Initiative: Firmen wollen Lehre „sexy“ machen
Von Patrick Wammerl
Die Corona-Pandemie?
„Wird hoffentlich bald einer Grippewelle ähneln.“
Der Krieg in der Ukraine? „Auch das Ende dieses unendlichen Leids ist absehbar.“
„Was uns aber die nächsten Jahrzehnte bleiben und massiv beschäftigen wird, ist der Fachkräftemangel im eigenen Land. Bis 2030 fehlen uns etwa eine halbe Million Facharbeiter“. Der Generaldirektor der Energie AG und Präsident der Initiative „Zukunft.Lehre.Österreich“, Werner Steinecker, sieht schwarz, wenn es um das Thema Fachkräfte geht.
Deshalb war er auch federführend dabei, als am Mittwoch bei der Firma List General Contractor in Bad Erlach (Bezirk Wiener Neustadt Land) die Ländergruppe „Zukunft.Lehre.Niederösterreich“ der branchenübergreifenden Initiative vorgestellt wurde.
Durch vernetzende Treffen, Öffentlichkeitsarbeit, Aktionswochen und mehr wollen die teilnehmenden Betriebe das Ansehen des Lehrberufs wieder heben. „Wenn du in der Schule nicht brav bist, schicken wir dich in eine Lehre.“ Von diesem Weg und Image müsse man wegkommen und den Lehrberuf „sexy“ machen, sind sich Steinecker und Theresa Ludwiger-List, die Vorsitzende der neuen Ländergruppe und Managing Director von List GC einig.
"Für Berufe begeistern"
16.299 Lehrlinge befinden sich zurzeit in Niederösterreich in der Ausbildung. „Demgegenüber stehen aber 45.000 offene Stellen, die nicht besetzt werden können“, schildert Lisa Gindl, von der Bildungsabteilung der nö. Wirtschaftskammer.
Es nutze nichts, die Energiewende bis 2030 auszurufen, wenn keine Fachkräfte vorhanden sind, um die Fotovoltaikanlagen auf die Dächer zu schrauben.
Dazu gab auch Andreas Niesner, Rauchfangkehrermeister aus Gerasdorf bei Wien, einen Einblick in die Zukunft der Lehrberufe: „Wenn wir die Energiewende umsetzen möchten, kommen wir ohne die entsprechenden Fachkräfte nicht vom Fleck. Wir müssen viele junge Menschen für jene Berufe begeistern, die derzeit dringend gebraucht werden.“
Bei List General Contractor machen aktuell 19 Mädchen und Burschen eine Lehre als Tischler, Tischlerei-Techniker, Lackierer oder Polsterer. Die Firma zählt am Weltmarkt zu den Top-Ausstattern für Luxus-Yachten und moderne Wohn- und Hotelresidenzen.
Der Ruf spricht sich herum. Es dürfte bei Jugendlichen „angesagt“ sein, bei so einem Dienstgeber zu arbeiten. Jonas Weiss aus Neudörfl im Burgenland ist 19 Jahre und seit 2018 als Tischlerei-Techniker für die Produktion bei GC List in der Ausbildung. Er bereut es keinen Tag.
„Es war auf alle Fälle die richtige Entscheidung, hier eine Lehre zu beginnen. Die Freunde und die Familie sehen das genauso“, meint Weiss. Über zu wenig Nachfrage von Lehrstellensuchenden kann sich die Firma nicht beklagen. Es gebe weit mehr Interessenten für die Lehrlingsausbildung als freie Plätze, hieß es beim Pressetermin am Mittwoch.
Lehre als erste Wahl
Wenn man selbst für die Ausbildung der Mitarbeiter sorgt, habe dies auch deutliche Vorteile, erklärt Ludwiger-List. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken, was die Qualität unserer Fachkräfte betrifft. Das sehen wir laufend bei unseren Baustellen wie etwa in London." Im Vergleich mit den Arbeitern aus anderen Ländern, trenne sich dort die Spreu vom Weizen.
Ganz wichtig ist für Steinecker, mit der Lehrlingsinitiative eines zu erreichen: „Wir müssen den Angehörigen von jungen Menschen klar machen, dass die Lehre nicht die zweite Wahl ist.“ Es bringe nichts, jeden bis zur Matura zu treiben. Vor allem wenn seine Talente ganz wo anders verborgen sind.
Um dem Lehrlingsmangel entgegenzuwirken, haben Betriebe ihre eigenen Konzepte. Der Personalchef der EVN, Wolfgang Maier, dazu: „Wir zeigen den Jugendlichen von Anfang an, wohin sie die Karriere bei uns führen kann. Wir fördern Talente, sodass auch mithilfe berufsbegleitender Weiterbildung der Sprung in eine Führungsposition möglich ist.“ Die EVN bildet aktuell 70 Lehrlinge aus.