"Wurde behandelt wie einer, der jemanden umgebracht hat"

Marc Janko traf für Basel zuletzt im Doppelpack.
Marc Janko über seine Zeit bei Trabzonspor, Sturheit und Leidenschaft, Wege und Umwege zum Erfolg.

Noch erstaunlicher als Marc Jankos Torinstinkt ist seine Fähigkeit, Rückschläge zu meistern. Ein Gespräch über Sturheit und Leidenschaft, Wege und Umwege zum Erfolg.

Herr Janko, Sie sind jetzt 32, rein wirtschaftlich ginge sich ein Karriere-Ende schon aus. Und es gibt sicherlich manche Tage, an denen Ihr Körper nach zwei Jahrzehnten Spitzensport keine Lust auf Fußball hat. Warum tun Sie weiter?

Marc Janko: Das ist ganz einfach: weil ich wahnsinnig gern Fußball spiele. Wer darf das von sich behaupten, dass er mit dem Geld verdient, was er am liebsten macht? Zusätzlich gibt es dann diese Momente, wo du als Stürmer das Siegestor schießt und 50.000 Leute jubeln und happy nach Hause gehen. So was erleben zu dürfen, das ist ein riesiges Privileg. Aber auch weil ich so viele Widrigkeiten überwunden hab. Aufgeben war nie ein Thema. Das macht mich vielleicht am meisten stolz. Ich war wirklich der Einzige, der daran geglaubt hat, dass das mit der Profi-Karriere noch was wird bei mir.

Bis zum Spiel gegen den GAK 2006, als Ihnen ein Gegenspieler gegen das Standbein rutschte, Bruch der rechten Schienbeinvorderkante, Knochensplitter im Gelenk und im Knorpel…Wie geht man mit so einer Schocknachricht um?

Ich hab mich zuerst richtig gehen lassen. Aber dann hab ich umgeschaltet in meinen Positivmodus. Ich glaube an die Kraft der Gedanken. Ich beschäftige mich sehr mit Esoterik und Psychologie, mit der Steuerung des Unter­bewusstseins. Ich habe mir immer wieder gesagt: Ich werde wieder Fußball spielen in sechs bis acht Monaten. Das habe ich mir immer leise vorgesagt. Ich habe ganz langsame Schritte gemacht am Anfang, habe richtig auf den Schmerz gewartet. Aber da kam kein Schmerz. Ich konnte laufen, eine Minute, zwei, und keine Schmerzen. Unglaublicher Moment. Ich hab gewusst: Es gibt eine Chance, dass es weitergeht mit der Karriere.

Profisport ist da aber schon eine Turbo-Lebensschule, nicht?

Absolut. Das ist im Endeffekt ein brutales Geschäft, es geht um Sein oder Nichtsein. Du lebst auf den Zehenspitzen, weil du dich immer zur Decke strecken musst. Sonst ist da sofort ein anderer. Das sind die Regeln. Das ist nicht immer leicht, wenn du keine Schwäche zeigen darfst. Manche zerbrechen dran, siehe das tragische Beispiel [des deutschen Nationaltorhüters] Robert Enke, und dann wird auch in den Medien viel diskutiert, aber was ändert sich langfristig? Nichts.

In Salzburg erlebten Sie unter Huub Stevens Ihre erste wirklich schwierige Phase mit einem Trainer.

"Wurde behandelt wie einer, der jemanden umgebracht hat"
epa04865506 Marc Janko (R) of FC Basel scores against goalkeeper Jasmin Buric (L) of Lech Poznan during the UEFA Champions League third qualifying round first leg soccer match between Lech Poznan and FC Basel in Poznan, Poland, 29 July 2015. EPA/Jakub Kaczmarczyk POLAND OUT
Ich will ihm nicht absprechen, dass er das Beste für die Mannschaft und für mich wollte, aber wir konnten menschlich nicht miteinander. Und mir ist das menschliche Verhältnis zu einem Trainer immer extrem wichtig gewesen. Am tiefsten getroffen hat mich die Geschichte mit dem Begräbnis vom Gusti (Anm.: Jankos guter Freund und ehemaliger Admira-Kollege Gustav Kral, der bei einem Autounfall ums Leben kam). Stevens wollte mich nicht zur Beerdigung fahren lassen, weil wir am selben Abend ein Spiel gegen den LASK hatten. Ich hab ihm garantiert, dass ich pünktlich in Linz bin, war in Tränen aufgelöst, und er meinte nur: „Du kannst die Mannschaft nicht im Stich lassen.“ Ich bin trotzdem zum Begräbnis gefahren.

Bei dem Wechsel zu Trabzonspor warteten neue Erlebnisse auf Sie.

Da gab es daheim dieses 0:3 gegen Fenerbahçe, ein schlechtes Spiel, kapitale Abwehrfehler. Aber der neue Trainer hat einen Schuldigen an der Niederlage gefunden: mich. Ab diesem Match wurde ich behandelt wie einer, der jemanden umgebracht hat. Ich durfte die Mannschaft nicht mehr sehen. Wenn die Jungs am Vormittag trainierten, musste ich am Nachmittag kommen. Ich trainierte mit einem Jugendtrainer, ganz allein, ohne Gegenspieler, ohne Tormann. Ich war komplett isoliert. Sie wollten offenbar, dass ich meinen Vertrag auflöse. Aber ich dachte mir: „Nein, jetzt erst recht.“ Ich habe den Spieß umgedreht. Habe gefragt, ob ich vielleicht noch öfter trainieren darf, vielleicht schon um sechs in der Früh. Meine einzige Chance, auf mich aufmerksam zu machen, war das WM­-Qualifikationsspiel gegen Schweden im Juni 2013. Dieses Schweden­-Match war über Monate meine größte Motivation. Ich hab mich dermaßen gequält im Training, bin über die Grenzen gegangen, wie man das sonst nur im Match tut, nur um meine Matchhärte nicht ganz zu verlieren.

Ihre Nummer 21: Aberglaube oder Gag?

Aberglaube, es ist ja auch die Quersumme meines Geburtsjahrs 1983. Fakt ist, dass ich mich mit der 21 besser fühle. Und das gibt mir Kraft. Ich bin nicht der reine Rationalist, für den mich viele halten. In meiner Verletzungszeit habe ich mich sehr intensiv mit Gott beschäftigt. Ich glaube an Gott, nicht im Sinn von einem Typen auf einer Wolke, sondern als eine Art Energie. Im Leben dreht sich alles um Energie. Und ich glaube daran, dass du Energie steuern kannst.

Wie sich der neue Torjäger des FC Basels trotz Rückschlägen immer wieder zurückkämpfte, und wie es dazu kam, dass er beim türkischen Fußball-Erstligisten Trabzonspor wie ein Mörder behandelt wurde, lesen Sie in der kompletten Geschichte (hier geht's zur Langversion) in der aktuellen Ausgabe des The Red Bulletin und auf www.redbulletin.com.

Copyright Text: The Red Bulletin, Christoph Rietner & Stefan Wagner
Copyright Illustrationen: © Lukas Gangsterer, The Red Bulletin

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