Cup-Semifinale: "Erst jetzt sind wir die Helden"

Cup-Semifinale: "Erst jetzt sind wir die Helden"
Admira-Coach Baumeister und St.-Pölten-Trainer Daxbacher über das NÖ-Duell und ihre Austria-Zeit.

Elf Jahre spielten Ernst Baumeister (59) und Karl Daxbacher (63) gemeinsam für die Wiener Austria. Und gewannen wie selbstverständlich Titel um Titel. Am Dienstag, ab 18 Uhr (live ATV), geht es im Cup-Halbfinale in der Südstadt um einen überraschenden Finaleinzug. Denn weder bei Bundesliga-Überraschung Admira (Baumeister), noch bei Zweitligist SKN St. Pölten (Daxbacher) waren die aktuellen Erfolge vorhersehbar. Für den KURIER trafen sich die violetten Legenden zu einem launigen Doppel-Interview.

KURIER: Sie beide waren mehr als ein Jahrzehnt bei einem Verein. Ist so etwas heute überhaupt noch vorstellbar?

Karl Daxbacher: Eher nicht. Und es waren ja nicht nur wir beide, sondern etwa zehn Spieler, die so lange miteinander gespielt haben. Das war schon etwas Einzigartiges. Viele wollten und konnten auch nicht weg.

Warum?

Daxbacher: In den 14 Jahren bei der Austria habe ich nur ein einziges Mal einen Zweijahresvertrag bekommen. Üblich war, dass immer um ein Jahr verlängert wurde.

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Ernst Baumeister:Bei Rapid und Sturm war’s ähnlich. Du warst vor dem Bosman-Urteil ein Leibeigener des Vereins.

Gab es es keine anderen Angebote, etwa aus dem Ausland?

Daxbacher: In Österreich war die Austria damals das Nonplusultra. Aus dem Ausland hatte ich keine konkreten Angebote. Die Vereine durften ja nur zwei Legionäre haben. Und damals war meine Position im defensiven Mittelfeld nicht sonderlich populär.

Baumeister: Ich hatte schon viele Angebote. Mit Lazio Rom haben wir gleich nach einem Europacup-Spiel verhandelt, aber die Austria wollte zu viel Ablöse. Interessiert waren auch 1860 München, Genua, Leeds und Tottenham. Mit Tottenham war es sehr konkret, aber die wollten den Prohaska und mich nur gemeinsam verpflichten. Der Herbert ist da gerade aus Italien zurückgekommen und wollte nicht gleich wieder ins Ausland.

Bereuen Sie es, nie im Ausland gespielt zu haben?

Baumeister: Eigentlich nicht. Sportlich hatte ich hier eine wunderbare Zeit. Fürs Geldbörserl wäre es ganz angenehm gewesen. Die Austria war national und international eine sehr gute Adresse. In meinen 13 Jahren wurde ich acht Mal Meister und fünf Mal Zweiter. Und im Europacup sind wir auch meistens sehr weit gekommen.

Daxbacher: Man muss aber sagen, dass es damals etwas leichter war im Europacup.

Sind Sie stolz, eine erfolgreiche Zeit mitgestaltet zu haben?

Daxbacher: Ich will nicht, dass es den jetzigen Spielern so geht wie uns. Wir haben immer gehört, dass früher alles besser war bei der Austria. Es hieß: "Mit Ocwirk, das war noch Fußball!" Das will ich vermeiden. Aber ihr kennt sicher ein paar Experten aus unserer Zeit, die das etwas anders sehen.

Baumeister: Klar ist man stolz. Erst jetzt sind wir die ganz großen Helden. Die Vergangenheit wird gerne verklärt.

War das Austria-Publikum immer schon so kritisch?

Baumeister: Ja, und wie!

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Daxbacher: Und es sind noch weniger gekommen als jetzt.

Baumeister: Ich erinnere mich ans Europacup-Semifinale. Damals durften 70.000 ins Prater-Stadion, da sind sie sogar auf den Stiegen gesessen. Ein paar Tage später gegen Sturm sind nur ein paar Tausend gekommen.

Welche Erinnerungen haben Sie an das verlorene Europacup-Finale gegen Anderlecht 1978?

Baumeister: Traurige!

Daxbacher: Dass der ganze Verein zufrieden mit dem Finaleinzug war und deshalb die Vorbereitung auf das Finale unprofessionell war.

Baumeister: Das war wirklich wie ein Urlaubsausflug.

Daxbacher: Sogar die Spielerfrauen waren mit. Wir sind mit ihnen ins "Crazy Horse" (Pariser Revuebar, Anm.) gegangen.

Baumeister: Die Partie haben wir im Vorfeld verloren.

Wissen Ihre heutigen Spieler über Ihre Erfolge Bescheid?

Daxbacher: Einer hat mich jetzt mal verwundert gefragt, ob ich wirklich sieben Mal Meister geworden bin.

Ist diese Erfahrung als Spieler eine Hilfe beim Einstieg ins Profi-Trainergeschäft?

Daxbacher: Mit den sogenannten Stars tust du dich leichter. Aber Garantie ist es keine, dass du ein guter Trainer bist.

Sie sind derzeit die ältesten Trainer der Bundesliga und haben beide sehr junge Co-Trainer. Wie schwierig ist es, eine gemeinsame Linie zu finden?

Daxbacher: Ich bin überzeugt, dass ich einen jungen Co-Trainer mittlerweile brauche.

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Baumeister:Die Jungen sind ehrgeizig und voller Ideen. Klar bilde auch ich mich weiter, aber mein Zugang ist ein anderer, als wenn ich alles neu lerne. Von uns können sie die Gelassenheit lernen. Ein Co-Trainer hat ja heute wirklich viel Verantwortung. Früher hat er nur die Leiberln rausgetragen und Markierungen aufgestellt. Diese Zeiten sind vorbei. Ich stehe nun mehr außerhalb und überblicke das Ganze.

Daxbacher: Die Spielphilosophie muss sich mit den Kollegen im Trainerteam decken.

Baumeister: Wenn das nicht passen würde, wären weder die St. Pöltner erfolgreich noch wir. Die Admira galt als Abstiegskandidat, jetzt sind wir im Cup-Halbfinale und spielen um Platz vier. Was soll noch mehr gehen?

Daxbacher: Platz drei!

Baumeister: Du meinst: vor der Austria?

Daxbacher: Ja, dann wäre die Admira fix im Europacup und wir könnten uns über den Cup qualifizieren (beide lachen).

Wären Sie lieber heute Profi als noch zu Ihrer aktiven Zeit?

Baumeister: Der Druck war der gleiche.

Daxbacher: Aber die Medien wollen viel mehr.

Baumeister: Damals war bei einem Spiel ein Journalist vom KURIER und einer von der Krone. Das war’s ...

Daxbacher: ... und Sachen, die jetzt sofort auf Facebook stehen würden, hat damals keiner mitgekriegt. Es hat sich aber auch die Bezahlung geändert: Uns wurde damals zwar schon vorgeworfen, wir würden zu viel verdienen. Aber jetzt gibt es richtig viel Geld für die, die auch richtig gut sind.

Wer jetzt – wie Sie damals – mehr als zehn Jahre bei der Austria spielt, hätte nie mehr finanzielle Sorgen, oder?

Baumeister: Da brauchst du jetzt keine zehn Jahre mehr.

Daxbacher: Wir dürfen aber nicht vergessen, dass 70 Prozent der Spieler in der Ersten Liga nur nach dem Kollektivvertrag bezahlt werden. Das sind rund 1200 Euro brutto. Das reicht gerade zum Leben. Aber was machst du nach der Karriere? Das Klischee von den überbezahlten Fußballern stimmt nicht. In Österreich verdienen Fußballer im Schnitt sogar zu wenig. Deswegen ist es auch ein Wahnsinn, wenn ich höre, dass in St. Pölten ein 17-jähriger Ersatzspieler vom Zweierteam mit der Schule aufhört, weil er glaubt, dass er eh fix ein Profi wird.

Ist das heutige Cupspiel der Höhepunkt der Saison?

Daxbacher: Für uns ist die Meisterschaft das Wichtigste, weil der Aufstieg viel wichtiger ist als der Cup. Aber wir werden uns deswegen nicht weniger anstrengen.

Baumeister: In Wahrheit ist für uns jetzt der dritte Platz das Ziel. Der bringt fix den Europacup-Startplatz. Aber natürlich wollen wir ins Finale.

Wäre emotional die Austria der Wunschgegner im Finale?

Daxbacher: Emotional auf jeden Fall. Aber auch sportlich, wenn ich mir die Austria so anschaue (lacht).

Baumeister: Mir ist es wurscht, ich will nur ins Finale.

Verändert sich für die Admira etwas, weil in diesem Spiel ganz klar die Favoritenrolle übernommen werden muss?

Baumeister: Die haben wir doch auch schon ganz oft in der Liga. Und dazu müssen wir auch stehen, die Rolle nehmen wir an.

Was beneiden Sie am jeweiligen Derby-Gegner?

Daxbacher: Die Admira hat aus Spielern, die es bei größeren Vereinen nicht geschafft haben, richtig gute Spieler gemacht. Da haben sie aus der Not eine Tugend gemacht und das Potenzial erkannt. Und eine Akademie, die dem Verein gehört und nicht wie in St. Pölten dem Verband, wäre schon auch fein.

Baumeister: Für mich gibt es zwei Sachen: das neue Stadion und die Unterstützung von der Landespolitik.

Daxbacher: Das Stadion ist super, wirklich. Um den Zuschauerschnitt musst du uns aber nicht beneiden.

Der gelernte Stahlschlosser aus Wien (Jahrgang 1957) kam 1974 von Wienerfeld zur Austria und blieb dem Klub bis 1987 treu (424 Spiele, 60 Tore). Acht Mal wurde das Mitglied der Austria- Jahrhundertelf Meister, vier Mal Cupsieger. Mit Österreichs Nationalteam nahm er 1978 und 1982 an der WM teil. Als Trainer war er u. a. bei der Austria (Assistent) und bei der Admira tätig. In die Südstadt kehrte er 2015 zurück, zuvor war er im Amateurbereich tätig.

Der gelernte Elektriker aus Statzendorf (NÖ, Jahrgang 1953) spielte von 1971 bis 1985 bei der Austria (393 Spiele, 42 Tore). Nach sieben Meistertiteln, vier Cupsiegen und dem Europacup-Finale 1978 wurde der sechsfache Teamspieler Trainer. Aufstiege gab es mit SKN und LASK (je zwei Mal), dazu den Cupsieg mit der Austria 2009. Seit Saisonbeginn ist der Vater von vier Töchtern wieder SKN-Trainer und liegt aktuell auf Aufstiegskurs in die Bundesliga.

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