Wacker Innsbruck trennt sich von Trainer Streiter
Gibt es für Fußballer eine größere Strafe als gellende Pfiffe und Schmährufe?
Stille.
Wenn es selbst den leidenschaftlichsten Fans einmal die Sprache verschlägt und sie auf das Pfeifkonzert pfeifen, dann schreit das zum Himmel. In dieser gespenstischen Atmosphäre aus Ohnmacht und Entsetzen mussten die Spieler von Wacker Innsbruck im Tivolistadion die Schlussminuten gegen Hartberg (0:2) absolvieren. Mit ihrer Teilnahmslosigkeit nahmen sich die letzten 1791 Getreuen aber nur ein Beispiel am eigenen Team, das seit einigen Spielen über das Feld irrt, als hätte man wahllos Passanten in grünschwarze Fußballtrikots gesteckt und für einen Feldversuch ins Stadion geschickt.
0:3 vs. Kapfenberg, 1:4 vs. Liefering, 0:2 vs. FAC, nun das 0:2 gegen Hartberg. Mit jeder Runde rutschte der Absteiger noch tiefer in die Krise, jede Woche wurde in der nach unten offenen Wacker-Skala ein neues negatives Highlight veranstaltet. Er habe in den letzten 40 Jahren noch nie eine so desolate Innsbrucker Elf gesehen, meinte der ehemalige Teamspieler Werner Kriess im Legendenklub nach dem Spiel gegen das Schlusslicht, bei dem die Tiroler mit dem 0:2 noch gut bedient waren. Dass mit Edomwonyi und Fröschl dann auch noch zwei Ex-Tiroler den FC Wacker k.o. schossen, passte gut ins Bild.
Problemzonen
Es war die logische Konsequenz aus dem Fall ins Bodenlose, dass Wacker die Reißleine zog und sich noch in der Nacht von Michael Streiter trennte. Zumal der Trainer, der keine zehn Monate im Amt war, seinen Job zur Verfügung gestellt hatte. "Der Absturz ist mir unerklärlich. Wenn ich das Problem bin, mach’ ich den Platz frei."
Aber war Michael Streiter wirklich das Problem?
Jedenfalls nicht das einzige. Der freie Fall aus der Bundesliga in die Nähe der Abstiegsregionen der Ersten Liga ist auch eine Geschichte von groben Fehleinschätzungen und Fehleinkäufen. Die sportliche Führung um Streiter und den unerfahren Florian Klausner, der sich vom Assistenten des Konditionstrainers zum Sportchef hochgedient hat, ließ sich bei der Kaderplanung von Namen und Biografien blenden. Andreas Hölzl oder Jürgen Säumel mögen auf dem Papier zwar ehemalige Teamspieler sein, auf dem Rasen können beide mit der körperbetonten und laufintensiven Spielweise in der Ersten Liga augenscheinlich nicht Schritt halten. Das Fehlen eines Stürmers mit Durchschlagskraft und Torgefahr macht das Dilemma perfekt. 14 Tore in 15 Runden sind eine miserable Quote.
Interessanter Pacult
Zur sportlichen Krise kommt die ständige Unruhe rund ums Tivoli. Seit den turbulenten FC Tirol-Zeiten, die 2002 im Konkurs endeten, kommt der Klub nicht zur Ruhe. In den letzten 18 Monaten verbrauchte Wacker vier Geschäftsführer, im November wird wieder einmal der Vorstand umgekrempelt.
Den neuen Coach soll es schon früher geben. Florian Klausner, der alle Trainerwechsel der letzten Jahre überlebt hat und nun schon zum dritten Mal als Interimscoach aushilft, soll Streiters Nachfolger suchen. "Peter Pacult ist ein interessanter Trainer", sagte er zu Sky. "Vielleicht würde uns auch einmal ein Deutscher gut tun."
Noch wichtiger sind vorerst aber Punkte – Punkte gegen den Abstieg. Denn vom Wiederaufstieg redet in Tirol längst keiner mehr. Wie sagte doch Vizepräsident Andreas Perger. "So wie’s aussieht ist das Ziel der Klassenerhalt."
Wacker Innsbruck (bzw. die Vorgängervereine wie der FC Tirol) steht für heftiges Auf und Ab. Die erfolgreichste Phase waren die 70er-Jahre mit fünf Meistertiteln, insgesamt wurden zehn Meistertitel und sieben Cupsiege gefeiert. Erfolgreicher waren nur Rapid und Austria.
Tränen & Talfahrt
Nach dem Konkurs 2002 mussteder Verein in der Regionalliga einen Neustart machen, meldete sich aber 2004 wieder zurück in die Bundesliga. Seither ist der FC Wacker zwei Mal abgestiegen und wurde von Dorfklubs wie Grödig oder Altach ins Abseits gestellt.
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