Staatsanwälte verlangen eigene Eingreiftruppe

Für Karl-Heinz Grasser kommt das neue Zeitlimit zu spät. Gegen ihn wird seit fünf Jahren ermittelt
Das neue Zeitlimit von drei Jahren bei den Ermittlungen erzürnt die Ankläger.

Im medialen Getöse rund um das Hypo-Sondergesetz ging die erste Gesetzesnovelle von Justizminister Wolfgang Brandstetter, die einige Brisanz in sich birgt, förmlich unter. Letzten Donnerstag wurde im Parlament eine Reform der Strafprozessordnung beschlossen. Was der Justizminister als Erfolg feiert, sorgt unter den Staatsanwälten für ebenso große Verärgerung wie das Hypo-Gesetz bei den Banken.

Drei-Jahres-Limit

Staatsanwälte verlangen eigene Eingreiftruppe
Staatsanwalt Michael Radasztics sitzt am Mittwoch (12.12.12) im Straflandesgericht in Wien vor Beginn der Gerichtsverhandlung im Prozess gegen den Geschaeftsmann und Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouillyim Saal. Mensdorff-Pouilly soll von BAE Systems Millionen zu Bestechungszwecken erhalten haben, um damit Beschaffungsvorgaenge in Zentral- und Osteuropa zugunsten des britischen Ruestungskonzerns zu beeinflussen. Foto: Hans Punz/dapd
Der Grund: Die Staatsanwaltschaft wird damit künftig zeitlich stark unter Druck gesetzt. Die Ermittlungen von hochkomplexen Wirtschaftsdelikten à la BUWOG, Libro oder Meinl dürfen laut der neuen Gesetzesnovelle nicht länger als drei Jahre dauern.

Nur mit richterlicher Genehmigung kann dieses Zeitlimit überschritten werden. Allerdings: Verzögerungen durch die Einschaltung ausländischer Behörden sind in die Frist nicht eingerechnet. "Das ist eine heikle Sache. Ortet der Richter bei der Staatsanwaltschaft eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, kann er die Ermittlungen beenden", sagt ein empörter Staatsanwalt, der anonym bleiben will.

Staatsanwälte verlangen eigene Eingreiftruppe
APA12346218 - 17042013 - WIEN - ÖSTERREICH: Der als Zeuge geladene Alfons Mensdorff-Pouilly am Mittwoch, 17. April 2013, im Rahmen des Zivilprozess zur "Causa Grippemasken", Rauch-Kallat gegen "profil", am Handelsgericht Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Ganz offiziell auf die Barrikaden hingegen gehen die Staatsanwälte der Wirtschaftsgruppe Wien. In einer Stellungnahme, die von den Staatsanwälten Volkert Sackmann und Michael Radasztics und Kollegen verfasst worden ist, lassen sie kein gutes Haar an der Gesetzesnovelle. Denn aus ihrer Sicht bringt die Reform keinerlei Beschleunigung. Die Schuld für die vielen Verzögerungen liegt für die Anklagevertreter auch nicht bei der Staatsanwaltschaft, sondern vor allem beim mangelnden Know-how in der Polizei. Nur wenige Polizeibeamte sind in der Lage, derart komplexe Verfahren (bei Immofinanz waren 282.000 Gigabyte Daten zu sichten) zu ermitteln, lautet der Vorwurf. "Wir sind in den Großverfahren zur einzigen Ermittlungsbehörde mutiert. Zu Recht stellt man sich die Frage, was denn eigentlich die Kriminalpolizei macht?", sagen die Staatsanwälte. Die mangelnde Kompetenz bei der Exekutive führe dazu, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Not teure Sachverständige beauftragt. "Diese Probleme sind den beteiligten Ministerien bekannt, doch wird dagegen nichts unternommen."

Eingreifgruppe

Staatsanwälte verlangen eigene Eingreiftruppe
APA14613664-2 - 13092013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 165 II - Am Wiener Landesgericht wurde am Freitag, 13. September 2013, der Telekom-Prozess um mutmaßliche Parteispenden an das BZÖ fortgesetzt. Im Bild: Der Angeklagte Lobbyist Peter Hochegger im Großen Schwurgerichtssaal. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Weil auch Hausdurchsuchungen mitunter vorab verraten werden, wünscht sich die Staatsanwaltschaft schon lange eine eigene, direkt bei der Justiz angesiedelte Eingreiftruppe. "Es mutet schildbürgerisch an, einem in den Wurzeln erkrankten Baum Lametta und Girlanden über die dürren Äste und verwelkten Blätter zu hängen, um ihn wieder fit aussehen zu lassen (...). Dies löst das Problem nämlich nur insoweit, als dass zukünftige große Wirtschaftscausen eben nicht mehr ausermittelt werden können und erinnert ein wenig an die Berlusconi-Ära.Ein Schnitt am Ende der Kette, beim ermittelnden Staatsanwalt, ist jedenfalls der falsche Zugang", befinden die Staatsanwälte.

So fordern die Ankläger, dass das Zeugnisverweigerungsrecht der Wirtschaftstreuhänder bei der Finanz eingeschränkt wird. Das würde eine Zeitersparnis von einem Jahr bringen.

Ein weiterer Grund für Verzögerungen seien die Schwierigkeiten beim Knacken des Bankgeheimnisses. Anstatt dass – wie derzeit – zumindest 800 Mitarbeiter in Banken von Justiz-Ermittlungen erfahren und Konten durchforsten, fordern die Staatsanwälte ein zentrales Kontenregister. Das Argument: Damit könnte die Justiz binnen weniger Stunden diskret herausfinden, ob ein Beschuldigter in Österreich Konten führt oder nicht.

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