Der Frust der Rapid-Fans

Der Frust der Rapid-Fans
Neue Medien: Vor dem Spiel in Leverkusen ist der Frust der im Internet organisierten Rapid-Fans groß.

Peter Schöttel ist ein Medienmensch. Er liest viel und genau. "Nur anonyme Internet-Foren lasse ich aus, um mir einen Rest an Lebensqualität zu erhalten", erklärte der Rapid-Trainer im KURIER. Präsident Rudolf Edlinger denkt ähnlich, setzt auf das persönliche Gespräch und sagt: "Fan-Foren lese ich nicht, weil ich diese halb-anonyme, gesichtslose Form der Diskussion nicht so schätze."

Vor dem schweren Gang nach Leverkusen zur erwarteten vierten Niederlage in der Europa League sind die beiden wesentlichen öffentlichen Vertreter des Klubs überrascht von der schlechten Stimmung. Die nackten Zahlen haben tatsächlich schon oft wesentlich schlimmer gewirkt. Fatal sind nur die mittlerweile neun Ausfälle: Ildiz ist erkrankt. Die drei Amateure Okungbowa, Bajrami und Randak dürfen laut UEFA-Recht mitfliegen, weil sie im Unterschied zum auffälligen Sturm-Debütanten Starkl schon mindestens zwei Jahre bei Rapid sind.

Brandbeschleuniger

Zwischen den Verantwortlichen und einem größer werdenden Teil des interessierten Publikums ist eine Entfremdung entstanden. Ähnlich dem Phänomen des Verdrusses in der Bevölkerung über das politische System und seine Vertreter.

Bei Rapid gibt es für den Fan-Frust zwei Gründe, die zusammenhängen: die einzigartige Öffnung des Vereins für Fans. Und die zuletzt stark gestiegene Bedeutung der Internet-Foren für eben jene Fans. Gerade in Krisenzeiten können die neuen Medien zu Brandbeschleunigern werden, gegen die bei Rapid (noch) kein Löschmittel gefunden wurde. Ein Milliardenkonzern wie Red Bull kann es sich leisten, die im Netz publizierte Meinung der Fans zu ignorieren. Ein Verein, der bewusst auf die Emotion der Fans setzt, nicht.

"Wir wollen mit den Fans direkt kommunizieren, wissen aber auch, dass das in schlechten Zeiten Gefahren birgt", sagt Kommunikationschef Peter Klinglmüller, der Facebook und Twitter forciert. Wesentlich beeinflusst wird die Stimmungslage in den zwei führenden Fan-Foren austriansoccerboard.at ("ASB") und rapidfans.at.

"Wir sind das größte Klub-übergreifende Fan-Forum mit 120.000 Lesern pro Monat. Zu Rapid-Themen gibt es seit 2001 760.000 Posts", erzählt Daniel Mandl. Der 28-jährige Gründer des "ASB" betreut auch das Fach-Portal abseits.at, ist ein Rapid-Fan und gut im Verein vernetzt.

Harter Kern

Während im "ASB" sowohl abgeklärte Theoretiker diskutieren, als auch ganz Junge, die nach ihrem ersten Stadionbesuch mit dem Smartphone posten, bedient rapidfans.at den harten Kern. "Wir haben 1748 aktive User, die fast alle der Szene angehören und nur nach einer Prüfung registriert werden. Wer sechs Monate lang nichts postet, wird gesperrt", erklärt der Seiten-Gründer, der "seit 27 Jahren ins Stadion" geht. In dieser Zeit ist der Wert des publizierten Wortes hoch geblieben, aber die Deutungshoheit hat sich verschoben: "Es gibt eingesessene Journalisten, die sauer sind, dass nicht mehr nur sie die Meinung machen."

In den Foren werden Artikel verlinkt und diskutiert. Die Grenzen zwischen den Medien verschwimmen zusehends. So hat ein Sportportal besonders kritische, anonyme Posts über Schöttel und Rapid zusammenkopiert und daraus einen "offiziellen" Artikel gebastelt.

Edlinger, 72, reagiert mit der Abgeklärtheit eines Ex-Finanzministers: "Ein Verein wie Rapid ist nicht auf Zuruf von außen zu führen." Ein zeitloses Statement. Oder nach der digitalen Revolution doch schon veraltet?

Sieben Amateure hat Peter Schöttel seit Jahresbeginn in seinen Profikader hochgezogen. Eine beachtliche Zahl, aber nicht genug, um in der BayArena ab 21.05 Uhr die Ersatzbank füllen zu können. Also holte der Cheftrainer die Nummern 8, 9 und 10 am Dienstag zum Training und auch gleich in den Match­kader für den vierten Auftritt in der Gruppenphase der Europa League. Osarenren Okungbowa, 18, Eldis Bajrami, 19, und Daniel Randak, 19, bereiten sich somit auf Leverkusen statt auf Retz in der Regionalliga Ost vor.

Der Grund ist eine bemerkenswerte Liste mit zehn Ausfällen, sechs davon verdienen die Bezeichnung „Stammkraft“. Verletzt, gesperrt, rekonvaleszent, krank, beim U-19-Nationalteam oder nicht spielberechtigt – egal, übrig bleibt ein ohnehin schon verunsichertes Rumpfteam mit der Erinnerung an das 0:4 gegen die Werkself in Wien.

Dominik Wydra wurde auf dem Flug nach Köln zum Ansprechpartner des Debütanten-Trios. Kein Wunder, der 18-jährige Mittelfeldspieler trainiert schon seit zehn Monaten mit den Profis, geht unter diesen Umständen fast als Routinier durch und könnte sein Europacup-Debüt gleich von Beginn an geben. Für die Offensive bleibt eine einzige Alternative auf der Bank – es ist Randak. Auch Leverkusen kann mit einer besonderen Liste aufwarten. Sie umfasst bereits elf Vereine, gegen die es zuletzt keine Niederlage gab. Der deutsche Spitzenklub hat also einen Lauf. So viel zur Ausgangslage.

Kämpferisch

Peter Schöttel jammert dennoch nicht und verspricht: „Die vielen mitgereisten Fans dürfen eine kämpferisch starke Leistung erwarten. Es ist personell sicher das schwierigste Spiel, aber am Sonntag gegen Wolfsberg wird es wieder besser aussehen.“ Selbst auf der Suche nach Positivem wurde Schöttel, der in Leverkusen für seine Ausbildung zum Sportmanager hospitierte, fündig: „Die Jungen werden von dieser schweren Phase einmal profitieren.“

Drei Partien, drei Niederlagen – Rapid ist zur Hälfte der Gruppenphase der Europa League Letzter der Gruppe K. Aber nicht nur das: Österreichs einziger für die Gruppenphase qualifizierter Klub ist nach drei Spieltagen der einzige der 48 teilnehmenden Vereine, der noch keinen Punkt gemacht hat.

Diese negative Bilanz schlägt sich auch in der UEFA-Fünfjahreswertung nieder. Österreich hat in der laufenden Saison bereits zwei Plätze verloren. Die durchaus vorhandene Chance auf einen Fixplatz in der Champions-League-Gruppenphase wurde wohl verspielt. Nun geht es eigentlich nur mehr darum, Rang 15 zu verteidigen, um – wie kommende Saison – auch 2014 mit fünf Vereinen im Europacup vertreten sein zu dürfen.

Derzeit liegt Österreich im für die Vergabe der Europacup-Startplätze entscheidenden UEFA-Länderranking (Fünfjahreswertung), mit einem Koeffizienten von 24,875 vor der Schweiz (Koeffizient 24,175). Österreichs Verfolger ist aber noch mit zwei Vereinen (FC Basel, YB Bern) in der Europa League vertreten, hat also die doppelte Chance auf Punkte.

Überholmanöver

Ein Sieg bringt beiden Konkurrenten 0,5, ein Remis 0,25 Zähler. Die Schweiz würde Österreich also mit einem Sieg und einem Remis überholen, sofern Rapid auch die letzten drei Gruppenspiele verlieren sollte.

Die Wiener haben diese Saison erst 0,5 Punkte für das UEFA-Länderranking beigesteuert. Damit hat Rapid nur gleich viele Zähler für Österreich geholt wie Ried und die Admira, obwohl sowohl die Oberösterreicher als auch die Niederösterreicher schon in der dritten Qualifikationsrunde ausgeschieden sind.

Die zwei Bonuspunkte für das Erreichen der Gruppenphase wurden nämlich nur für das UEFA-Klubranking gewertet – und nicht für das UEFA-Länderranking.

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