Politikergedränge auf der Anklagebank
Im Schadenersatzprozess von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser gegen seinen ehemaligen Steuerberater Deloitte und Deloitte-Partner Peter Haunold werden am Montag die Hackeln tief fliegen. Denn: Richter Manuel Friedrichkeit wird erstmals Grasser einvernehmen. Und der wird in den Angriff übergehen. Der Ex-Politiker wirft seinem früheren Berater Haunold vor, dass er für ihn eine raffinierte Steuer-Konstruktion über Stiftungen in Liechtenstein, Zypern und in der Karibik gegründet, aber ihn dabei falsch beraten habe. Das "steuerschonende" Firmengeflecht, über das Grasser auch Vertriebsprovisionen aus dem Meinl-Imperium einsackte, wurde letztendlich von den Finanzbehörden in der Luft zerrissen.
Grasser hat ein Millionen schweres Steuer- und Finanzstrafverfahren am Hals. Ihm droht einerseits eine hohe Steuernachzahlung (5,4 Millionen Euro) und andererseits eine Strafzahlung in Höhe von bis zu 15 Millionen Euro. Die Verfahren sind aber noch nicht abgeschlossen.
Reine Absicherung
Im Zuge der Zivilklage fordert Grasser nun von Deloitte mittlerweile rund 500.000 Euro Schadenersatz. Er will jene Anwalts- und Gutachterkosten ersetzt haben, die er bisher aufbringen musste, um sich vor der Staatsanwaltschaft und den Finanzbehörden zu verteidigen.
"Ich hätte mir erwartet, dass mein Steuerberater, der mir diesen Scheiß eingebrockt hat, ein Mann ist und sagt, Karl-Heinz ich stehe dazu, ich habe das gemacht", erklärte Grasser am Freitag. "Haunold und Deloitte sind die Erfinder dieser Stiftungsstruktur und es hat keinen Schritt ohne Haunold gegeben." Im Endeffekt sei ihm sein früherer Finanzberater bei späteren Einvernahmen durch die Ermittler in den Rücken gefallen. Und zwar erst zu dem Zeitpunkt, so Grasser, als Zeuge Haunold selbst zum Beschuldigten wurde.
"Wenn Haunold und Deloitte behaupten, ich hätte die Steuer-Struktur verändert, so ist das die Unwahrheit", sagt Grasser. Die Klage gegen Deloitte sei für ihn eine Art Versicherungspolizze für künftige Schäden. Falls sich am Ende die Sicht der Finanz durchsetze, soll die Steuerberatungsfirma dafür haften.
Um die Grassers Verteidigungslinie zu untermauern, will sein Anwalt Dieter Böhmdorfer die Vorstände der ausländischen Grasser-Stiftungen als Zeugen vor Gericht laden lassen. Zugleich verlangt Böhmdorfer die Herausgabe des sogenannten Handaktes von Haunold. Laut Böhmdorfer existiert bei Deloitte eine Akte, in der Haunold Vermerke über Gespräche, Telefonate und etwaige Entwürfe in Sachen Grasser festgehalten habe.
"Das Oberlandesgericht Wien hat die Herausgabe des Handaktes bereits angeordnet", sagt Ex-Justizminister Böhmdorfer, Deloitte habe aber dagegen Beschwerde eingelegt. Böhmdorfer: "Wenn der Handakt für Haunold spräche, würde er ihn offenlegen."
"Völlig ins Leere"
"Die Vorwürfe gehen völlig ins Leere", sagt Harald Breit von Deloitte zum KURIER. "Es gibt bei uns keinen Handakt. Die Unterlagen, die die Beratung betreffen, hat Grasser alle erhalten." Grasser wolle mit seinen Vorwürfen nur "Sand in die Augen streuen". Denn: Das Stiftungskonstrukt Grassers sei nur für Passiv-Einkünfte, wie Dividendenzahlungen, gedacht gewesen und hätte dafür auch funktioniert.
"Es sind aber auch aktive Einkünfte, wie die Vertriebsprovisionen von Meinl, darüber geschleust worden", sagt Breit. Das sei seitens Deloitte nicht vorgesehen gewesen, und habe letztlich zu den Problemen mit der Finanz geführt. Der Abschlussbericht der Finanz belege, dass Grassers Firmenkonstrukt am Ende "nicht dem von Haunold vorgeschlagenen entsprach".
Peter Westenthaler, geborener Hojac, war schon so manches: Jörg Haider-Intimus, Generalsekretär der FPÖ, Obmann des BZÖ, Magna-Manager, Bundesliga-Vorstand. Am Freitag war er eine allein erziehende Mutter, welche die ihrem Kind gewidmeten Alimente kurzfristig für den eigenen Lebensunterhalt verwendet, weil ihr Arbeitgeber mit dem Gehalt säumig ist.
"Soll die Mutter deshalb wegen Betruges in Haft?", fragte Verteidiger Thomas Kralik, von dem der gewagte Vergleich stammt. Er hätte auch einfach sagen können: Geld hat kein Mascherl.
Als Westenthaler 2003 Bundesliga-Chef wurde, sah er sich sogleich mit einer Forderung der Republik Österreich von 1,6 Millionen Euro an Steuerschulden aus der Zeit vor ihm konfrontiert. Man einigte sich auf einen Vergleich von 1,2 Millionen, aber auch dieses Geld hatte die Bundesliga nicht flüssig. Gleichzeitig beschloss die Republik, junge heimische Kicker für die 2008 in Österreich bevorstehende Fußballmeisterschaft EURO mit einer Million Euro zu fördern. Das Geld floss über den Österreichischen Fußballbund zur Bundesliga, die es an die Stammklubs der ausgewählten Spieler weiterleiten sollten.
Oberstaatsanwältin Barbara Schreiber legt nun Westenthaler zur Last, den Vereinen die Fördermillion vorenthalten und für die Begleichung der Vergleichssumme von 1,2 Millionen missbraucht zu haben (so wie die allein erziehende Mutter die Alimente nicht ihrem Kind zukommen lässt, sondern selbst verbraucht).
Der Retter
Dem zweiten Vorwurf gegen Westenthaler und den krankheitshalber abwesenden mitangeklagten Ex-Lotterien-General Leo Wallner liegt laut Anklägerin eine relativ plumpe Untreue zugrunde. Man kennt das schon vom Telekom-Prozess gegen Westenthalers früheren Parteifreund Gernot Rumpold.
Westenthaler soll 2006 als BZÖ-Obmann erreicht haben, dass die schwarz-orange Regierung eine für die Lotterien schädliche Gesetzesänderung abbläst. Diese hätte den Glücksspielmarkt für Konkurrenten wie Novomatic erweitert. Im Gegenzug sollen die Lotterien über die BZÖ-Werbeagentur Orange 300.000 Euro ans BZÖ gezahlt haben, und zwar über ein Scheingeschäft: Ein Westenthaler-Mitarbeiter soll für die Lotterien alibihalber ein wertloses Gutachten über "Responsible Gaming" zusammengegoogelt haben.
Ein unbefangener Prozesszuschauer konnte am Freitag im Wiener Landesgericht beinahe übersehen, dass Westenthaler ein Angeklagter ist. Richter Wolfgang Ettl entsprach seiner Bitte, die finanziellen Verhältnisse nicht öffentlich zu erörtern.
Redefluss
Der Prozess geht Montag weiter.
Ernst Strasser muss ins Gefängnis. Der Oberste Gerichtshof hat am Montag den Schuldspruch wegen Bestechlichkeit in der "Lobbyisten-Affäre" bestätigt. Die Strafe ist aber von dreieinhalb auf drei Jahre unbedingt reduziert worden. Wie empfinden die Bürger das Urteil gegen den einstigen Innenminister und ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament? Eine Mehrheit von 55 Prozent hält es für angemessen, wie eine OGM-Umfrage für den KURIER ergibt. Lediglich 21 Prozent qualifizieren es als zu milde.
OGM-Meinungsforscherin Karin Cvrtila erklärt das so: "Viele Menschen haben die Medienberichte über Korruption verfolgt. Viele hatten den Eindruck: ,Die da oben können es sich richten.‘ Jetzt hat es einen erwischt, von dem man geglaubt hatte, dass er es sich richten kann."
Als "zu streng" erachten zwölf Prozent der Befragten den Richterspruch (FPÖ-Sympathisanten: 5 %, SPÖ-Anhänger: 6 %, Grün-Fans: 8 %, Neos-Wähler: 15 %, ÖVPler: 23 %). Dass das vergleichsweise viele Schwarze tun, rühre daher, dass Strasser aus der ÖVP komme, sagt Cvrtila. "Da sind sie ein bisschen milder." Wobei: Auch einer klaren Mehrheit (55 %) von ÖVP-Anhänger behagt das Urteil.
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