Die Debatte ums synchrone Menstruieren

Studien, die belegen, dass sich der weibliche Zyklus synchronisiert, wurden widerlegt.
Urbaner Mythos oder Geniestreich der Evolution? Ob sich der weibliche Menstruationszyklus durch engen Kontakt tatsächlich synchronisiert, gilt seit Jahrzehnten als umstritten.

Zusammen zu menstruieren, das ist eine Frage der Empathie – und damit ein romantisches Konzept, das von Freundinnen auf der ganzen Welt seit Jahrzehnten kultiviert wird. Fragt man Frauen danach, ob sie schon einmal zusammen mit ihrer besten Freundin die Regel hatten, so wird demnach der Großteil dies bejahen. Untermauert wird das von einer Studie aus dem Jahr 1999. Diese ergab, dass 80 Prozent der Frauen an die synchrone Menstruation glauben. Stellt man einer Gruppe von Wissenschaftern dieselbe Frage, so fällt die Antwort deutlich diverser aus. In der Forschung ist man sich über das Bluten im Gleichklang nämlich ganz und gar nicht einig.

Martha McClintock: Pionierin der synchronen Periode

Die Debatte rund um die Tendenz der Übereinstimmung weiblicher Zyklen geht auf Martha McClintock zurück. In den 60er-Jahren wurde die Psychologie-Studentin durch Forschungen an Mäusen über die mögliche Steuerung des Eisprungs durch Pheromone aufmerksam. Knapp zehn Jahre später machte sie schließlich die Probe auf Exempel. In einer Studie unter 135 Frauen konnte McClintock 1971 belegen, dass sich die Zyklen von Frauen, die zusammen leben, tatsächlich anpassen. Im Zuge ihrer Untersuchung befragte sie Studentinnen ihres eigenen Wohnheims am Campus des Wellesley College in Massachusetts. Es zeigte sich, dass eng befreundete Frauen nach den Sommerferien in einem zeitlichen Abstand von sechseinhalb Tagen menstruierten. Während des Semesters, sprich sieben Monate nach den Ferien, waren es nur mehr viereinhalb Tage. In der Kontrollgruppe bestehend aus zufällig ausgewählten Frauen ohne Verbindung blieb der Abstand von zehn Tagen konstant.

Somit galt es zum damaligen Zeitpunkt als bewiesen, dass Botenstoffe nicht nur bei Tieren, sondern auch beim Menschen zu Verschiebungen des Eisprungs führen können. Seither hat sich vieles verändert und McClintocks wissenschaftlicher Beleg hat an Gültigkeit verloren.

1998 versuchte sich McClintock in einer Replik ihrer Studie. Dafür trugen neun Frauen in unterschiedlichen Phasen ihres Zyklus für einen Tag Wattebäusche unter den Achseln, die ihren Schweiß und die darin enthaltenen Pheromone auffingen. Mit diesen Bäuschen wurde wiederum 29 anderen Frauen über die Oberlippe gewischt. Die Pheromone verlängerten (produziert während des Eisprungs) bzw. verkürzten (produziert vor dem Eisprung) den Zyklus der Frauen, je nachdem wann die Duftstoffspenderinnen den Schweiß abgesondert hatten. Aufgrund der kleinen Stichprobe gilt auch diese Untersuchung als umstritten. Und dennoch: Im gesellschaftlichen Gedächtnis hält sich die Annahme, dass sich die weibliche Regelblutung automatisch synchronisiert, hartnäckig.

Generationsübergreifende Täuschung

Obwohl es viele Studien gibt, die zu ähnlichen Ergebnissen kamen oder dem Phänomen gar evolutionäre Relevanz unterstellten, gibt es weitaus mehr Untersuchungen, die McClintocks Befunde widerlegen. Zudem postulieren Kritiker, dass McClintocks Studie gemessen an heutigen wissenschaftlichen Standards große statistische und methodische Schwächen aufweise.

So zeigte beispielsweise eine Studie mit Frauen aus West-Afrika, die traditionell während ihrer Periode zusammen in Hütten leben, keinerlei Synchronisationseffekt. Auch Studien mit lesbischen Paaren oder Sportlerinnen eines Basektballteams kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Was diese Studien allesamt beweisen konnten, ist das der weibliche Zyklus aufgrund von verschiedensten Einflussfaktoren stets enormen zeitlichen Schwankungen unterworfen ist. Daraus ergibt sich wiederum der fälschliche Eindruck, dass sich die Zyklen angleichen würden. Tatsächlich kommt es jedoch nur zu natürlichen Überlappungen. Um die eine statistische Schwierigkeit zu eliminieren, müsste man Frauen untersuchen, die allesamt eine konstant gleiche Zykluslänge aufweisen. In der Realität ist dies ohne hormonellen Einfluss, beispielsweise durch die Pille, jedoch nicht möglich.

Folgende Rechnung verdeutlicht diese Erkenntnis: Ist der durchschnittliche Monatszyklus einer Frau 28 Tage lang, dann ist der größte mögliche Abstand, der zwischen dem Menstruationsbeginn zweier Frauen liegen kann, 14 Tage. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Differenz von sieben Tagen, die Hälfte der Zeit beträgt der Unterschied weniger als sieben Tage, in der anderen mehr. Diese Tatsache kann zu der subjektiven Wahrnehmung einer zeitgleichen Periode führen.

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