Türkei: Visum für die EU könnte fallen

Türkei: Visum für die EU könnte fallen
In Europa kaum beachtet - in der Türkei ein "historischer Schritt": Ankara hofft auf die Aufhebung der EU-Visumspflicht für die türkischen Bürger.

In der Türkei macht sich in diesen Tagen ein ungewohntes Gefühl breit: Freude über gute Nachrichten von der EU. Nach Jahren des Frusts wegen des Widerwillens der Europäer bei den Beitrittsverhandlungen konnte die türkische Regierung jetzt einen wichtigen Erfolg melden. EU und Ankara vereinbarten Gespräche über Erleichterungen im Reiseverkehr, die schon in wenigen Jahren zur Abschaffung der Visumspflicht führen könnten. Für die Türken hat das hohe symbolische Bedeutung, denn die Visa werden allgemein als Demütigung empfunden.

Außenminister Ahmet Davutoglu sprach im Fernsehen von einem "historischen Schritt", EU-Minister Egeman Bagis schrieb auf seiner Facebook-Seite, die Türkei sei dabei, "das Visum für ein visafreies Europa" zu lösen. Die EU beginne zu verstehen, dass die Türken nicht mehr vor den europäischen Konsulaten Schlange stehen wollten, um nach Europa reisen zu dürfen.

Damit berührte Bagis einen wichtigen Punkt. Die angestrebte EU-Mitgliedschaft ist für viele seiner Landsleute nicht mehr so wichtig. Die politische und wirtschaftliche Krise in der EU hat die Attraktivität des Projektes geschmälert: Laut dem türkischen Statistikamt ist die Zustimmung der Türken zur EU-Mitgliedschaft innerhalb von acht Jahren von 70 auf 45 Prozent gesunken.

Türkei will Visumfreiheit - die EU Hilfe für das Flüchtlingsproblem

Gleichzeitig wurde das Thema Visum zum wichtigsten Bereich im türkischen Verhältnis zu Europa. Fast jeder Türke hat negative Erfahrungen mit Europa-Visa gemacht. Sollte es hier in den nächsten Jahren Verbesserungen ergeben, dann werde auch der türkische Enthusiasmus für das EU-Projekt selbst wieder zunehmen, sagen Beobachter und Diplomaten.

Denn die Visumspflicht empfinden viele Türken als Schikane - etwa durch die Aufforderung zum Nachweis genügender finanzieller Mittel. Die Furcht der Europäer, viele Türken würden ohne Visum nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, hält Ankara für unbegründet. Als aufsteigende Regionalmacht und wirtschaftliches Boomland macht sich die Türkei um die eigene Attraktivität keine Sorgen.

Seit Jahren fordert Ankara von der EU, die Visumspflicht müsse abgeschafft werden. Dass jetzt Gespräche darüber beginnen, liegt daran, dass beide Seiten etwas vom jeweiligen Gegenüber wollen. Die Türkei will die Visumfreiheit - und die EU will, dass die Türkei dabei hilft, die Zahl der Flüchtlinge in Europa zu senken. Als Gegenleistung für die Visa-Gespräche stellte Ankara den Europäern deshalb die Umsetzung eines seit langem fertig ausgehandelten "Rückübernahmeabkommens" in Aussicht. Damit würde sich die Türkei verpflichtet, die mehreren zehntausend Flüchtlinge wieder aufzunehmen, die jedes Jahr über türkisches Territorium in die EU gelangen.

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