Drahtseilakte im Wochentakt

Außenminister Kurz balanciert zwischen rotem Teppich und harter Krisendiplomatie.

Klar und sehr emotional" sei das Gespräch mit Erdogan gewesen: "Es war mir wichtig, ihm persönlich zu sagen, was wir von solch einer Veranstaltung halten."

Keine diplomatischen Galanterien: Außenminister Kurz ließ am Freitag nach dem Treffen mit dem türkischen Premier keinen Zweifel daran, dass hier offene Gegensätze aufeinandergeprallt waren. Betont kühl und sachlich hatte Kurz den unangenehmen Wien-Besucher empfangen. Machte diesem deutlich, dass Wahlkampf in Wien, samt türkischem Flaggenmeer und Huldigung für osmanische Feldherren vor Wien, "nicht hilfreich" für Österreichs Bemühungen sei: "Diese Art der Einmischung ist schädlich für die Integration."

Noch schwieriger wird die Aufgabe für Kurz am kommenden Dienstag, wenn Russlands Präsident Putin auf eine gerade einmal sechsstündige Visite vorbeischaut. Anders als Erdogan, der ja zumindest nominell privat in Wien war, ist der Besuch des Russen hochoffiziell.

Es ist der Gegenbesuch für jenen von Bundespräsident Fischer in Moskau vor drei Jahren. Damals allerdings trennten Moskau und Europa nicht die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und ein tobender Bürgerkrieg in der Ostukraine.

Die Olympischen Winterspiele in Sotschi, samt Putin-Besuch im Österreich-Haus, haben es erneut gezeigt: Österreich unterhält gute und wirtschaftlich lukrative Beziehungen zu Russland. Schon die Andeutung einer Konfrontation mit Moskau löst Ärger und Ängste unter Österreichs Unternehmern aus. Noch sind die Sanktionen gegen Russland vergleichsweise harmlos.

Doch je länger die Krise in der Ukraine dauert, desto größer wird der Druck, mit wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen zu beginnen. Zugleich soll wenige Tage nach dem Putin-Besuch die Ukraine den zweiten Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU unterzeichnen, was wiederum Moskau verstimmen wird.

Abstimmung mit Berlin

Nicht umsonst also behandelt man den Besuch in Außenamt und Präsidentschaftskanzlei wie ein rohes Ei. Der Termin verzögerte sich, das Rahmenprogramm wurde heruntergefahren. Kurz muss also versuchen, die bisher intakte Gesprächsbasis mit Russland aufrechtzuerhalten und gleichzeitig auf EU-Linie zu bleiben. Mit gutem Grund stimmte er sich vor wenigen Tagen mit seinem deutschen Amtskollegen Steinmeier in Sachen Ukraine ab. Das gibt dem Außenminister genug Rückhalt, um – zumindest gegenüber dem KURIER – diplomatisches Selbstbewusstsein zu demonstrieren: "Auch bei Putin werden wir klar unsere Standpunkte darlegen. Wir sind ein kleines Land, aber wir dürfen eine Meinung haben."

Die umstrittene Gaspipeline South Stream von Anapa am Schwarzen Meer bis nach Baumgarten in Niederösterreich dürfte zumindest von österreichischer Seite in der nächsten Woche fixiert werden. Im Rahmen des Besuchs des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin wollen der russische Energieriese Gazprom und die heimische OMV am Dienstag den Vertrag über den Bau der Pipeline auf österreichischem Gebiet unterzeichnen. Das kündigte Putins Berater Jurij Uschakow am Freitag in Moskau an. Die OMV wollte die Ankündigung nicht kommentieren.

EU blockiert

Wann die Pipeline – die nicht durch die Ukraine führt – tatsächlich gebaut wird, ist freilich offen. Denn vor drei Wochen wurde der Bau in Bulgarien auf Druck der EU-Kommission gestoppt. Diese hatte Verstöße gegen das EU-Wettbewerbsrecht festgestellt, weil der Erdgaslieferant Gazprom gleichzeitig auch den Zugang zur Pipeline kontrolliert. Außerdem habe Bulgarien bei der Auftragsvergabe gegen EU-Regeln verstoßen. Bulgarien hatte daraufhin das Projekt auf Eis gelegt. Allerding sei die EU – hatte Energiekommissar Günther Oettinger am Montag in Wien betont – nicht grundsätzlich gegen das Projekt. Aber die EU-Gesetze müssten dabei eingehalten werden.

OMV-Chef Gerhard Roiss fordert von der EU ein Festhalten am South-Stream-Projekt. "Die EU sollte die Gespräche über South Stream nicht beenden, sondern beschleunigen", sagte er am Freitag in Brüssel. Zwei Pipelines seien besser als eine.

Der geplante Deal endet allerdings nicht beim Bau des OMV und Gazprom finanzierten Pipeline-Abschnitts. Im Gegenzug soll die Gazprom zusätzlichen Speicherplatz für rund eine Milliarde Kubikmeter Gas in Österreich bekommen, um europäische Kunden besser beliefern zu können. Und Gazprom soll einen Anteil an der Gasbörse CEGH in Baumgarten bekommen, die mehrheitlich der OMV gehört. Eine Beteiligung an der Gasbörse war 2011 bereits einmal gescheitert. Die Gazprom wollte die Hälfte, das war der EU aber zu viel.

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