Chronik/Oberösterreich

Grillhendln der Zukunft: Neue Schau in Steyr zeigt Essen für die Welt von morgen

In der ehemaligen Fabrikshalle des Museums Arbeitswelt in Steyr steht ein Bierzelt. Darin: einer Bar, Girlanden, jede Menge Bierkrüge und vor allem prall gefüllte Pappteller. Halbe Grillhendl liegen darauf, Pommes, Erdäpfelsalat, Semmeln. Alles was man aus so einem Bierzelt eben kennt. Aber dann sind da noch vegane Nuggets - aus Sojaschnetzel. Und gewürzte Würmer. Und verschiedene Vitaminpräparate.

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Was ist denn hier los? Okay, nichts davon ist echt, inklusive dem glutenfreien Bier in den Krügen. Das ganze Bierzelt ist Teil der neuen Ausstellung „Future Food“, die am gestrigen Donnerstag eröffnet wurde. „Wir fragen uns hier: Wie könnte das Grillhendl der Zukunft aussehen, welches Essen werden wir in der Zukunft im sozialen Rahmen zu uns nehmen?“, sagt Stephan Rosinger. Er ist der künstlerische Leiter des Museums.

Kuratiert hat die Ausstellung Viktoria Krason, ursprünglich für das Deutsch Hygiene-Museum in Dresden. Bis Sommer 2024 gastiert die Schau nun aber in einer für Österreich überarbeiten Form in Steyr.

Doch warum eigentlich ausgerechnet hier, in diesen ehemaligen Fabrikshallen des Museums Arbeitswelt? „Wenn es um Ernährung geht, geht es um progressive, strittige Themen“, sagt Rosinger. Es gehe um Arbeitsbedingungen in der Produktion, es gehe um Nachhaltigkeit, um Gesundheit. Ernährung, das sei ein politisches Thema. Vor allem die Frage, wie ein System so gestaltet werden kann, dass weniger Menschen Hunger leiden müssen. 

Dieser Prämisse folgend ist die Ausstellung in drei Teile gegliedert: Produktion, Handel und Konsum. Krason führt durch die Räume. Sie erzählt von Robotern, die konzipiert wurden, um Erntehelfer zu ersetzten. Funktioniert habe das bisher nicht, für die Maschinen ist es zu schwierig, die Früchte nicht zu zerquetschen. Noch ist die menschliche Hand nicht ersetzbar.

In der Zukunft, davon geht die Forschung aus, werden 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Darum sei die große Frage, wie das Essen zu den Menschen in die Städte kommen kann. Ein Beispiel ist in Miniaturform nachgebaut: eine schwimmende Kuhfarm. Die existiert bereits wirklich - vor Rotterdam mampfen Rinder ihr Heu inmitten des größten Tiefseehafens Europas.

Aber auch viel kleinere Tiere sind für die Zukunft der Ernährung aktuell höchst interessant: Mehlwürmer, Heimchen, Heuschrecken und alle ihre kriechenden Verwandten. Krason vergleicht das Essen von Insekten mit Sushi. Rohen Fisch essen? Das konnte man sich außerhalb Asiens noch vor einigen Jahrzehnten kaum vorstellen, heute ist Sushi weltweit beliebt. 

Einen Raum weiter geht es um den Anbau von Soja und Zucker - genau gesagt, um die kolonialgeschichtliche, dunkle Seite des Zuckeranbaus und die Schwierigkeit des unglaublichen Flächenbedarfs für Soja. Doch das Aufzeigen der Probleme sei nur eine Seite, sagt Krason. Man habe sich bemüht, auch Lösungsansätze zu vermitteln.

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Wie vernetzt und gleichzeitig fragil das Welternährungssystem ist, wird mittels auf die Wand gedruckter Schlagzeilen aus aller Welt gezeigt. In Steyr hat man die Schau so um die Auswirkungen des Ukraine-Krieges erweitert. Hunger sei schon immer als Kriegswaffe eingesetzt worden, erklären die Mitarbeiter des Museums.

Der nächste Raum holt das Thema Ernährung schließlich in den Alltag. Das passiert auf mitunter durchaus humoristische Art, mittels Social Media Videos etwa. Diese zeigen groteske Trends wie das Zerstampfen von Mahlzeiten oder Menschen, die sich beim Essen - konkret zum Beispiel dem Verzehr einer riesigen Portion Spaghetti - filmen. Ein Ergebnis der zunehmenden Individualisierung, ein Weg gegen das Alleinsein, oder doch nur ein Fetisch? Die Besucher können sich ihre eigenen Theorien bilden.

Bevor es zum Ende des Rundgangs noch einmal ins Bierzelt zurückgeht, wird noch einmal die Verbindung zur Arbeitswelt ganz klar. Und das ausgerechnet beim Thema Vegetarismus. Der galt ursprünglich als bürgerliches Konzept. Fleichverzicht konnte nur betreiben, wer es sich leisten konnte.

Doch siehe da, auch innerhalb der Arbeiterbewegung wurde durchaus für den Vegetarismus argumentiert, wie Schriften zeigen. Der Gedanke dahinter ist so klar, dass er die Besucher in seiner simplen Logik fast überrascht: Wer, wenn nicht die Arbeiter, verstehen, was es heißt, sich gegen die Ausbeutung von Lebewesen zu richten.

Future Food - Essen für die Welt von Morgen

Ab 16. Februar bis Sommer 2024 im Museum Arbeitswelt

Wehrgrabengasse 7, 4400 Steyr