Die Geburtsstunde der Packelei
Nach der inneren Logik (die es in solchen Fällen allerdings nicht gibt) müsste es diesmal schneller gehen – weil praktisch keine Alternativen zur Großen Koalition bestehen. Zu jener Großen Koalition, deren legendäre „Packelei“ nicht nur durch diese Schnurre belegt ist: Als in den ehemals kaiserlichen WC-Anlagen in Schönbrunn um 1950 eine „rote“ Klofrau beschäftigt wurde, musste auch eine mit schwarzem Parteibuch angeheuert werden.
„Es reicht!“
Kleine Koalitionen verliefen freilich desaströser: Die erste (Rot-Blau) zerbrach 1986, die zweite (Schwarz-Blau) 2003. Beide endeten vorzeitig – und stets unter heftigem Zutun Jörg Haiders. Auch wenn die dritte „Kleine“ (Schwarz-Orange) volle vier Jahre hielt, kommt diese Regierungsform bei Umfragen nicht aufs Siegerstockerl. Der (laut Eigenwerbung) „zu junge, zu intelligente und zu schöne“ Finanzminister Grasser konnte das Nulldefizit nicht halten, die Packelei erreichte neue Höhen und die schwarz-blau-orange Zusammenarbeit führte zu noch mehr Politskandalen als in jeder anderen Konstellation.
Die erste „Große“
Die Geburtsstunde der Großen Koalition hatte 1947 geschlagen, als ein kommunistischer Minister aus Protest gegen einen Gesetzesentwurf die Regierung verließ. Damit blieb das Zusammenspiel zwischen Schwarz und Rot übrig, dessen Frühzeit der Historiker Manfried Rauchensteiner in seinem Standardwerk über die Große Koalition („Die Zwei“, Bundesverlag) in drei Phasen unterteilt:
Phase 1 (Die Gewöhnung): Sie war eine Not- und Zweckgemeinschaft, die das Zusammenleben unter vierfacher Besatzung ermöglichte. ÖVP und SPÖ drohten ständig, die Koalition platzen zu lassen, um mit Kommunisten oder dem „Verband der Unabhängigen“ (VdU = Vorgängerpartei der FPÖ) weiterzuregieren. Doch Bundespräsident Theodor Körner weigerte sich, den VdU in die Regierung aufzunehmen. In dieser Zeit (die bis 1953 dauerte) wurde der Proporz zwischen den Großparteien verankert.
Phase 2 (Die Erfolge): Neben dem Durchbruch in der Außenpolitik (Staatsvertrag und Neutralität) brachten die 1950er-Jahre Sozialpartnerschaft, Wirtschaftswunder und Wohlstand.
Phase 3 (Die Packelei): Ihr verdankt die Große Koalition ihren bis heute angeschlagenen Ruf. „Ab 1959 waren die beiden Parteien praktisch nur noch darauf aus, einander gegenseitig zu belauern und zu kontrollieren“, meint Professor Rauchensteiner, „und sie zeigten wenig Willen zu echter Zusammenarbeit“.
Doch kaum waren die nächsten Wahlen geschlagen, ging der Proporz wieder von vorn los. Kanzler Julius Raab hat ihn wohl am treffendsten definiert: „Proporz is, wenn i ins Gebäude vom Rundfunk kumm und plötzlich überall statt aner Hand zwa Händ schütteln muss.“
Wobei es im historischen Rückblick grotesk (aber menschlich nicht unsympathisch) erscheint, dass die Kontakte zu den politischen Gegnern oft besser waren als innerhalb der eigenen Reihen. So kam es vor, dass der SP-Vizekanzler Schärf den VP-Kanzler Figl gegen seine eigenen Parteifreunde in Schutz nahm. Ebenso legendär wie die Gegensätze zwischen Bundespräsident Renner und seinem Parteifreund Schärf war die gute Achse Renner-Figl oder die Freundschaft des SP-Innenministers Helmer zum VP-Kanzler Raab.
Die Großen Koalitionen legten ihre Bewährungsproben auch später noch ab: 1995 durch den EU-Beitritt und ab 2008, da Österreich im Vergleich zu anderen Ländern mit einem blauen Auge durch die Krise kam.
Klaus & Kreisky
Wir werden wohl noch ein paar Tage oder auch Wochen warten müssen, bis sich die Beiden zusammenraufen. Um irgendwann einmal, vielleicht in ferner Zukunft, doch nur mit einer Toilettenfrau zurechtzukommen.
Das neue Buch von Georg Markus:
Soeben erschienen: Das neue Buch von Georg Markus „Es war ganz anders, Geheimnisse der österreichischen Geschichte“,in dem der Autor nachweist, dass viele Geschichten, die wir aus der Geschichte kennen, durch jüngere und jüngste Erkenntnisse neu geschrieben werden müssen.303 Seiten, zahlreiche Abbildungen,€ 24,95. Amalthea Verlag,Wien. Erhältlich im Buchhandel oder – handsigniert vom Autor– im kurierclub.at
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