Ein Meister im Liechtensteiner Abseits

Ein Meister im Liechtensteiner Abseits
Im Frühjahr führte Mario Kienzl als Kapitän Sturm Graz zum Titel, jetzt spielt er beim zweitklassigen FC Vaduz.

Es macht wenig Sinn, sich in Vaduz einen offiziellen Treffpunkt auszumachen. Früher oder später läuft sich hier ohnehin jeder über den Weg - meist eher früher. Keine Minute ist seit der Ankunft in Vaduz vergangen, da sind Mario Kienzl und Mario Sara bereits im Städtle, der überschaubaren Altstadt, gesichtet. "Mit Liechtenstein bist du schnell durch", weiß Kienzl, Legionär beim zweitklassigen FC Vaduz. Aber das dämmerte ihm bereits, als er im Sommer im Fürstentum ankam: "Graz allein hat fast zehn Mal so viele Einwohner wie ganz Liechtenstein."

Liechtenstein also. 36.000 Einwohner, der sechstkleinste Staat der Welt: Epizentrum der Banken, Heimat verborgener Konten, Pilgerstätte für Koffer voller Geld. Mit vielem wird Liechtenstein in Verbindung gebracht, für seine Kicker ist das Fürstentum hingegen eher weniger bekannt. Das hat längst auch Kienzl mitgekriegt. "Es war kein Kulturschock. Fußball ist hier halt nicht so interessant."

Abstieg

Trotzdem hat es ihn hierher verschlagen, ins fußballerische Niemandsland. Es war ein Schritt, den nur die wenigsten nachvollziehen konnten: von Sturm Graz zum FC Vaduz, vom österreichischen Meister zu einem Verein, der in der zweiten Schweizer Liga spielt, vom Rampenlicht in den tiefsten Schatten. Und Mario Kienzl war ja nicht irgendwer. Ehe er sich mit den Grazern nicht mehr über einen neuen Vertrag einigen konnte, war der 27-Jährige immerhin Kapitän von Sturm.

Jetzt sitzt er in einem Cafe im Städtle von Vaduz, ein grauer Donnerstag im Oktober, die Fußgängerzone menschenleer, und versucht sich für diesen, seinen ungewöhnlichen Karriereschritt zu rechtfertigen. "Es ist ein Privileg eines Fußballers, solche Erfahrung machen zu können", meint der Mittelfeldmann, "ich wollte unbedingt ins Ausland."

Bankerldrücker

Nun, unter dem prestigeträchtigen Ausland wird sich Kienzl wohl was anderes vorgestellt haben, als in einem Auswärtsspiel in Biel vor 841 Zuschauern 90 Minuten nur auf der Bank zu sitzen. Wie an diesem Wochenende wieder passiert. Kienzl hat bei Vaduz zuletzt seinen Stammplatz verloren. "Aber ich bereue den Wechsel nicht."

Alles nur eine Frage des Geldes. Diesen Satz hat noch jeder Spieler zu hören bekommen, der in Liechtenstein angeheuert hat. Vorurteile und Klischees, die Kienzl langsam nerven. "Mir haben die Leute gesagt: 'Super, wenigstens hast ausgesorgt'", berichtet der Steirer, "dabei verdiene ich hier nicht so viel wie in Graz."

Sein Teamkollege Mario Sara, der 2010 von Innsbruck zum FC Vaduz gewechselt war, kennt das blöde Gerede. "Alle glauben, wir sind hier im Schlaraffenland." Paradiesisch ist dabei lediglich die moderne Stadionanlage, die allerdings bei Heimspielen meist verwaist ist, sowie die Ruhe, die ein Fußballer in Liechtenstein genießt. "Ich bin hier noch nie angesprochen worden", berichtet Sara, der im Gegensatz zu seinem Landsmann beim FC Vaduz ein Stammleiberl hat und sich auch sonst im Fürstentum heimisch fühlt.

Sprachbarriere

Ein Meister im Liechtensteiner Abseits

Mario Kienzl hat da noch seine liebe Not. Vor allem der eigentümliche Dialekt ist dem Steirer noch nicht ganz geheuer. Zwar weiß er jetzt, dass der Liechtensteiner tschuttern sagt, wenn er Fußballspielen meint, "aber alles versteh' ich noch immer nicht."

Bereits nächsten Sommer endet Kienzls Vertrag beim FC Vaduz. Dass er hier im Fürstentum in der Versenkung verschwinden könnte, fürchtet er nicht. Und wenn dem so wäre, würde es ihn auch nicht weiter stören. Wie meinte Mario Kienzl doch gleich: "Ich spiele nicht Fußball, um bekannt zu werden. Deshalb hab' ich auch kein Problem damit, wenn man eineinhalb Jahre nichts von mir hört."

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