"Medikamente so schnell liefern lassen wie Pizza"

Paketübergabe bei Zustellung. Binnen drei Stunden soll die Bestellung beim Kunden sein.
Heimische Apotheken wollen mit rascher Zustellung und Beratung gegen ausländische Versender punkten.

Eine plötzliche Magenverstimmung oder ein kränkelndes Kind in der Nacht? Wer rasch Medikamente benötigt, muss nicht mehr die nächstgelegene Nacht-Apotheke suchen. Ab Donnerstag dürfen heimische Apotheken rezeptfreie Arzneimittel auch versenden. Das Wiener Start-up ApothekenLieferservice.at legt ab 1. Juli mit einem Rund-um-die-Uhr-Service inklusive Wochenende los: "Medikamente so schnell liefern lassen wie Pizza", so das Credo laut Aussendung.

"Medikamente so schnell liefern lassen wie Pizza"
In Kooperation mit der Albarelli Apotheke in Wien-Döbling werden Online-Bestellungen in Wien per Botendienst innerhalb von zwei Stunden nach Hause zugestellt. Liefergebühr: 4,90 Euro. "Ich denke, der Bedarf ist groß. Wir machten im Nachtdienst die Erfahrung, dass der Gang zur Apotheke nicht immer möglich ist", erläutert Apothekerin Ulrike Sommeregger. Sie rechnet daher mit einer großen Nachfrage.

Auf rasche Zustellung von Aspirin & Co. – innerhalb von Wien auch per Fahrrad-Boten – setzt auch der Online-Shop beavit.at der Wiener Urania Apotheke. "Wir konnten bereits seit 2013 einen Kundenstock aufbauen und erweitern jetzt das Sortiment", erzählt Plattform-Betreiberin Pia Baurek, die mit dem Online-Handel ein zweites Standbein zur stationären Apotheke aufbauen möchte. Dafür wurden eigens Mitarbeiter angestellt. Das Sortiment ist umfassend, geliefert wird österreichweit.

Beavit.at ist eine von aktuell sechs Versandapotheken, die bereits beim Verzeichnis des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) registriert sind und daher das offizielle "Sicherheits-Logo" führen dürfen. Ein solches Logo soll künftig auch EU-weit gelten.

Strenge Auflagen

Die Zertifizierung soll Konsumenten vor dubiosen Anbietern und gefälschten oder verbotenen Medikamenten schützen und ist an strenge Auflagen gebunden. So muss etwa eine Kundenberatung angeboten werden und der Versand muss in Paketen erfolgen, die den Inhalt nicht erkennbar machen.

Diese Auflagen, jährliche Gebühren und ein hoher Logistik-Aufwand schrecken aber auch viele Apotheker davon ab, groß in den Versandhandel einzusteigen. BASG-Chefin Christa Wirthumer-Hoche rechnet nur mit rund 50 heimischen Anbietern. Die registrierten Versandapotheken finden Sie hier.

Gedämpfte Erwartung

Die Apothekerkammer, die dem Internet-Handel eher skeptisch gegenübersteht, baut zwar über den Apothekennotruf für Wien (1455) ebenfalls ein Zustellservice via Taxi und Fahrradboten auf, dämpft aber die Erwartungen. In Deutschland seien von 3000 registrierten Versandhändlern letztlich nur 150 übrig geblieben, wobei 90 Prozent des Umsatzes auf nur 30 Anbieter entfalle. Der Versandhandelsanteil bei rezeptfreien Arzneien beträgt dort 13 Prozent.

In Österreich wird rund eine halbe Milliarde Euro mit rezeptfreien Medikamenten umgesetzt, wobei rund vier Prozent auf den Versandhandel entfallen. Schon seit einigen Jahren wird Österreich von großen Versendern wie Zur Rose, MyCare oder Vamida aus dem benachbarten Ausland beliefert. Als Diskontanbieter bieten sie auf einzelne Produkten Preisnachlässe von bis zu 40 Prozent, womit heimische Apotheken nur schwer konkurrieren können.

Vertrauen

Diese wollen daher mit Nähe und Vertrauen punkten. "Ich möchte vor allem meinen bestehenden Kunden ein zusätzliches Service anbieten und auf das veränderte Kaufverhalten bei den Jungen reagieren", sagt Christina Kletter von der Wiener Auge Gottes Apotheke, die ebenfalls schon registriert ist. Die Preise im Online-Shop sind nur vereinzelt billiger als in der Apotheke, doch Kletter geht es auch ums Prinzip: "Wir hatten im Versandhandel bisher eine totale Inländerdiskriminierung, was ich nie eingesehen habe", nennt sie ihre Beweggründe für den Internet-Einstieg. In Deutschland wurde das Versandhandelsverbot für Apotheken schon 2004 aufgehoben.

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