Zerstörte Denkmäler und kein Ende
Archäologen in Syrien haben – seit dort Krieg herrscht – eine neue Job-Description: verpacken statt ausgraben. 90 Prozent der unwiederbringlichen Artefakte wurden aus Palmyra nach Damaskus gebracht – in Sicherheit. 400 Statuen lagern dort. Und warten auf bessere Zeiten. "Es wird nicht mehr so sein wie früher, aber man kann den Tempel des Baal wieder aufbauen", macht Maamoun Abdulkarim Hoffnung. Der Direktor der Antikenverwaltung Syriens berichtete heute per Videobotschaft in einer Pressekonferenz über die Zerstörung der Kulturgüter im Nahen Osten durch den IS.
800 Forscher aus 37 Ländern haben sich derzeit auf der weltweit bedeutendsten Konferenz zur Archäologie des Nahen Ostens in Wien versammelt. Sie befassen sich mit der aktuellen Bedrohung des Kulturerbes in der Region und stellen zukunftsweisende Schutzmaßnahmen vor.
Mit Bulldozern
Palmyra sei nur die bekannteste unter den zerstörten Stätten, sagt Abdulkarim. Auch in Apameia und Mari sei die Erde regelrecht durchlöchert. Und Dura-Europos sei zu 80 Prozent zerstört. "Da sind sie mit Bulldozern drübergefahren, um die maximale Zerstörung zu erreichen." Das ganze Land sei gefährdet, denn "Syrien ist ein Open-Air-Museum mit 10.000 archäologischen Stätten."
Für Archäologen auf der ganzen Welt ist die Zerstörung des kulturellen Erbes durch den IS "ein Albtraum", wie die österreichische Archäologin Barbara Horejs sagt. "Wir können zwar nicht gegen Bomben kämpfen, müssen aber doch irgendwie die Hoffnung aufrechterhalten." Und nachdem jetzt 800 Forscher auf einem Fleck beisammen sind, haben sie Maßnahmen beschlossen: "Örtliche Experten unterstützen, helfen bei Restaurierung sowie Dokumentation und natürlich auch mit Know-how und Geld einspringen", zählt Horejs auf. Damit es nicht beim Lippenbekenntnis bleibt, haben die Wissenschafter aus aller Welt es in einer Deklaration festgeschrieben (Vienna Statement, online nachzulesen: www.orea.oeaw.ac.at/).
Digitalisieren gegen Bomben
Initiativen, die auf die Digitalisierung von Artefakten abzielen, zeigen, was Wissenschaft leisten kann: Nach dem Ende der Konflikte sollen Bilder und Karten einen Wiederaufbau ermöglichen – oder zumindest die Erinnerung im Gedächtnis der Menschheit bewahren.
Denn: "Kultur ist eben nicht das letzte, was angesichts drängenderer Sorgen vernachlässigbar ist. Ihre Zerstörung trifft die lokale Bevölkerung und die Weltgemeinschaft direkt ins Herz", sagt Margaret van Ess, die Direktorin der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts. Und Giovanni Boccardi von der UNESCO ergänzt: "Attacken gegen Kultur sind immer auch Attacken gegen Menschen".
Die medial gekonnt inszenierte Zerstörung antiker Bauwerke entsetze uns wohl deshalb so sehr, weil wir die symbolische Dimension dahinter erahnen, glaubt Margarete van Ess: Es sei die "drastische Aufkündigung menschlicher Werte, die das Zusammenleben so vieler unterschiedlicher Kulturen seit Jahrtausenden möglich machen."
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