Korruptionsskandal: FIFA sperrt elf Funktionäre

Korruptionsskandal: FIFA sperrt elf Funktionäre
Sieben Funktionäre festgenommen. Verfahren wegen WM-Vergaben. UEFA fordert Verschiebung der Präsidentenwahl.

Kurz vor der Präsidentschaftswahl am Freitag versinkt die FIFA wieder im Chaos von Bestechungsvorwürfen und Korruptionsverdacht. Und erneut kommen die Beschuldigten aus dem engsten Machtzirkel des Fußball-Weltverbandes um dessen Chef Joseph Blatter (zum Artikel: "Blatters zwielichtige Fußball-Welt").

Am Mittwoch wurden sieben hochrangige Fußball-Funktionäre in Zürich festgenommen - darunter die Blatter-Stellvertreter Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo. Ihnen wird organisiertes Verbrechen und Korruption vorgeworfen. Insgesamt ermittelt das US-Justizministerium gegen 14 Personen.

Unabhängig davon stellten Schweizer Behörden nur wenige Stunden nach dem Polizeieinsatz in Zürcher Nobelhotel Baur au Lac in der Zentrale des Fußball-Weltverbandes am Mittwoch elektronische Daten und Dokumente sicher. Die zuständige Bundesstaatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren im Zusammenhang mit den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022. Nach Behördenangaben geht es um den Verdacht „der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie des Verdachts der Geldwäscherei gegen unbekannt“. Bis zu zehn an der WM-Vergabe beteiligten Mitglieder des Exekutivkomitees sollen verhört werden.

Allerdings gehen diese Ermittlungen auf eine Strafanzeige der FIFA vom 18. November 2014 vergangenen Jahres zurück. „Das Timing ist nicht das beste“, räumte FIFA-Kommunikationschef Walter de Gregorio ein, generell sei das Verfahren aber gut für die FIFA „im Sinne der Transparenz“.

WM 2018 und WM 2022 sollen stattfinden

Der Kongress des Dachverbandes und die Wahl seines Präsidenten mit Blatter und seinem einzigen noch verbliebenen Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein soll wie geplant durchgeführt werden. Ein Rücktritt Blatters sei kein Thema. „Warum soll er zurücktreten? Er wird nicht verdächtigt“, sagte de Gregorio.

Korruptionsskandal: FIFA sperrt elf Funktionäre
Walter De Gregorio, FIFA Director of Communications and Public Affairs gestures during a news conference at FIFA headquarters in Zurich, Switzerland, May 27, 2015. Six soccer officials were arrested in Zurich on Wednesday and detained pending extradition to the United States over suspected corruption at soccer's governing body FIFA, the Swiss Federal Office of Justice said in a statement. REUTERS/Ruben Sprich TPX IMAGES OF THE DAY
Der Medienchef des Verbandes stellte bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz in Zürich klar, dass die WM-Endrunden 2018 und 2022 ebenfalls wie vorgesehen stattfinden sollen.

Unter den insgesamt 14 Verdächtigen sind auch das designierte FIFA-Exko-Mitglied Eduardo Li aus Costa Rica und der frühere FIFA-Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad und Tobago.

Indes fordert die europäische Fußball-Union (UEFA) eine Verschiebung der für Freitag in Zürich angesetzten Wahl. "Die UEFA ist der Meinung, dass der FIFA-Kongress verschoben und die Wahl des Präsidenten in sechs Monaten abgehalten werden soll", erklärte Generalsekretär Infantino.

Blatter selbst sprach in einer ersten Stellungnahme von "einer schwierigen Zeit für den Fußball, seine Anhänger und die FIFA". Sein Verband werde mit den betroffenen Behörden weiterhin zusammenarbeiten. "Solches Verhalten hat keinen Platz im Fußball und wir versichern, dass jene, die darin verwickelt sind, vom Spiel ausgeschlossen werden", erklärte Blatter weiter.

Untersuchungen in den USA

Korruptionsskandal: FIFA sperrt elf Funktionäre
epa04769549 (FILE) A file picture dated 06 July 2005 shows Jack Austin Warner of Trinidad and Tobago and President of CONCACAF catching a ball during a photocall in Miami, Florida, USA. Swiss police arrested FIFA officials early 27 May 2015 in Switzerland for extradition to the United States where they are to face corruption charges. The New York Times (NYT) said the arrests were carried out as officials from football's world governing body were gathered at the Baur au Lac hotel ahead of their annual congress on 29 May when the authorities raided the premises. The charges they face include racketeering and money laundering in connection with alleged corruption in FIFA including World Cup bids and broadcasting deals, the report quoted law enforcement officials as saying. Prosecutors were to unseal an indictment against several FIFA officials, including some not in Zurich, the report said, citing unnamed officials. They included Jack Warner of Trinidad and Tobago, a ex-vice president of FIFA and president of the Carbinnean Football Union, the report said. EPA/GARY I ROTHSTEIN *** Local Caption *** 00000402759099
In den USA laufen seit längerem Untersuchungen des FBI gegen frühere FIFA-Funktionäre. Der ehemalige US-Verbandschef Chuck Blazer und Warner gehören zu Beschuldigten in diversen Korruptionsverdachtsfällen.

Wie das US-Justizministerium erklärte, sollte am Mittwoch in Miami auch das Hauptquartier des nord- und mittelamerikanischen Dachverbandes CONCACAF durchsucht werden. Korruption sei weit verbreitet, systematisch und tief verwurzelt sowohl in den Vereinigten Staaten als auch im Ausland, erklärte US-Justizministerin Loretta E. Lynch.

Das Schweizer Bundesamt für Justiz bestätigte, dass die Beschuldigten in Auslieferungshaft genommen wurden. Ihnen droht die Abschiebung in die USA. Laut Behörden geht es um Bestechungszahlungen von über 100 Millionen Dollar seit den 90er Jahren. Ein Sprecher sagte, das Geld sei von Sportmedien- und Sportvermarktungsunternehmen gekommen. Als Gegenleistung hätten sie Medien-, Sponsoring- und Vermarktungsrechte an Fußball-Turnieren in den USA und Lateinamerika erhalten.

Am Abend gab die FIFA bekannt, dass insgesamt elf Funktionäre vorläufig für sämtliche Fußball-Aktivitäten gesperrt werden. Darunter seien auch die FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo, teilte der Weltverband nach einer Entscheidung seiner Ethikkommission am Mittwoch mit.

Die elf Personen sind Jeffrey Webb, Eugenio Figueredo, Eduardo Li, Julio Rocha, Costas Takkas, Jack Warner, Rafael Esquivel, Jose Maria Marin, Nicolas Leoz, Chuck Blazer und Daryll Warner.

Im Visier der US-Justiz stehen insgesamt 14 Personen. Neun davon sind oder waren FIFA-Funktionäre, fünf sind Chefs von Sportmarketing-Firmen. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu 20 Jahren wegen organisierten Verbrechens, Betrugs, Geldwäsche und Bestechung.

"Zwei Generationen von Fußballfunktionären haben ihre Vertrauensstellung zum persönlichen Vorteil missbraucht, meist in Zusammenarbeit mit skrupellosen Sportmarketing-Chefs, die Mitbewerber ausschlossen und sich lukrative Verträge sicherten, indem sie systematisch schmierten und bestachen", schrieb das US-Justizministerium, das den Angeklagten vorwirft, seit 1991 kriminell tätig gewesen zu sein.

Dabei sollen die Fußballfunktionäre mehr als 150 Millionen Dollar (137,29 Mio. Euro) erhalten haben. Die kriminellen Machenschaften betreffen vor allem die nord-, zentral- und südamerikanischen Verbände sowie den karibischen. Das US-Justizministerium geht auch davon aus, dass bei der WM-Vergabe in Südafrika im Jahr 2010 und bei den Präsidentschaftswahlen des Internationalen Fußball-Verbandes (FIFA) im Jahr 2011 illegal Gelder flossen.

Die laut US-Justizministerium sieben festgenommenen Beschuldigten und ihre Positionen im internationalen Fußball:

1) Jeffrey Webb ( Cayman-Inseln/50 Jahre) ist FIFA-Vizepräsident, Präsident des Fußball-Verbandes von Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik (CONCACAF), FIFA-Exekutivkomitee-Mitglied, Chef der Anti-Diskriminierungs-Task-Force der FIFA und Präsident des Verbandes der Cayman-Inseln.

2) Eugenio Figueredo (Uruguay/83 Jahre) ist FIFA-Vizepräsident, ehemaliger Präsident des südamerikanischen Fußballverbandes (CONMEBOL), FIFA-Exekutivkomitee-Mitglied und Präsident des uruguayischen Fußball-Verbandes.

3) Jose Maria Marin (Brasilien/83 Jahre) ist bei der FIFA zuständig für die olympischen Fußball-Turniere, ehemaliger Präsident des brasilianischen Fußball-Verbandes (CBF) und des Organisationskomitees der Fußball-WM 2014 in Brasilien.

4) Eduardo Li (Costa Rica) ist designiertes Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees und Präsident des Fußballverbandes von Costa Rica.

5) Julio Rocha (Nicaragua) ist bei der FIFA zuständig für Entwicklung und Präsident des nicaraguanischen Fußballverbandes.

6) Rafael Esquivel (Venezuela) ist CONMEBOL-Exekutivkomitee-Mitglied und Präsident des venezolanischen Fußballverbandes.

7) Costas Takkas (Großbritannien) ist der Attache des CONCACAF-Präsidenten Webb.

Zu den weiteren Angeklagten gehören laut US-Justizministerium Jack Warner (Trinidad und Tobago/72 Jahre), ehemaliger FIFA-Vizepräsident und Präsident der karibischen Fußballunion, und Ex-CONMEBOL-Präsident Nicolas Leoz (Paraguay/86 Jahre).

Den verdächtigen Fußball-Funktionären im Korruptionsskandal beim Weltverband FIFA drohen bis zu 20 Jahre Haft. Das sei die Höchststrafe in solchen Fällen von organisierter Kriminalität, sagte US-Justizministerin Loretta Lynch am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in New York - und kündigt weitere Ermittlungen an.

Lynch sprach bei der Pressekonferenz mit FBI-Direktor James Comey, dem New Yorker Staatsanwalt Kelly Currie und dem Chef der US-Steuerfahndung, Richard Weber, von jahrelanger Korruption. "Dieses so beliebte Spiel wurde gekidnappt", sagte Comey und betonte ebenso wie Currie, dass man sich mit den Aktionen am Mittwoch erst am Anfang befinde. "Dies ist die Weltmeisterschaft des Betrugs, und heute zeigen wir der FIFA die Rote Karte", erklärte Weber.

"Sie haben das weltweite Fußballgeschäft korrumpiert, um sich selbst zu bereichern", warf Lynch den neun Fußballfunktionären und fünf Geschäftsmännern vor. "Sie haben es immer und immer wieder gemacht. Jahr um Jahr, Turnier um Turnier." Einer der Beschuldigten habe sich etwa mit rund zehn Millionen Dollar (9,2 Mio. Euro) bereichert. Ob auch Präsident Joseph Blatter im Visier der Ermittler sei, wollte die oberste Staatsanwältin nicht beantworten.

Unsummen

Lynch zufolge sind allein im Zusammenhang mit der Vergabe der Copa America 2016 in den USA rund 110 Millionen Dollar (101 Mio. Euro) an Bestechungsgeldern geflossen. Das Turnier findet im kommenden Jahr erstmals außerhalb von Südamerika statt. Es wird anlässlich des 100. Geburtstages des südamerikanischen Verbandes als Gemeinschafts-Event Copa America Centenario in den USA ausgetragen.

Lynch äußerte sich enttäuscht, dass auch historische Ereignisse wie die erste Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent in Südafrika 2010 durch kriminelle Handlungen beschädigt worden seien und kündigte einen rigorosen Kampf gegen die Korruption im Weltfußball an. In Bezug auf die Weltmeisterschaften in Russland 2018 und Katar 2022 sagte Lynch, die FIFA müsse "tief in ihre Seele blicken". Die amerikanischen Behörden seien damit aber nicht befasst.

Erst der Anfang

Der New Yorker Staatsanwalt Kelly Currie erklärte, dass die Festnahmen am Mittwoch in Zürich "erst der Anfang" seien. "Weitere Individuen und Einrichtungen in zahlreichen Ländern" würden noch überprüft. Die Anklageschrift des Justizministeriums verweist auf 25 namentlich nicht genannte Mitverschwörer.

"Diese Art der Korruption und der Bestechung im internationalen Fußball läuft seit zwei Jahrzehnten", sagte Currie. Alle Verdächtigten hätten das US-Finanzsystem für ihre Zwecke missbraucht und amerikanische Gesetze gebrochen. "Was sie gemein hatten, war die Gier." Einzelne Spiele oder Turnierverläufe seien aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht manipuliert worden.

Auch der Chef der US-Steuerfahndung übte harsche Kritik an der FIFA. Sie handle aus Eigennutz und Profitgier, sagte Richard Weber. "Dies ist die Weltmeisterschaft des Betrugs, und heute zeigen wir der FIFA die Rote Karte", betonte er und sprach von einem "guten Tag für Fußballfans und einem großartigen Tag für den globalen Kampf gegen Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung".

FBI-Direktor James Comey betonte, dass es sich bei den Untersuchungen um einen "langwierigen Prozess" handle, "der erst am Anfang steht". Comey kündigte harte Schritte an. "Wenn sie mit ihrem korrupten Unternehmen in unser Land kommen, werden sie zur Rechenschaft gezogen werden", so der FBI-Chef. "Dieses so beliebte Spiel wurde gekidnappt", sagte Comey.

Joseph Blatter sieht auch nach den jüngsten Skandalen keinen Grund, das Amt an der FIFA-Spitze aufzugeben. Der Schweizer will bleiben und verkauft Festnahmen seiner engsten Mitarbeiter und Ermittlungen in seiner Zentrale sogar als Erfolg. Das Prinzip hat seit Jahren System.

Auf der Zielgeraden eines eigentlich schon gewonnenen Präsidentschaftswahlkampfes sind die bösen Geister der Vergangenheit für Blatter am Mittwoch plötzlich wieder böse Geister der Gegenwart. Mit dem ihm eigenen, unglaublichen Selbsterhaltungstrieb will der maximal skandalerprobte FIFA-Präsident aber auch die massiven juristischen Vorwürfe gegen mehrere Mitglieder seines inneren Machtzirkels aussitzen und am Freitag wie geplant seine fünfte Amtszeit als FIFA-Boss antreten. Rücktrittsgedanken ließ der 79-Jährige von seinem Mediendirektor Walter de Gregorio zurückweisen.

Rücktritt? Warum? Zwei FIFA-Vizepräsidenten verhaftet, Ermittlungen gegen ein Dutzend weitere Funktionäre aus dem Weltverband oder zumindest aus dessen Dunstkreis sowie Sportgeschäftsleute - und dann noch die Schweizer Staatsanwaltschaft in den heiligen Hallen der FIFA-Zentrale auf dem Zürichberg, um Unterlagen über die dubiosen WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 zu beschlagnahmen. Im System Blatter wird sogar solch ein Tag als Erfolg verkauft. Als Erfolg für den Fußball und als Beleg für den Aufklärungswillen des FIFA-Chefs. "Es ist gut, was heute passiert ist. Es tut weh, aber wir werden den Weg weiter gehen", sagte De Gregorio.

Stürze in Kauf genommen

Mit dieser Offensivstrategie hat Blatter bisher alle Skandale seit 1998 ignoriert, ausgesessen oder clever umschifft. Im Zweifelsfall wurde der Sturz von Gegnern oder auch ehemaligen Wegbegleitern zumindest billigend in Kauf genommen. Und seine ärgsten Kritiker müssen befürchten, dass der Mann aus dem Kanton Wallis, der sich kürzlich selbst die Zähigkeit einer Schweizer Bergziege bescheinigte, mit den gleichen Tricks und Argumenten davon kommt: Schuld sind immer andere, nie die FIFA und schon gar nicht ihr Präsident.

Blatter "tanze nicht vor Freude in seinem Büro", versuchte de Gregorio einen Scherz. Aber: "Es geht ihm gut." Noch am Dienstag hatte Blatter einen äußerst fröhlichen Eindruck hinterlassen. Wartenden Journalisten raunte er auf dem Weg zu den regionalen Treffen seines internationalen Wahlvolkes kurze Sätze zu, die Siegesgewissheit ausstrahlen und den Eindruck festigen, dass der FIFA-Präsident kurz vor seiner allseits erwarteten fünften Amtszeit wenig Zeit und Lust hat, sich selbst erklären zu müssen.

Familiär

"Sie kennen mich, ich bin immer optimistisch", hat Blatter gerade noch sagen können. Und schon ist der 79-Jährige halb gefolgt und halb gedrängt von einem halben Dutzend dunkler Anzugträger seiner FIFA-Entourage wieder in einem Aufzug oder Seitengang verschwunden.

Viel sagen musste Blatter in diesem skurrilen Wahlkampf um den Präsidentenjob im Fußball-Weltverband - in dem sich seine Gegner fürchterlich mühten und doch nicht voran kamen - ohnehin nicht. Während sich seine diversen schon gescheiterten und auch der einzig verbliebene Kontrahent Prinz Ali bin al-Hussein mit diversen Hochglanzbroschüren zum FIFA-Wandel und professionellen Portfolios im Internet profilieren wollten, schickte Blatter einfach einen DIN-A-4-Seite langen Brief an alle 209 FIFA-Mitglieder. Unter der simplen Überschrift "Together" verwies er darauf, dass doch alles bleiben solle, wie es ist - Hauptsache, man halte in der Fußball-Familie ganz brav zusammen.

Das müssen die FIFA-Funktionäre nun auch wieder, sonst könnte es tatsächlich ungemütlich werden für Blatter. Seit 40 Jahren arbeitet er für die FIFA. Seine Zeit als Präsident ist begleitet von ständigen Verdächtigungen um Korruption und Vorteilsnahme. Schon bei der ersten Wahl im Juni 1998 sollen Umschläge mit Schmiergeld den Besitzer gewechselt haben. Auch die Spätfolgen der Pleite von Ex-FIFA-Vermarkter ISL mit der belegten Bestechung von Ex-Präsident Joao Havelange überstand er mit lediglich leichten symbolischen Kratzern. Kulminiert sind die Ereignisse um die WM-Vergabe an Russland und Katar - die einen Demokratisierungsprozess einleiteten.

Wer das System Blatter verstehen will, muss die europäische Brille abnehmen. Denn das Wahlvolk von Guinea bis Guam bekam wieder genau das, womit Blatter immer prahlen konnte. Eine gute Portion materielle Sicherheit für den Fußballbetrieb daheim und das Gefühl, am schillernden Milliardenspektakel Weltfußball gleichberechtigt beteiligt zu sein. Wer eventuell doch aufmucken wollte, wurde diesmal nicht direkt, aber subtil daran erinnert, dass erst am Tag nach der Wahl über die Quoten der WM-Startplätze entschieden wird.

Verschmolzen

Ein Funktionär aus Curacao brachte das Blatter-Prinzip auf den Punkt: Prinz Ali sei höflich und korrekt. Gewählt werde aber Blatter. Warum? "Wenn der Chef es sagt, dann ist es so richtig", erklärte Mann aus der Karibik, lachte laut und stieg in den Bus, der die Delegierten aus Nord- und Mittelamerika zum Abendprogramm in Zürich fuhr.

Doch warum hängt Blatter so an der Macht? Michel Platini kennt den FIFA-Chef so gut, dass er dessen Seelenleben analysieren kann. Der Franzose, der seinen langjährigen Funktionärs-Ziehvater aus dem Amt drängen wollte, es aber nicht wagte, selbst gegen ihn anzutreten, hat erkannt, dass es für Blatter nicht mehr um Inhalte oder Missionen geht, sondern nur noch um Machterhalt zum Selbstzweck.

Nach 40 Jahren im Weltverband und 17 davon als Chef ist Blatter mit der FIFA quasi verschmolzen. "Er hat sein Leben an die Institution gegeben, bis zu dem Punkt, an dem er sich komplett mit der FIFA identifiziert", sagte Platini. Freiwilliges Aufhören ist somit auch im Pensionsalter unmöglich geworden.

Wie ein alternder Herrscher ohne Anbindung an die Realität marschiert Blatter durch sein FIFA-Reich - eine ihm gefährliche Opposition war bisher nicht auszumachen, da ihm - so groß der Aufschrei in Ländern wie England oder Deutschland auch sein mag - die große Mehrheit seines Fußball-Volkes weiter dankbar folgt. Ob die neuen Skandale das ändern können, bleibt abzuwarten.

Es war schon ein Scheißjob, den Mediendirektor Walter de Gregorio zu verrichten hatte. "Die FIFA unterstützt den Schritt der Behörden", musste er sagen. Um dabei nervös auf dem Sessel hin und her zu wetzen, aber ohne rot zu werden. Auch die Weltmeisterschaften in Russland und Katar werden stattfinden. Wie geplant. Und was mit Joseph Blatter, seinem Chef, nun passieren werde? Rücktritt?

Nein. "Er wird nicht verdächtigt." Der FIFA-Kongress werde demnach wie geplant über die Bühne gehen, die Präsidenten-Wahl am Freitag auch.

Passiert dies, ist der größte Sport-Skandal des 21. Jahrhunderts perfekt.

Blatter kann sich sicher sein, die Mehrheit der 209 Mitgliedsländer der FIFA einzusacken. Weil das Stimmchen der Jungferninseln im mittelalterlichen, aber wohlbehüteten Wahlmodus beispielsweise genauso wertvoll ist wie die Meinung des größten Verbandes, Deutschland nämlich.

Berichte über Blatter und seine Machenschaften, alleine seine zutiefst freundschaftlichen Verbindungen zu den jetzt verdächtigten CONCACAF-Funktionären füllen Bücher und unzählige TV-Abende. Aber die FIFA schüttelt sich ab wie ein nasser Hund.

Blatter denkt nicht an Rücktritt, wehrt sich damit gegen die Chance lückenloser Aufklärung. Weil er glaubt, Gott zu sein? Oder weil er weiß, dass der Gestank noch ärger wird, müsste er seine schützenden Hände erheben?

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