Agrana-Chef: "Knapp vorm Erreichen des Tiefpunkts"

Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der Agrana Beteiligungs-AG.
Die Preise sind massiv gesunken. Die Branche bereitet sich auf das Auslaufen der EU-Zuckerquoten vor.

Wegen der niedrigen Zuckerpreise sinken die Margen von Zuckerproduzenten und Rübenbauern. Der Generaldirektor des Lebensmittelkonzerns Agrana, Johann Marihart, rechnet aber mittelfristig mit höheren Preisen. Im Gegensatz zu anderen Zuckerproduzenten hat die Agrana mit Stärke und Frucht zwei zusätzliche Bereiche, die Gewinne abwerfen.

KURIER: Die Zuckerquote, die den Absatz der europäischen Produzenten in der EU regelt, läuft Ende September 2017 aus. Ist die Liberalisierung sinnvoll?

Johann Marihart: Für Zucker gibt es fast nirgends einen freien Markt. Üblich sind Quoten, Quersubventionen oder Exporthilfen. Wenn die EU-Zuckermarktordnung ausläuft, haben wir eines der wenigen liberalen Systeme. Was sich derzeit am EU-Markt abspielt, ist die Vorbereitung auf dieses Auslaufen der Zuckerquote.

Wie bereiten sich die Zuckerproduzenten auf die Marktliberalisierung vor?

Jeder versucht, Marktanteile zu besetzen. Die derzeit sehr niedrigen Zuckerpreise freuen weder die Rübenbauern noch die Zuckerproduzenten. Selbst die USA haben bei den TTIP-Verhandlungen bereits deponiert, dass Zucker für sie ein sensibles Produkt ist. Sie sind da nicht bereit, etwas aufzugeben.

Die Zuckerpreise sind weltweit im Keller. Wird das so bleiben?

Agrana-Chef: "Knapp vorm Erreichen des Tiefpunkts"
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Wir sind knapp vor dem Erreichen des Tiefpunktes. Der Zuckerpreis lag im Dezember bei rund 430 Euro pro Tonne ab Werk. Das ist um rund 300 Euro pro Tonne tiefer als vor einem Jahr. Maximal die Hälfte der Differenz kann durch Rohstoffkosten kompensiert werden. Die Rübenpreise sind gesunken, aber bis 2017 gibt es Mindestpreise, die von der EU vorgegeben werden. Die Quartalsergebnisse der Zuckerbranche sind daher europaweit rot.

Wird in Europa zu viel Zucker produziert?

Der Verbrauch in Europa liegt bei knapp über 17 Millionen Tonnen. Es gab eine Rekordernte mit über 19 Millionen Tonnen. Die europäischen Zuckerproduzenten dürfen in Europa aber nur Quotenzucker, das sind 13,3 Millionen Tonnen, vermarkten. Der Rest des Bedarfs in Europa soll durch zollfreie Importe aus dem ,Alles außer Waffen-Abkommen‘ und den am wenigsten entwickelten Staaten sowie aus ausgewählten Staaten wie Peru oder Serbien abgedeckt werden. Wegen der niedrigen Preise liefern diese Länder aber nur, wenn sie keine besseren Absatzmärkte haben.

Welche Auswirkungen hat die Reform auf Österreich?

Die Rübe ist in vielen Regionen nicht mehr die beste Frucht, aber nach Getreide oder Mais immer noch die zweitbeste. Grundsätzlich ist Österreich ein gutes Produktionsland. Die Reform wird daher nicht zu Abschmelzverlusten führen. Die Erlöse über dem Kostenniveau werden 50 zu 50 zwischen Zuckerhersteller und Rübenbauern aufgeteilt. Heuer gibt es allerdings nichts über dem EU-Mindestpreis. Im Vorjahr war es deutlich besser. In Österreich werden etwa 500.000 Tonnen Zucker produziert. 300.000 werden im Inland verbraucht, der Rest wird exportiert.

In welchen Regionen Europas wird sich die Zuckerproduktion nach Auslaufen der Quote nicht mehr rentieren?

Das betrifft am ehesten jene Produktionsgebiete, die noch in Spanien, Italien und Griechenland verblieben sind. Auch in Ungarn, Rumänien und der Slowakei wird der Druck steigen. Aber nach der neuen Agrarmarktordnung dürfen die Mitgliedsstaaten bis zu 13 Prozent der Direktzahlungen für Zweckwidmungen verwenden. Ungarn, Slowakei, Polen und Rumänien haben bei den Rüben davon Gebrauch gemacht. Die gekoppelten Zahlungen können bis zu einem Drittel des Preises pro Tonne ausmachen.

Welche weiteren Ausnahmen beim Freihandelsabkommen mit den USA sind im Agrarbereich wahrscheinlich?

EU-Agrarkommissar Phil Hogan nannte Rindfleisch, Stärke, Reis und Zucker als sensible Bereiche, in denen es wahrscheinlich Schutzmaßnahmen geben wird. Zur Stärke gehört auch der Alkohol. Die USA dominieren mit ihrer Stärkeindustrie den Markt. Amerikanischer Alkohol ist ein Problem für die europäische Ethanolindustrie.

Umsatz Wegen des Preisverfalls beim Zucker ging der Umsatz in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres von 2,26 auf 1,91 Mrd. Euro zurück.

Geschäftsbereiche Neben Zucker werden Fruchtsaftkonzentrate für die Getränkeindustrie und Fruchtzubereitungen, vor allem für Molkereiprodukte, hergestellt. Das dritte Standbein Stärke wird von der Nahrungsmittel- und der Papierindustrie verwendet. Die Bioethanolerzeugung gehört auch zu diesem Segment.

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