"Politiker runter vom Stockerl"

Jede(r) Neue wird als „Störfaktor“ empfunden, sagt die Salzburger Neos-Stadträtin Barbara Unterkofler
In Wien wollen Neos in die Regierung. In Salzburg-Stadt sind sie es schon. Ein Erlebnisbericht.

Barbara Unterkofler ist seit sechzehn Monaten hauptberuflich Politikerin. Völlig überraschend zog die Juristin im April 2014 in die Salzburger Stadtregierung ein. Um sechs Stimmen hatte ihre Partei, die Neos, die FPÖ bei der Gemeinderatswahl überflügelt und mit 12 Prozent Stimmenanteil einen Regierungssitz erobert.

Beate Meinl-Reisinger will für Neos im kommenden Herbst in die Wiener Stadtregierung einziehen. Was bringt es, wenn Neos mitregieren? Was kann eine einzelne Neueinsteigerin realistischerweise am System verändern?

"Politiker runter vom Stockerl"
Stadträtin Barbara Unterkofler in Salzburg Bild: Walter Schweinöster
In Salzburg sind die Neos mit der Idee eines "Zukunftsressorts" für die Stadt in die Verhandlungen gegangen. Die Idee ist in der Sekunde an einzementierten Machtblöcken zerschellt. "Da war kein Millimeter zu bewegen", sagt Unterkofler. Wo käme man da auch hin, etwas zu ändern. "Das haben wir immer so gemacht", wurde ihr beschieden.

Sie bekam das Bautenressort. "Es war schon Störfaktor genug, dass das an eine Neos-Politikerin geht und nicht bei der ÖVP bleibt", sagt die Stadträtin.

Planung und Verkehr bekam sie allerdings nicht. Ihr Ressort führt aus, was andere planen und anschaffen. Kreativitäts- und Gestaltungsspielraum: eher gegen null.

Als Unterkofler an einem vor ihrer Amtszeit beschlossenen Projekt (ein öffentliches Bad) Vergabefehler und eine falsche Kostenschätzung öffentlich macht, weil sie für Fehler ihrer Vorgänger nicht den Kopf hinhalten will, nimmt ihr der Bürgermeister (Heinz Schaden, SPÖ), kurzerhand die Hochbauagenden weg. Geblieben ist ihr der Tiefbau.

"Politiker runter vom Stockerl"
Stadträtin Barbara Unterkofler in Salzburg Bild: Walter Schweinöster
Frustrieren lässt sich die Neo-Politikerin dennoch nicht. Sie sucht einen Weg, wie sie das Neue an Neos dennoch sichtbar machen kann. In der Salzburger Altstadt sind bzw. waren zwei zentrale Gassen zu renovieren bzw. zu sanieren. Eine davon ist fertig, die andere, die Getreidegasse, in Arbeit. Jeden zweiten Donnerstag sitzt Unterkofler mit zuständigen Beamten in einem Wirtshaus in der Altstadt und lässt die Bürger bei der Neugestaltung der Gassen mitreden. Wo sollen die Sitzmöbel hin? Wie soll das Schaufenster während der Bauarbeiten geschützt werden? Welche Laternen werden gewählt? "In den ersten fünf Wochen bin ich praktisch allein dort gesessen. Aber dann sprach sich herum, dass man hier ernst genommen wird und was mitreden kann. Im Laufe der Zeit kamen dann bis zu dreißig Leute", erzählt die Stadträtin. Inzwischen haben sich Straßengemeinschaften gebildet von Bewohnern, Hausbesitzern und Geschäftsleuten, die gemeinsame Ziele definieren. "Ich sehe meine Aufgabe darin, übergeordnete Interessen der Stadt einzubringen oder einzuschreiten, wenn etwas zu teuer ist. Aber das ist gar nicht schwer, die Leute sehen ein, wenn man sich etwas nicht leisten kann. Es ist ja jeder selbst Steuerzahler." Diese Art von echter Bürgermitsprache ist für Unterkofler zentral für den Abbau von grassierendem Polit-Frust. "Die Politiker müssen runter vom Stockerl. Wir müssen uns als Dienstleister an den Bürgern verstehen."

Von ihren Regierungskollegen versteht sich Unterkofler am besten mit dem grünen Stadtrat Johann Padutsch. Er ist zuständig für Verkehr und Planung, Bereiche, die ihren Ressorttätigkeiten vorgelagert sind. Padutsch habe sich ihr gegenüber kooperativ gezeigt, "was ihm gleich geschadet hat", sagt Unterkofler. Die SPÖ habe die Achse mit den Grünen "ins Wanken gebracht" und tue sich nun wieder mehr mit der ÖVP zusammen. Unterkofler: "Aus der Außensicht haben SPÖ und ÖVP gemeinsam nur mehr die Hälfte der Stimmen, aber hinter den Kulissen beherrschen sie hundert Prozent des Machtapparats." Öffentliche Unternehmen. Kammern. Verbände. Gewerkschaften. "Diese beiden Parteien haben schon wahnsinnig viel Macht", sagt sie. Da ist jeder Neue – siehe oben – "ein Störfaktor".

Spürbar werde die Macht der alten Parteien, vor allem der ÖVP, wenn Neos neue Leute oder Sponsoren sucht. "Viele sagen mir: Nenne meinen Namen nicht, denn das schadet mir", sagt Unterkofler. "Ich finde es erschreckend, wenn jemand mit Nachteilen rechnen muss, wenn er sich für eine neue, demokratische Partei engagiert."

Unterschätzt hat Unterkofler den Faktor Medien in der Politik. "Es wird viel zu viel kampagnisiert, es gibt zu wenig sachliche Berichterstattung", sagt sie mit Verweis auf die Kronenzeitung. Außerdem würde die Politik viel zu viel Geld in Medien pumpen, um diese im Wege von Inseraten zu beeinflussen.

Irgendwie kommt einem bekannt vor, was die Neos-Stadträtin aus Salzburg zu erzählen weiß.

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