Wie das älteste Salzbergwerk der Welt virtuell zugänglich wird

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Dem Laserscanner sei dank: Eine Computersimulation macht die Lebenswelten der Knappen lebendig.

Hans Reschreiter bastelt gerade an seinem Holodeck. "Fast wie auf der Enterprise", lacht er. Das klingt ungewöhnlich aus dem Mund eines Prähistorikers. Doch der Forscher vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) hat einen Hightech-Plan: Er will in Hallstatt einen gläsernen Berg schaffen und das älteste Salzbergwerk der Welt virtuell zugänglich machen.

"Wenn man nach Hallstatt kommt, ist da zwar dieses wunderschöne Hochtal, man sieht aber nicht, dass wenige Zentimeter unter der Erde das Weltkulturerbe anfängt", sagt er. Es sei schwierig, das alles zu vermitteln und zu schützen. Das unterirdische Weltkulturerbe besichtigen? Funktioniert vielfach nicht einmal im Rahmen von Spezialführungen. Zu eng und gefährlich seien die Uralt-Stollen.

Das will Reschreiter, der den ältesten Industriebetrieb der Welt seit vielen Jahren erforscht, jetzt ändern: "Unser Ziel ist es, dass man über Handy oder riesige Durchlicht-Monitore, die in Hallstatt aufgebaut werden sollen, einen virtuellen Flug ins Tal machen kann, durch Stollen in den Berg schwebt und die prähistorischen Fundstellen im Vorbeiflug besichtigt."

Lebenswelten der Bergleute

Man könne sich für jede Epoche entscheiden, zum Beispiel ins Jahr 1000 v. Chr. zoomen. "Dann fliegt man in den bronzezeitlichen Stollen. Man sieht, wo überall Bergleute zu den verschiedenen Zeiten gearbeitet, und wo die Prähistoriker ihre Spuren gefunden haben." So kann der Besucher in die Lebenswelten der Bergleute eintauchen (unten).

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Von allen Seiten soll man in der Simulation Fundstücke betrachten und Hintergrundinfos erhalten. Zum Beispiel zum ältesten Rucksack Europas, der um 600 v. Chr. von den Knappen im Salz zurück gelassen wurde (unten);
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oder zur Holzstiege, deren Fichtenholz 1344 v. Chr. geschlagen worden ist (unten);
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zu perfekt konservierten Schuhen und Kappen, Textilien, dicken Seilen aus Lindenbaststreifen, Werkzeugen und Hunderten Exkrementen der Bergleute. Mehr als 100 Fund-Stellen haben die Forscher bisher im Bergwerk entdeckt.

Interaktives Infotainment – eine Reise durch die Zeit – das schwebt Reschreiter vor. In zwei bis drei Jahren könnte es so weit sein, hofft er und präsentiert ab morgen bei der alljährlichen Veranstaltung "Archäologie am Berg" (20. und 21.8. am Salzberg Hallstatt) einen Vorgeschmack: "Wir zeigen, wo wir gerade stehen, mit welchen Methoden wir arbeiten und wo wir hinwollen."

3-D-Modelle

Die Wissenschaftler präsentieren, wie die Stollen und Abbaukammern der prähistorischen Bergleute vermessen, dreidimensional aufgenommen und wie aus vielen Einzelbildern in kurzer Zeit 3-D-Modelle berechnet werden (unten).

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Damit es nicht zu technisch wird, kommt auch die experimentelle Archäologie nicht zu kurz. Nach dem einzigen wirklich nachgewiesenen prähistorischen Rezept, das wir in Europa kennen, wird Ritschert, ein Eintopf, gekocht und gekostet. Außerdem wird der Hallstätter Ur-Rucksack aus einer Ziegenhaut nachgebaut. Und weil Prähistoriker Reschreiter die Lebenswelten von damals nachvollziehbar machen will, plant er am Wochenende auch, Bronzespitzen zu gießen – ganz so, wie sie die Knappen zum Salzabbau verwendet haben. Und er hofft auf willfährige Besucher. "Die sollen mit den Bronzepickeln das Salz abbauen", sagt er.

Wozu? Erkenntnisgewinn! Damals wie heute werden die Pickel rasch stumpf und müssen nachgeschliffen und schließlich eingeschmolzen werden. Reschreiter will wissen, wie viel Bonze damals beim Salzabbau verbraucht wurde. Diese Erkenntnis soll in eine Betriebskalkulation einfließen: "Wie viel Leute arbeiten dort? Wie viel müssen sie essen? Welchen Bedarf an Kleidung haben Sie? Wie viel Kupfer müssen sie nachkaufen? Wie viel Brennholz wird benötigt? Und wie viel Salz kommt dabei raus?" Nur so könne er den Bergbau als Computersimulation wieder aufleben lassen. "Wir wollen wissen, wie dieses Bergwerk im Jahr 1211 v. Chr. funktioniert hat."

... Hallstatt seit 1997 Weltkulturerbe ist? Die Region sei "von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung, die Zeugnis von der frühen und kontinuierlichen menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Tätigkeit" ablege. So steht es in der UNESCO-Begründung. Auf 928 Meter Seehöhe, weit über dem Salzkammergut, verbirgt sich nämlich ein Uralt-Bergwerk.

... hier seit 5000 v. Chr. Salz abgebaut wird? Davon zeugt das bisher älteste Stück – ein jungsteinzeitlicher Pickel aus Hirschgeweih.

... in alten Zeiten alles gegen Salz getauscht werden konnte? Und Hallstatt war lange d i e Salz-Metropole. Im weiten Umfeld – bis nach Polen, Siebenbürgen und in die Toskana – gab es keine anderen Anbieter. Die Ur-Oberösterreicher schlugen riesige Hallen aus dem Berg (unten),

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transportierten das Salz mit Körben und Seilen ins Tal und versorgten halb Europa. Der Betrieb im Hochtal über Hallstatt muss also Kontakte in alle Himmelsrichtungen gehabt haben. Dass Forscher heute so viel über den ältesten Industriebetrieb der Welt wissen, ist auch dem Salz zu danken: Denn alles, was die Bergleute vor Jahrtausenden liegen gelassen haben, wurde hier konserviert.

... nur zehn bis 20 Leute in der Bronzezeit ständig dort oben arbeiteten und den Salzabbau am Laufen hielten? Dass wissen die Archäologen aus Computersimulationen. Basis war die große Halle, die von den Knappen durch den Salzabbau ins Bergwerk geschlagen wurde. Mit Experimenten haben die Forscher festgestellt, wie lange es braucht, um eine gewisse Menge Salz zu brechen, zu transportieren und schließlich eine so große Halle entstehen zu lassen.

... der Bergbau ein Family-Business war? Forscher haben im Bergwerk eine Kappe gefunden, die so klein ist, dass sie nur einem Säugling passen konnte. Kinder arbeiteten ab fünf mit, Frauen trugen das Salz nach oben. Woher man das weiß? Abnutzungsspuren an den Knochen verraten es.

... die Prähistoriker sogar Speisereste gefunden haben? Der Speiseplan der Bergleute blieb mehr als tausend Jahre unverändert: Hirse, Gerste und Saubohnen wurden nachgewiesen – nach ihrem Weg durch den Darm. Ja, auch das wurde vom Salz konserviert.

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