Kopfschmerzen bei Jugendlichen unterschätzt

Jedes fünfte Mädchen leidet mehrmals pro Woche unter Kopfschmerzen.
75 Prozent der 14- bis 19-Jährigen litten in den letzten drei Monaten darunter.

Sie verleiden ihnen das Fortgehen am Wochenende und führen oft zu vielen Fehltagen während des Schuljahres: Kopfschmerzen sind die häufigste gesundheitliche Beeinträchtigung von Jugendlichen – das zeigt eine Umfrage von meinungsraum.at (siehe Grafik). Gleichzeitig fühlen sich viele Jugendliche durch Eltern, Lehrer und Arbeitgeber nicht ausreichend ernst genommen. „Am schlechtesten ist es dann, zu Hause alleine zu leiden“, sagt der Neurologe Gregor Brössner von der MedUni Innsbruck, Präsident der Österr. Kopfschmerzgesellschaft – und dann noch unkontrolliert Kopfschmerzmittel einzunehmen.

Meist handelt es sich bei Jugendlichen um Spannungskopfschmerz oder Migräne. „Bei Spannungskopfschmerz empfehle ich keine Medikamente“, sagt die Kinderfachärztin und Neurologin Ulrike Rossegg. Die Patienten würden mit muskelentspannenden Therapien „gut zurechtkommen“.

Richtige Diagnose

Wichtig ist zunächst die richtige Diagnose – alleine dadurch stellt sich oft schon eine massive Erleichterung bei Patienten und Eltern ein. „Dann kommt eine individualisierte Therapie“, betont Brössner: „Das Ziel dabei ist aber nicht, möglichst viele Schmerzmittel zu verschreiben.“

Entsprechend den Leitlinien gebe es eine Reihe von Verfahren zur nicht-medikamentösen Vorbeugung von Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter:

Kopfschmerztagebuch Alleine das Dokumentieren der Schmerzen führt zu einer gewissen Reduktion der wahrgenommenen Intensität der Belastung bei den Patienten.

Entspannungsverfahren Autogenes Training und Verfahren zur Muskelentspannung seien enorm wichtig.

Biofeedback „Diese Verfahren versuchen unter physiotherapeutischer Anleitung die Muskelspannung zu senken“, sagt Brössner. „Sie sind genauso wirksam wie eine medikamentöse Therapie.“

Medikamente Gerade bei Migräne geht es oft nicht ohne. Aber niemals dauerhaft und unkontrolliert – das erhöht das Risiko, dass die Schmerzen chronisch werden. An maximal zehn Tagen pro Monat können Schmerzmittel eingenommen werden. Dann sind keine Abhängigkeit und relevante Nebenwirkungen zu befürchten.

Und die Kopfschmerzspezialisten sind optimistisch: Wenn die Diagnose stimmt und die Therapieempfehlungen befolgt werden, kommt es praktisch immer zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden.

www.initiative-schmerzlos.at

„Es gibt in Österreich einen großen Nachholbedarf bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Kopfschmerzen“, sagt der Neurologe Georg Brössner, Präsident der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft. So fehle es an spezialisierten Kinderkopfschmerzambulanzen in Spitälern.

Die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) wiederum machte am Dienstag generell darauf aufmerksam, dass der Bedarf an Neurologen in Zukunft stark steigen wird. 2035 werden in Österreich mehr als drei Millionen Menschen älter als 60 Jahre sein. „Die Neurologie ist ein Wachstumsfach“, betont die Neurologin Elisabeth Fertl, Präsidentin der ÖGN.

Jeder dritte Europäer ist einmal im Jahr beim Neurologen. „Wir brauchen ein dichtes Versorgungsnetz.“ Denn abgesehen von schon jetzt zu wenig Angeboten wie beim Kinderkopfschmerz, wird durch die längere Lebenserwartung die Zahl der Patienten mit neurologischen Erkrankungen deutlich zunehmen.

Kommentare