Mario Gomez: "Ich war der Buhmann"

Mario Gomez hat sich in Istanbul erholt und soll für deutsche Tore in Frankreich sorgen.
Nach dem EM-Spiel gegen Österreich 2008 folgte der Knick - nun steht der Stürmer wieder im Fokus.

Am Sonntag steigt Weltmeister Deutschland gegen die Ukraine in Lille (21 Uhr) ins EM-Turnier ein. Einer hat sich für Teamchef Joachim Löw angeboten, von dem man es vor geraumer Zeit nicht mehr erwartet hatte: Mario Gomez. Von Besiktas Istanbul hat ihn der Coach in die Nationalmannschaft geholt. Was Löw am 30-Jährigen gefällt? "Mario ist ein Stürmer der letzten Aktion."

Nach dem Fehlschuss bei der EM 2008 im Vorrundenspiel gegen Österreich fühlte sich Gomez fallen gelassen. Der Torjäger hat sich als Nationalspieler lange ungerecht behandelt gefühlt.

Auslöser sei jene vergebene Großchance im letzten Gruppenspiel der EM-Endrunde 2008 gegen Österreich gewesen. "Das war schwer zu verarbeiten für mich, damals, mit Anfang 20", sagte der deutsche Stürmer im Interview mit dem Berliner Tagesspiegel (EM-Kooperationspartner des KURIER; Anm.). "Ich glaube sogar, dass mich dieses Missgeschick eine gute Zeit in der Nationalmannschaft gekostet hat", sagt Gomez. Damals sei vorher ein "Mega-Hype" um ihn gemacht worden.

"Die Erwartungen waren riesig. Dann dieser Fehlschuss. 2010, nach meinem ersten Jahr bei den Bayern, da habe ich bei der WM gar kein Spiel gemacht und war trotzdem das große Thema. Und 2012 war ich nach einer Wahnsinnsvorrunde trotzdem der Buhmann. Ich weiß noch, wie Bastian Schweinsteiger und ich nach dem Halbfinal-Aus gegen Italien niedergemacht wurden."

Er wisse auch, dass das zum Fußball natürlich dazugehöre. "Und ich weiß auch, dass es immer davon abhängt, wie man performt. Aber manchmal sieht man sich selber ein bisschen ungerecht behandelt."

Gelassenheit

Nach zwei durchwachsenen Jahren und vielen Verletzungen bei AC Fiorentina habe er sich bei Besiktas Istanbul eine gewisse emotionale Distanz zum Fußball zugelegt. "Ich habe überhaupt nicht mehr das Gefühl, dass mich alle Fans und alle Journalisten mögen müssen. Es ist weg. Das mag daran liegen, dass es für meine Karriere auf die Zielgerade geht. Ich genieße den Fußball wie noch nie in meiner Karriere. Gerade weil ich eben weiß, wie es ist, wenn man keinen Erfolg hat, wenn einen das Gefühl verlässt, das Vertrauen und die Power."

Er genieße auch eine gewisse Planlosigkeit, gesteht Gomez: "Selbst jetzt, wo es Wechselgerüchte gibt, weiß ich noch nicht, wie es weitergeht in der nächsten Saison. Ich will es im Moment auch wirklich nicht wissen, es interessiert mich nicht."

Abwarten

Gomez hat sich als Saisonziel den EM-Titel ausgegeben, er kann sich aber dabei auch mit einer Rolle als Reservist bei der EM anfreunden. "Ich werde jede Entscheidung des Trainers akzeptieren", sagt der 30-Jährige. "Wenn es die ist, dass ich nur ein Spiel mache, dann mache ich nur ein Spiel."

Er habe den Jubel der Weltmeister von Brasilien vor zwei Jahren gesehen, "da waren alle zufrieden, egal, wie oft der Einzelne auch gespielt hat. Es hat gezeigt, dass sich der Fußball inzwischen ein bisschen gewandelt hat. Es gibt nicht nur diese drei, vier Leitwölfe. Das sind alles gute Spieler, und von denen sitzen dann eben auch einmal sechs oder sieben auf der Bank. Das wird aber mittlerweile viel eher und besser akzeptiert."

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