Niveau, von dem die Menschen ausgehen, ist aber sehr unterschiedlich“, so Koul. Daher könne man keinen Zeitrahmen vorschreiben, in dem die Sprache erlernt werden muss.
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Fatima Afzali ist eine derjenigen, die innerhalb von zwei Jahren nahezu fließend Deutsch erlernte.
Sie stammt aus Afghanistan. In Kabul hatte sie als Hebamme gearbeitet, doch als die Taliban wieder die Herrschaft übernahmen, durfte sie nicht mehr arbeiten. Ihr Mann war bereits 2015 nach Wien gekommen; er hat hier die HTL absolviert und arbeitet mittlerweile als Elektriker. 2021 folgte sie ihm, nun leben die beiden zusammen in Wien.
"Die Sprache ist schon ein bisschen kompliziert"
„Mein Mann hat mir von Anfang an gesagt, dass ich mich bemühen soll, schnell Deutsch zu lernen“, erzählt sie. Ihr erster Eindruck? „Dass die Sprache schon ein bisschen kompliziert ist“, erwidert sie und lacht. In ihrer Familie hatte Bildung aber einen hohen Stellenwert. Dass sie neben ihrer Muttersprache Persisch (Dari) auch Englisch sehr gut beherrscht, half ihr, sich im Deutschen relativ rasch zurechtzufinden.
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Fünfmal die Woche geht Afzali nach wie vor zum Deutschkurs. Danach übt sie mit Apps und mithilfe der Lernmaterialien, die der ÖIF online anbietet. Nach zwei Jahren hat sie so das Level C1 erreicht – die fließende, „kompetente Sprachverwendung“, wie es im Fachjargon heißt.
Sprachkurse: Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) bietet Deutschkurse für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte. Der Besuch ist verpflichtend und auch an die Sozialhilfe gekoppelt.
49.500 Deutschkursplätze hat der ÖIF 2023 (Jänner–September) angeboten. Davon entfielen 22 Prozent auf das Zielniveau Alphabetisierung,
60 Prozent auf die Niveaus A1 und A2 sowie 17 Prozent auf B1 und B2. Knapp ein Prozent besuchten Kurse auf Niveau C1.
Was ihr am schwersten fiel? „Die Artikel verwende ich nicht immer richtig“, antwortet Afzali. Auch Genetiv, Dativ und Akkusativ bringe sie fallweise durcheinander. „Und wenn jemand sehr schnell oder im Dialekt spricht, wird es schwierig“, fügt sie hinzu. „Aber wenn ich dann bitte, etwas langsamer zu sprechen, verstehe ich eigentlich alles.“
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Ob bei Behörden, beim Arzt oder im Supermarkt: „Am Anfang habe ich Englisch gesprochen. Aber es hilft überall, wenn man Deutsch kann“, sagt die 27-Jährige. Ihre nächsten Ziele: Sie möchte auch hier als Hebamme arbeiten – noch wurde ihre Ausbildung aus Afghanistan aber nicht anerkannt. „Obwohl ich zwei Jahre Erfahrung habe.“ Und sie möchte Freunde in Österreich finden: Das sei bisher noch schwieriger, als die Sprache zu erlernen.