„Rapid-Trainer – dafür lebe ich“

Fussball, Zoran Barisic, Rapid Wien Bild zeigt Zoran Barisic copyright Stefan Sigwarth, Tel. 0676/722 37 47
Von Fehlern und Philosophien: Zoran Barisic über seine Entwicklung, die Medien und sein Image.

Stürmisch geht es bei Rapid vor dem Spiel bei Sturm in Graz (16 Uhr, ORFeins, Sky live) zu. Nach dem 2:2 im Derby und dem 1:3 gegen Salzburg steigt der Druck im Kampf um die fix eingeplante Europacup-Qualifikation.

Zoran „Zoki“ Barisic will Platz drei unbedingt verteidigen. Damit wäre auch seine Zukunft als Rapid-Trainer abgesichert. Anders als 2011 macht sich der 42-Jährige öffentlich rar. Dem KURIER gibt Barisic sein erstes ausführliches Interview seit dem Amtsantritt am 17. April.

KURIER: Auf Rapid warten fünf Entscheidungsspiele. Auch für jeden der Gegner wird es um sehr viel gehen. Wie gehen Sie damit um?
Zoran Barisic: Eigentlich sollte es ab der ersten Runde immer um alles gehen. Ich halte nichts davon, bei einzelnen Spielen zu rechnen, dass diese weniger wichtig wären.

Was wollen Sie der Mannschaft langfristig mitgeben, wenn Sie das aktuelle Ziel Europacup-Qualifikation schaffen?
Wir sind bei Rapid. Da muss der Anspruch sein, in jeder Partie das eigene, selbst kreierte Spiel durchzusetzen und wenn möglich damit zu gewinnen. Gewinnen, egal wie? Nein, das ist nicht meine Philosophie.

Wie können Sie bei Rapid Ihre Spielphilosophie vermitteln?
Dafür braucht man Zeit und intelligente Spieler. Das Zweite haben wir auf jeden Fall – sie lernen schnell.

„Rapid-Trainer – dafür lebe ich“
Fussball, Zoran Barisic, Rapid Wien Bild zeigt Zoran Barisic copyright Stefan Sigwarth, Tel. 0676/722 37 47
Sie haben Rapid zum zweiten Mal in einer sehr heiklen Situation übernommen. Wie gehen Sie mit dem Stress und den vielen anstehenden Personalentscheidungen um?
Man muss stressresistent sein und dabei kurz-, mittel- und langfristig planen. Es gibt sehr viele intensive Gespräche. Die Zusammenarbeit mit Helmut Schulte ist eng. Er ist sehr intelligent und ich habe größten Respekt vor ihm. Bei der Kaderplanung geht es um eine gewisse Philosophie, aber auch um den sehr engen finanziellen Rahmen.

Sie haben vor zwei Jahren im KURIER gesagt: „Es ist wie im Dschungel – nur der Stärkere bleibt übrig.“ Ist der Fußball wirklich so brutal? Und wenn ja: Warum sollte gerade Rapid in den Europacup kommen?
Es ist definitiv so, nicht nur im Fußball. Um die Ziele zu erreichen, ist es nötig, dass es neben dem schellen Lernen und dem Teamgeist auch noch mehr Glauben an unsere Spielidee gibt.

Ihr Assistent Carsten Jancker meint, er hätte bei Ihnen seit 2011 eine große Entwicklung festgestellt. Ist dem so?
Ich bin älter und dadurch nicht dümmer geworden. Meine Spielphilosophie war immer schon in meinem Kopf, dazu sind Erfahrungen gekommen. Ich habe in den zwei Jahren bei den Amateuren gemerkt, dass ich unter schweren Bedingungen einzelne Spieler und eine Mannschaft entwickeln kann. Das gibt mir das Vertrauen, diese Aufgabe zu schaffen.

Sie haben noch ein Jahr bis zum Abschluss Ihrer UEFA-Pro-Lizenz als Trainer vor sich. Wo werden Sie hospitieren?
Bei einem Klub, bei dem Erkenntnisse für die Entwicklungsprozesse in einem Verein möglich sind. Manchester City oder Chelsea würden nur oberflächlich etwas bringen, weil das eine andere Welt als Rapid ist. Da würde Basel schon besser passen.

Sie bekommen medial einiges ab. Wie gehen Sie damit um?
Ich ärgere mich schon über einiges. In Österreich wird das meiste viel zu oberflächlich betrachtet. Ich will mich schützen, in dem ich möglichst wenig lese und meinen Fokus nur auf die Mannschaft lege.

Ist das als Rapid-Coach möglich?
Zum Teil. Natürlich habe ich öffentliche Termine wahrzunehmen. Ich liebe ja auch diesen Beruf. Rapid-Trainer – dafür lebe ich. Aber es war ein Fehler, dass ich mich 2011 von einem Medientermin zum nächsten habe schieben lassen. Jetzt ist das anders.

„Rapid-Trainer – dafür lebe ich“
Fussball, Zoran Barisic, Rapid Wien Bild zeigt Zoran Barisic copyright Stefan Sigwarth, Tel. 0676/722 37 47
Vor zwei Jahren haben Sie gesagt, dass sich Ihre Töchter erst an die öffentliche Version des Vaters gewöhnen müssten.
Sie waren 14 und 17 Jahre alt und sind damals in die Polgarstraße gegangen, das war eine Kooperationsschule der Austria. Sie sind gehänselt worden. Nicht nur von Mitschülern, sondern auch von Professoren. Das war der ganz bittere Beigeschmack der ersten Amtszeit. Jetzt sind sie schon älter und können sich mit meiner Aufgabe auch besser identifizieren.

Warum hat es sportlich 2011 nicht geklappt?
Ich habe alles erleben dürfen: Vom Hype bis zum Platzsturm. Der Knackpunkt war das verlorene Cup-Semifinale in Ried. Wenn wir ins Finale gegen Lustenau gekommen wären und das gewonnen hätten, wären die Probleme im Verein aber nur vertagt worden. So ist in dieser extremen Drucksituation die Unzufriedenheit plötzlich an allen Ecken zum Vorschein gekommen.

Warum setzen Sie jetzt auf vier Assistenten und damit auf das größte Betreuerteam in der Vereinsgeschichte?
International sind noch größere Teams üblich. Je mehr Kompetenz mit dabei ist, umso lieber ist es mir. Wichtig ist, dass meine Trainer 24 Stunden für mich da sind, mitleben, aber auch kritisch sind und ihre eigene Meinung vertreten. Sie sollen selbstständig arbeiten und neue Ideen einbringen.

Wie mühsam ist es, gegen Ihr Image als Kumpel-Typ anzukämpfen?
Wer das verbreitet, kennt mich nicht wirklich gut und beschäftigt sich nicht mit der Materie. Das Wichtigste ist Respekt voreinander. Die Spieler sollen aber auch wissen, woran sie sind. Ich sage ihnen ehrlich meine Meinung. Der Umgang wird immer locker-ernst sein. Nie nur locker, nie nur ernst.

Wann tun Sie sich im Umgang mit den Spielern schwer?
Es tut mir weh, wenn ich einen Spieler auf die Tribüne setze. Da denke ich an Vicente Del Bosque. Der wurde Welt- und Europameister und sagt: „Wenn der Schiedsrichter abpfeift, sind meine Gedanken bei den Spielern, die nicht auf dem Feld waren.“ Das sagt sehr viel aus.

Bilder vom Bundesliga-Samstag

Zoran "Zoki" Barisic kam 1970 in Wien auf die Welt, sein Geburtstag am 22. Mai fällt auf den Tag des Platzsturms. 1997, ein Jahr nach dem Meistertitel und dem Einzug ins Europacup-Finale, wurde er bei Rapid rausgeworfen.

In Tirol wurde der Mittelfeldspieler endgültig zum Libero und drei Mal Meister. 1999 kam das Einwanderer-Kind als erstes Gastarbeiterkind in Österreichs Nationalteam. Der ehemalige Pacult-Assistent sprang von April bis Mai 2011 als Chefcoach ein. Am 17. April folgte der 42-Jährige auf Peter Schöttel.

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