Salzburgs Gastspiel bei den Vertriebenen

Geisterstadt: Agdam, eine Stadt im Westen Aserbaidschans, wurde 1993 von Armenien zerstört. Deshalb spielt Salzburg heute in Baku gegen den FK Karabach Agdam.
Österreichs Meister trifft heute in Baku auf den FK Karabach aus der Geisterstadt Agdam.

Für eine Mannschaft, die vor fünf Monaten Ajax Amsterdam in zwei Spielen dominiert hat, sollte Karabach Agdam keine Hürde sein. Ein Klub, der vor zwei Jahren an Luxemburgs Meister F91 Düdelingen gescheitert ist, sollte vor dem Meister Aserbaidschans aber zumindest Respekt haben.

Dass dies im Fall von Salzburg so ist, bewies Adi Hütter schon vergangene Woche: Der Red-Bull-Trainer nahm die Strapazen einer fast neunstündigen Flugreise nach Baku auf sich, um den heutigen Gegner im Hinspiel der dritten Qualifikationsrunde der Champions League (17.30 Uhr MESZ) gegen den FC La Valetta zu beobachten.

25.000 fanatische Fans

Was sah Hütter beim 4:0 gegen den Meister aus Malta? "Karabach hat eine sehr spielstarke Mannschaft mit einigen Brasilianern in der Offensive. Außerdem erwarten uns in Baku 25.000 fanatische, heißblütige Fans."

Salzburgs Gegner ist ein ganz besonderer: Karabach Agdam ist ein Klub der Vertriebenen aus einem Gebiet, um das es seit 25 Jahren Streitigkeiten zwischen Armenien und Aserbaidschan gibt.

Salzburgs Gastspiel bei den Vertriebenen
Die Stadt Agdam liegt eigentlich geografisch gar nicht im Zankapfel Bergkarabach, sondern ist die Hauptstadt eines gleichnamigen, benachbarten Bezirkes, der aber mittlerweile zu einem großen Teil unter der Kontrolle der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach steht.

Tausende Aserbaidschaner waren 1988 aus der Krisenregion nach Agdam geflüchtet – in eine Stadt, die fünf Jahre später selbst zum Kriegsschauplatz werden sollte. Im Mai 1993 begann eine Offensive der armenischen Armee, am 23. Juli 1993 wurde Agdam erobert und schlussendlich zerstört. Wo einst 30.000 Menschen lebten, gibt es heute nur noch Ruinen.

Der Fußballklub Karabach Agdam war der ganze Stolz der Bezirkshauptstadt. 1992 wurde Karabach als zweiter Verein überhaupt Meister der ehemaligen Sowjetrepublik. Ein Jahr später kam der Krieg nach Agdam: Karabach wurde gezwungen, die Stadt zu verlassen. Das Imarat-Stadion, in dem der Klub seit 1952 gespielt hatte, wurde zerstört, Trainer Allahverdi Bagarow durch eine Landmine getötet.

Der Klub fand in Baku eine neue Heimat, hatte nach dem Umzug aber bald finanzielle Probleme. Trotzdem ist Karabach einer von nur drei Vereinen, die immer der aserbaidschanischen Premjer Liquasi angehört haben.

Die Vereinsbosse träumten aber von einer Rückkehr in die alte Heimat. 2009, nach 16 Jahren in der Hauptstadt Aserbaidschans, zog Karabach wieder um – nach Kusanli, der größten Stadt im Bezirk Agdam, die nicht unter Kontrolle Armeniens steht. Näher konnte man der zerstörten Heimatstadt nicht kommen. Mittlerweile ist Karabach wieder nach Baku zurückgekehrt. 2013 wurde der erste Meistertitel seit der Flucht aus Agdam errungen.

Karabach spielt in dieser Saison übrigens zum ersten Mal in der Champions-League-Qualifikation. Anders die Salzburger: Die nehmen bereits zum zehnten Mal Anlauf auf Europas Königsklasse. Nur beim ersten Mal hat es geklappt (1994). In der Ära Red Bull ist es schon der siebente Versuch. Nun soll der eigentliche Vereinszweck endlich erfüllt werden: die Teilnahme an der Champions-League-Gruppenphase.

Karabach AgdamSalzburg (Baku, Tofik-Bahramow-Stadion, 17.30 Uhr MESZ/live ORF eins, SR Sergej Bojko/Ukr).

Zur Info: Bei Karabach Agdam werden mit Richard, Danilo, Chumbinho und Reynaldo vier Brasilianer in der Startelf stehen. Bei Salzburg ist Ilsanker (Zehenverletzung) nicht dabei, Alan fehlt nach seinem Ausschluss gegen den FC Basel. Der Belgier Bruno könnte sein Startelfdebüt rechts im Mittelfeld geben, Sabitzer dürfte dieses Mal neben Soriano stürmen.

Rückspiel am 6. August in der Red-Bull-Arena (20.30 Uhr). Der Sieger spielt im Champions-League-Play-off, der Verlierer im Europa-League-Play-off.

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