Niessl: Steuerreform muss sofort kommen

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl
Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann will damit die Wirtschaft ankurbeln.

KURIER: Herr Landeshauptmann, wird Herr Freund der SPÖ die EU-Wahl retten?

Hans Niessl: Wir haben jetzt einen sehr kompetenten Spitzenkandidaten, der die Innen- und Außenpolitik gut kennt. Es freut mich, dass er bekannt ist und hohe Sympathiewerte im Fernsehen hat. Und positiv ist auch, dass er Nummer 1 werden will.

So mancher Fernsehstern ist schon in der Politik verglüht. Welchen Rat geben Sie Herrn Freund?

Er braucht keinen Rat, er kann aus Fehlern anderer lernen. Politik funktioniert anders als jeder andere Beruf.

Bundeskanzler Werner Faymann hat sich vom kritischen Leserbriefschreiber zum glühenden Europäer entwickelt. Sind Sie auch einer?

Viele Fragen, etwa im Wettbewerbsrecht, sind national nicht mehr lösbar. Eine Million Österreicher lebt vom Export. 57 Prozent unseres Wohlstandes kommen vom Export. Ohne EU würde die Arbeitslosenquote rasant ansteigen. Vor 100 Jahren ist der Erste Weltkrieg ausgebrochen, vor 75 Jahren hat Hitler den Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Jetzt haben wir eine Friedensorganisation in Europa.

Warum hat die SPÖ so verhalten auf die Idee von Salzburgs ÖVP-Landeshauptmann Haslauer reagiert, schnell eine Steuerreform zu machen, wo die Senkung der Einkommenssteuer durch eine Vermögenssteuer finanziert würde?

Ich stimme mit Haslauer überein. Auch Wirtschaftsforscher sagen ja, dass wir die Steuersätze bei den Einkommen deutlich senken müssen. Der Eingangssteuersatz ist zu hoch, die kalte Progression wirkt sich aus. Und ab 60.000 Euro 50 Prozent zahlen, das ist auch zu hoch. Wir brauchen eine Entlastung des Mittelstands, für Arbeitnehmer, aber auch für Klein- und Mittelbetriebe. Daran wird auch die neue Regierung gemessen werden.

Wann soll diese Steuerreform kommen?

Jetzt; und zwar aus mehreren Gründen. Die Leute haben kein Verständnis mehr für diese hohen Belastungen. In ganz Europa gibt es diesen hohen Einkommenssteuersatz nicht. Und ab 60.000 Euro schon 50 Prozent dem Staat zu zahlen, ist auch einmalig. Das muss sich rasch ändern. Wir brauchen stärkere Nachfrage im Konsum, weil die Leute das zusätzliche Geld ja ausgeben würden. Ich möchte zwei Milliarden jetzt, gegenfinanziert durch Vermögenssteuer, und in vier Jahren noch einmal zwei Milliarden. Den zweiten Teil der Steuerreform müssten wir durch Einsparungen im Staat finanzieren.

Zur Schule: Über Namen wurde genug gestritten, was wäre für den ehemaligen Hauptschullehrer Niessl das beste für die Kinder?

Ich schaue nach Tirol. In Südtirol gibt es die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen, und die schneiden beim PISA-Test besser ab als die Nordtiroler. Ich bin also für Modellregionen, die wissenschaftlich begleitet werden.

Machen Sie so etwas im Burgenland?

Wir haben eine Modellregion in Güssing und Jennersdorf. Da gibt es bis 14 Jahre die Neue Mittelschule, und ein Teil der Kinder geht dann ins Gymnasium weiter.

Und das bewährt sich?

Ja, wir haben dort eine sehr hohe Maturanten-Quote, aber das gilt für das ganze Burgenland. Wir haben im Burgenland 49 Prozent Maturanten-Quote, in ganz Österreich sind es 42 Prozent.

Aber verstehen Sie auch die Ängste der Eltern, die das Gymnasium erhalten wollen?

In Wirklichkeit geht es um die Sprachkompetenz. Für Kinder, die nicht ordentlich Deutsch können, brauchen wir das verpflichtende zweite Kindergartenjahr. Und in den Volksschulen brauchen wir zusätzliche Lehrer für alle, die nicht ausreichend Deutsch können. Wir brauchen mehr Lehrer in den Klassen und kleinere Gruppen.

Und wie finanzieren wir das?

Wir könnten in der Verwaltung Geld sparen, wenn alle Lehrer bei den Ländern angesiedelt werden. Die Landesregierungen könnten von den Landesschulräten Leistungen übernehmen, wie etwa EDV, Buchhaltung und Personal. Dadurch würden Doppelstrukturen wegfallen und Synergien genutzt.

Das heißt, wir verschwenden zurzeit in der Schulverwaltung sinnlos Geld?

Aus meiner Sicht ja.

Bei SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied haben Sie sich damit nicht durchgesetzt. Haben Sie bei deren Nachfolgerin Heinisch-Hosek eine Chance?

Ich glaube, dass der Vorschlag, den ja alle Landeshauptleute gemacht haben, der beste Weg wäre.

Aber wie wollen Sie die Bundes-SPÖ überzeugen?

Wir wollen im Verwaltungsbereich schlankere Strukturen – und das gesparte Geld für die Kinder verwenden.

Bei der Regierungsklausur in Waidhofen/Ybbs wurde am Mittwoch der Startschuss für die Steuerreform gegeben. Er fiel denkbar leise aus.

Eingesetzt wurde jetzt einmal die politische Steuerungsgruppe – drei Rote (Ostermayer, Schieder, Steßl) und drei Schwarze (Mitterlehner, Danninger, Lopatka) – für die angekündigte Steuerreform-Kommission. Sie soll ein Jahr lang tagen, Experten der Sozialpartner und aus der Wissenschaft einbinden sowie, den Vorgaben des Regierungsprogramms folgend, Vorschläge erarbeiten.

Wer eben dort nachblättert, dürfte enttäuscht sein: Es fehlt vor allem ein konkretes Datum für die Steuerentlastung. Sie werde kommen, heißt es vage, „sobald eine ausreichende Gegenfinanzierung oder budgetäre Spielräume gegeben sind“.

Wie wohl die Stoßrichtung klar ist: Der Eingangssteuersatz soll – unter gleichzeitiger Abflachung der Steuerstufen („Progression“) – in Richtung 25 Prozent gesenkt werden. Dieser Eingangssteuersatz beträgt heute im internationalen Vergleich unüblich hohe 36,5 Prozent.

Erste Schritte

Was die Steuerreform-Kommission hierzu in einem Jahr konkret austüfteln soll, ist vorerst jedoch nur ein „Reformpfad zur Harmonisierung (mit den Bemessungsgrundlagen in der Sozialversicherung) und Steuervereinfachung“. Also mitnichten die Steuerentlastung selbst. Diese wird nach Ansicht aller maßgeblichen Experten vor allem von der weiteren Konjunkturentwicklung, dem Gelingen so mancher Reform (z. B. Pensionen) und der Hypo-Lösung abhängen. Daher dürfte sie realistischerweise erst gegen Ende der fünfjährigen Legislaturperiode kommen.

Staatsschuldenwächter Bernhard Felderer verweist darauf, dass die Lohnsteuersenkung ein Volumen von sechs Milliarden Euro haben müsste, um spürbare Impulse zu setzen. Angesichts des Budgetlochs, das sich bis 2018 auf 13 bis 32 Milliarden ausweitet (je nach Lesart) ein Riesenbetrag.


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