Von versickerten Milliarden und anderen Problemen

Kampf gegen den Unrat: 17 schwimmende Barrieren sollen den ärgsten Dreck abhalten, doch sie helfen nicht gegen Viren und Bakterien.
Mario Moscatelli ist der hartnäckigste Kritiker der Verschmutzungen in Rio. Alle paar Tage fährt er durch die Lagunen und nimmt Proben.

Mario Moscatelli ist der hartnäckigste Kritiker der Verschmutzungen in Rio. Alle paar Tage fährt er durch die Lagunen und nimmt Proben.Im Stadtteil Barra ist vom Boot aus der Olympiapark mit den neuen Sportstätten von Rio de Janeiro zu sehen, er liegt direkt an dem Gewässer. "Eigentlich ist jede Lagune gleich", sagt Mario Moscatelli. Von überall her werden Fäkalien und anderes eingeleitet. Kläranlagen? Mangelware. Die Olympia-Teilnehmer werden aber vom widerlichen Gestank und von den Dingen, die so im Wasser schwimmen, nichts mitbekommen. Hier finden keine Wettkämpfe statt.

Andere Realität

Aber für Moscatelli ist die Lage besonders dramatisch, weil hier daher auch gar nichts passiere. Die Rio-Organisatoren sagen, die Wasserqualität sei nun vor allem in der Guanabara-Bucht, wo gesegelt wird, in Ordnung. "Sie leben in einer anderen Realität als ich."

In der Guanabara-Bucht ist eine Fahrt mit dem Boot oft ein Ausweichen vor allerlei Unrat, bis hin zu einem toten Hahn. Die Krallen nach oben, die Flügel ausgebreitet. In Sichtweite der Zuckerhut.

Wenn man nicht ins Wasser schaut: ein malerisches Ambiente. Nur: Die Fischer hier verlieren ihre Lebensgrundlage – immer wieder werden Tonnen an toten Fischen angespült. Dabei lautete beim Zuschlag 2009 das große Versprechen: Alles wird besser – bis zu 80 Prozent des Wassers in der Bucht werden behandelt und gesäubert.

Davon hat man sich längst verabschiedet – und setzt auf das, was Rio am besten kann: Improvisation. Ein Rohrsystem wurde installiert, um zumindest das Einlaufen von ungeklärtem, kontaminiertem Abwasser in die Marina da Gloria zu verhindern, den Startort der Segler.

Dann setzt man einfach auf etwas Glück mit dem Wetter: Weniger Regen und Strömung bedeuten weniger Anschwemmen von Abfällen. Ein Helikopter soll jeden Tag die aktuelle Strömung analysieren, damit die Besatzungen von zwölf "Öko-Booten" wissen, wo am meisten Müll aus dem Wasser geholt werden muss. Zudem gibt es nach Angaben eines Rio2016-Sprechers nun auch noch 17 schwimmende Barrieren, die Unrat abhalten.

Neulich wurde sogar ein Teil der Bucht zum Schwimmen freigegeben, das gab es schon lange nicht mehr. Vielleicht eine PR-Maßnahme: Immer wieder wurden gefährliche Super-Viren und schädliche Bakterien im Wasser nachgewiesen.

Andere Versprechen

Seit 20 Jahren kennt Moscatelli jedes Gewässer der Millionenstadt, er sieht die Maßnahmen als kosmetisch und wenig nachhaltig. "Sie haben uns einen Porsche versprochen und geben uns ein Dreirad für Kinder", wettert er. Wie die Bedingungen letztlich seien, hänge allein vom Wetter ab. "Bei hohem Wasserstand und Sonne kann es gut aussehen, bei Wind und Regen wird es aber schwierig."

Der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, Dawid Bartelt, meint mit Blick auf die Guanabara-Bucht: "Es fließen 18.000 Liter ungeklärte Abwässer pro Sekunde hinein." Japan und die USA stellten bereits vor einigen Jahren über eine Milliarde US-Dollar für Schutzmaßnahmen bereit, zum Beispiel für den Bau von Kläranlagen in der Bucht. "Aber mehrere der Anlagen wurden dann gar nicht an die Kanalisation angeschlossen", kritisiert Bartelt.

Moscatelli sagt, Finanzhilfen für Abwasser- und Klärsysteme seien versickert. In dunklen Kanälen. Wer am Flughafen ankommt und über eine Schnellstraße fährt, die durch eine Lagune führt, sollte das Fenster nicht öffnen. Das ist Rios Visitenkarte. Die Lagune Rodrigo de Freitas, wo im Schatten des Cristo bei Olympia gerudert wird, macht mindestens ein Mal im Jahr mit einem dramatischen Fischsterben Schlagzeilen.

Aber auch hier sind jetzt Öko-Schiffe im Einsatz, laut Moscatelli ist die Situation hier noch am besten. Zwar ist alles suboptimal, aber die Sportler werden hier antreten müssen. Die große Frage ist, was passiert, wenn sie wieder weg sind und wegen der Olympia-Kosten das Geld knapp sein wird ...

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