Wie Erdogans Lobbyisten Politik machen

Köln: Am 31.Juli demonstrieren Zehntausende für Erdogan
Zwei Türken-Parteien sorgen für Pro-Erdogan-Stimmung

Die Armenien-Resolution brachte für Remzi Aru das Fass zum Überlaufen. Als der Bundestag die Massaker an den Armeniern als Genozid einstufte, war für den IT-Unternehmer klar: Eine Türken-Partei muss her. "Keine deutsche Partei ist mehr für einen Menschen mit türkischen Wurzeln wählbar", sagte der 49-Jährige bei der Gründung seiner "Allianz Deutscher Demokraten". Zwar sehe er sich als Sprachrohr für alle Migranten, aus seiner Verehrung für Recep Tayyip Erdogan macht er aber kein Hehl: In Deutschland würden Türken von der "Lügenpresse" zu "Sündenböcken" gemacht, das will er ändern.

Geheimdienst macht Druck

Die Rhetorik Arus, der türkischstämmige Abgeordnete anderer Parteien gerne mal "Terrormoppel" oder "Haustürken" nennt, ist dem Opfergestus der AfD nicht unähnlich. Die ADD, quasi eine Alternative für Türken, ist aber lange nicht die einzige Gruppe, die für Erdogan Lobbyarbeit betreibt. Mustergültig im Sinne Ankaras macht das auch Mustafa Yeneroglu, ein AKP-Abgeordneter, der in Deutschland aufwuchs und Stammgast im TV ist; er nennt Erdogan gern einen "lupenreinen Demokraten". Auch Fatih Zingal, Vorsitzender der Union Europäisch-Türkischer Demokraten – der Europa-Ableger der AKP – spricht bei Anne Will und Co. von Erdogans "grunddemokratischer" Politik. Die UETD hat dessen Auftritte hierzulande vorbereitet, auch die Kölner Großdemo hat sie organisiert.

Weniger öffentlichkeitswirksam agiert DITIB, der größte Islamverband des Landes. Er übt seinen Einfluss über Moscheen und Schulen aus: Gut 900 Gotteshäuser werden von Imamen aus der Türkei geleitet; sie werden vom Religionsamt Diyanet entsandt und bezahlt. In einigen Bundesländern ist DITIB für den Religionsunterricht zuständig; eine Praxis, die seit dem verhinderten Putsch überdacht wird. Wie wichtig Moscheen und Schulen in diesem politischen Spiel sind, zeigt auch das Vorgehen des türkischen Geheimdienstes. Dieser hat den deutschen Bundesnachrichtendienst laut Informationen des Spiegel aufgefordert, Dokumente über Anhänger und Einrichtungen des Islam-Predigers Fetullah Gülen zu übergeben und enge Mitarbeiter Güllens auszuliefern. Güller, der hinter dem Putschversuch stehen soll, ist ja über Schulen und Moschen aktiv.Weniger erfolgreich war bisher das "Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit", die erste Türken-Partei Deutschlands. Die Gruppe, die ebenso wie die AAD recht intransparente Verbindungen zur AKP hat, konnte seit 2010 keinen nennenswerten Wahlerfolg verbuchen. Remzi Arus Bündnis will nicht so ein Nischendasein fristen, sagt er – bei den Wahlen 2017 peilt er zehn Prozent an.

Realistisch ist das freilich nicht, selbst wenn viele der 1,4 Millionen wahlberechtigten Deutschtürken die Migrantenpartei wählen.

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